Die Schmuggler-Braut. Barbara Cartland

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Die Schmuggler-Braut - Barbara Cartland


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am See vorbei. Er erinnerte sich an die wenigen fröhlichen Stunden, die er als Kind hier beim Angeln oder Baden verbracht hatte.

      Daß die Eingangstür des Hauses offen stand, erstaunte ihn.

      Umso besser, dachte er. Wenn Regen und Wind hinein peitschten, würde der Fußboden der großen Halle umso schneller verfaulen.

      Er sprang von seinem Pferd, das ihn bereits über die Schlachtfelder Europas getragen hatte und mit ihm zurück nach England gekommen war, legte ihm die Zügel über den Hals und ließ es freilaufen. Ein Pfiff würde genügen, und es war wieder an Ort und Stelle.

      Fast widerwillig betrat er das Haus.

      Er traute seinen Augen nicht. Ganz entgegen seiner Erwartung war keine Spur von Schmutz und Zerfall zu entdecken.

      Keine Spinnweben, keine von den Wänden gefallenen Bilder, kein Staub auf den Teppichen. Alles war tadellos sauber.

      Lord Cheriton sah erstaunt um sich.

      Die Eichenmöbel schienen sogar gewachst zu sein. Auf dem Tisch am Fuß der Treppe, wo die wenigen Besucher, die früher in dieses Haus gekommen waren, ihre Visitenkarten in eine Silberschale gelegt hatten, stand sogar ein Rosenstrauß.

      Nachdenklich ging Lord Cheriton auf das Zimmer zu, das früher der Salon seiner Mutter gewesen war.

      Es war der einzige Raum im ganzen Haus, an den er sich gern erinnerte. Die Bibliothek, in der sein Vater ihn auszupeitschen pflegte, war für ihn wie eine finstere Folterkammer. Das Eßzimmer, in dem sein Vater bei jeder Mahlzeit getobt hatte, hatte ihn stets mit Angst und Schrecken erfüllt.

      Lord Cheriton öffnete die Tür zum Salon und starrte fassungslos hinein.

      In den Raum schien die Sonne und nichts schien sich seit Lord Cheritons Kindertagen geändert zu haben. Lediglich die Farbe der Vorhänge war etwas verschossen und der Stoff an mehreren Stellen mit geschickter Hand ausgebessert.

      Auch der Bezug der Sitzmöbel war ausgebleicht, doch das Holz glänzte, und überall standen Blumen: Rosen, Rittersporn, Buschnelken und sogar Lilien, wie sie seine Mutter im Gewächshaus für den Altar der kleinen grauen Kapelle gezogen hatte.

      „Das ist unglaublich“, murmelte Lord Cheriton vor sich hin. „Einfach nicht zu fassen.“

      Damit hatte er weiß Gott nicht gerechnet.

      Lord Cheriton stand noch wie angewurzelt auf der Schwelle, als durch die offene Tür, die in den Park hinausführte, eine Gestalt in den Salon kam. In dem gleißenden Sonnenlicht sah es so aus, als sei ihr Kopf von einem Heiligenschein umgeben.

      Lord Cheriton rührte sich nicht von der Stelle.

      Es war ein junges Mädchen, das von draußen hereingekommen war. Es hatte den Arm voll weißer Rosen. Sie hielt das Gesicht gesenkt.

      Doch plötzlich, als spüre sie die Anwesenheit eines anderen, sah sie hoch. Sie hatte wunderschöne große Augen. Plötzlich schlug sie vor Schreck die Hand vor den Mund.

      „Verzeihen Sie“, sagte Lord Cheriton, „aber die Haustür stand auf, und ich dachte, daß niemand hier wohnt.“

      „Wer... wer hat denn behauptet, daß niemand hier wohnt?“ stammelte das junge Mädchen.

      Ihre Stimme zitterte vor Angst.

      „Niemand“, antwortete Lord Cheriton. „Ich dachte bloß, daß das Haus leer steht.“

      „Wieso?“

      „Das ist doch Larks Hall, oder?“

      „Ja.“

      „Wenn ich mich nicht irre, gehört das Haus doch Lord Cheriton, oder?“

      „Ja, das stimmt, aber er kommt nie hierher. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber wir haben gehört, daß er das Haus zerfallen lassen will.“

      Nachdenkliches Schweigen.

