Die Uhren: Ein Abriß der Geschichte der Zeitmessung. Fintan Kindler
Читать онлайн книгу.sie abzulesen; nur die Mittagslinie wurde besonders hervorgehoben. Außer dieser Art Uhren kannten die Alten noch viele andere. Bald konstruierte man auch tragbare Sonnenuhren, die man aufhing, vielleicht am Halse, wie später die mechanischen Taschenuhren. Darauf scheint auch eine Stelle bei Athenäus hinzudeuten, wo von einem Geizhals, der einen Oelkrug trägt, gesagt wird: „Er sah so oft nach seinem Oel, daß man glauben konnte, er trage eine Uhr.” Es bezeichnet diese Verallgemeinerung der Uhren einen großen Fortschritt; denn die Sonnenuhren waren nicht bloß kostbare Instrumente, sondern mußten natürlich für gewöhnlich auf freien Plätzen aufgestellt sein; es war somit bei der eigentümlichen Bauart der Alten oft sehr umständlich, zu wissen, wieviel Uhr es sei. Reiche Leute hielten sich einen eigenen Sklaven, welcher ihnen die Zeit anzuzeigen hatte; oft bezahlten auch mehrere miteinander einen Stundenherold zum gleichen Zweck. Ganz reiche Männer erlaubten sich den Luxus einer kostbaren Uhr in ihrer Wohnung, wie z. B. Petronius von Trimalchio, einem zu großem Reichtum gelangten ehemaligen Sklaven berichtet, er habe seinen staunenden Gästen eine solche Uhr vorweisen können.[9]
Als Erbteil der Alten erhielten sich die Sonnenuhren bis weit in die neuere Zeit herein. Im Mittelalter und später wurde die Theorie derselben vielfach ausgebildet und vervollkommnet. Die bedeutendsten Mathematiker und Astronomen beschäftigten sich mit Gnomonik, der Lehre von den Sonnenuhren. Hier mögen bloß die Namen Purbach, Regiomontan, Stabius und besonders Sebastian Münster (1489–1552) genannt sein, von denen der letztere allein drei Werke hierüber verfaßte, weshalb er oft der Vater der Gnomonik heißt.
Einen Fehler aber haben die Sonnenuhren bei aller Vollkommenheit, der sich auch gar nicht beseitigen läßt: sie zeigen bei trübem Wetter und bei Nacht nicht. Es lag nun wohl der Gedanke nahe, beim Anblick z. B. von langsam ausrinnendem Wasser, diese scheinbare Gleichmäßigkeit als Zeitmesser zu benützen, d. h. eine Wasseruhr zu konstruieren. Der klassische Name dieses Instrumentes „Klepshydra” ist vielleicht gerade von dem langsamen, gleichsam „verstohlenen” Ausfließen des Wassers hergenommen.
Wer die Wasseruhren erfunden, läßt sich nicht sagen. Sicher ist, daß die Chaldäer solche verwendeten; Macrobius berichtet nämlich von ihnen, daß sie ein bestimmtes Quantum Wasser in zwölf Teilen teilten, so daß jeder Teil während der Zeit ablaufen sollte, während welcher ein Zeichen des Tierkreises durch den Meridian ging. Aus vielen Gründen konnte aber diese Art der Zeitmessung bei den Alten nicht genau sein, denn abgesehen von der stets ändernden Druckhöhe und folglich veränderlichen Ausflußmenge, war die eigentümliche Stundeneinteilung ein großes Hindernis der Genauigkeit. Die Alten teilten bekanntlich den Tag und die Nacht das ganze Jahr hindurch in zwölf gleiche Teile, so daß die Dauer der Stunden beständig wechselte. Genannter Uebelstand wurde jedoch bald überwunden und die Wasseruhren kamen rasch zu ziemlicher Vollkommenheit. Bilfinger (l. c. S. 8) ist der Ansicht, daß die bekannte Klepshydra der attischen Gerichtssäle nicht ein eigentlicher Zeitmesser im heutigen Sinn gewesen, sondern nur zur rohen Abmessung der zum Sprechen eingeräumten Zeit überhaupt gedient habe. Sie bestand aus einem größeren, auf einem Dreifuß stehenden Gefäß, welches durch eine enge Oeffnung das eingefüllte Wasser in einen darunter stehenden Behälter abgab. Aus verschiedenen Notizen geht hervor, daß Versuche angestellt wurden, wie viele solcher Wassermaße in einem Lichttag Raum fanden, und daß man, weil der kürzeste Tag als Norm angewendet wurde, nie in die Nacht hinein kam. Deshalb werden die Wasseruhren in einem Tacitus zugeschriebenen Werke mit Recht Zügel der Beredsamkeit genannt. Die eigentümlichen Ausdrücke, die sich auf Wasseruhren beziehen, sind dem Leser der alten Klassiker geläufig. So z. B. bei Aeschines: „erstes, zweites etc. Wasser” ebenso „clepshydras clepshydris addere,” wenn der Richter in außerordentlichen Fällen doppelte Zeit bewilligte, oder „aquam sustinere,” das Wasser aufhalten, beim Verlesen von Urkunden, Zeugenverhör u. s. w., bis der Redner wieder weiterfahren konnte. „Hic hæret aqua,” „aqua mihi hæret,” sagte man, wenn etwa durch ein Fäserchen, was leicht vorkam, die Ausflußöffnung verstopft war. Aquam perdere, hieß „in den Tag hinein reden.”
Auch die Aegypter benützten schon Wasseruhren, wie z. B. die Sage vom Kynoskephalos (Hundskopf), von der Horapollo berichtet, beweist. Nach ihr hätte dieses Tier täglich zwölfmal sein Wasser lassen müssen und dabei geschrieen; daher stamme die Zwölfteilung. Deshalb wurde auch häufig auf die Wasseruhren dieser Kynoskephalos gesetzt. Sie gebrauchten die Wasseruhr auch zu astronomischen Zwecken; Ptolemäus tadelt zwar in seinem Almagest die Ungenauigkeit dieser Instrumente, indes sind doch die von den Aegyptern erzielten Resultate erstaunlich genau. Sie berechneten aus der Zeit, während welcher die Sonne ganz über den Horizont heraufsteigt, bezw. durch Vergleichung des Wasserquantums, das hiebei ausfloß, mit dem den ganzen Tag über ausfließenden, den Durchmesser der