      „Ich kenne den Besitzer zufällig“, sagte Lord Cheriton schließlich.

      „Sie kennen ihn?“

      Die Worte waren fast ein Schrei. Das junge Mädchen legte die Rosen auf ein Tischchen, als seien sie ihr plötzlich zu schwer geworden.

      „Ja, ich kenne ihn“, antwortete Lord Cheriton.

      „Er hat doch nicht etwa vor, zurückzukommen?“

      Die Angst sprach aus den großen blauen Augen.

      „Kaum“, antwortete Lord Cheriton. „Aber warum hätten Sie etwas dagegen?“

      Das junge Mädchen sah weg. Sie spielte nervös mit den Händen.

      „Werden Sie ihm erzählen, daß Sie hier gewesen sind?“ fragte sie schließlich.

      „Gibt es einen Grund, warum ich es nicht tun sollte?“

      „Allerdings“, sagte sie bestimmt.

      „Das verstehe ich nicht.“

      Das junge Mädchen machte eine hilflose Handbewegung. Sie sah Lord Cheriton mit ernstem Gesicht an und schien zu überlegen, ob sie ihm trauen konnte.

      „Beruhigt es Sie“, fragte Lord Cheriton ruhig, „wenn ich Ihnen verspreche, daß ich dem Besitzer nichts erzähle, was Sie nicht wünschen? Gleichzeitig allerdings würde ich schon gerne wissen, warum Sie nicht wollen, daß er von Ihrem Hiersein etwas erfährt.“

      Das junge Mädchen seufzte.

      „Ich wußte, daß Sie das fragen würden“, sagte sie.

      „Aus Neugier frage ich, das gebe ich zu.“

      Wieder sah das Mädchen den Fremden an. Die vielen Fragen, die sie sich über ihn stellte, waren ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

      Lord Cheriton lächelte.

      „Na?“ fragte er. „Wie schätzen Sie mich ein?“

      „Darum geht es ja gar nicht“, antwortete das junge Mädchen, „, sondern einzig und allein darum, daß das Glück vieler Menschen davon abhängt, was Sie erzählen.“

      „Das Glück vieler Menschen?“ fragte Lord Cheriton ungläubig.

      „Ja, nämlich das derer, die hier wohnen.“

      „Würden Sie mir das bitte näher erklären?“

      „Ich muß es wohl versuchen“, antwortete das junge Mädchen. „Aber ich habe schreckliche Angst, daß Lord Cheriton uns verjagt, wenn er es erfährt.“

      „Sie können sich auf mich verlassen“, sagte Lord Cheriton. „Ich werde ihm nichts erzählen, was für Sie von Nachteil wäre.“

      „Das ist sehr nett von Ihnen, vor allem, weil Sie mir Ihr Ehrenwort geben, noch bevor Sie wissen, was ich Ihnen mitzuteilen habe.“

      „Ich habe das Gefühl, daß dies nicht so tragisch sein kann“, sagte Lord Cheriton lächelnd. „Wenn Sie Vertrauen zu mir haben, habe auch ich Vertrauen zu Ihnen.“

      Lord Cheriton, eigentlich nur daran gewöhnt, hart mit Männern zu verhandeln, merkte, daß er das Richtige gesagt hatte.

      „Verzeihen Sie“, sagte das junge Mädchen, als bemerke sie erst jetzt, daß Lord Cheriton immer noch auf der Schwelle des Salons stand, „kommen Sie doch herein und nehmen Sie Platz. Ich war so überrascht, daß ich alle Manieren vergessen habe. Aber ich hätte nie gedacht, daß ein Fremder hierherkommt.“

      „Passiert das denn nie?“

      „Nein, nie. Sie haben alle viel zu sehr ...“

      Das junge Mädchen brach mitten im Satz ab. Offensichtlich hatte sie etwas sagen wollen, was nicht für die Ohren anderer bestimmt war.

      Lord Cheriton ging zum Kamin und setzte sich in einen Sessel, der dort stand.

      Jetzt sah er das junge Mädchen aus einem anderen Blickwinkel und war nicht mehr


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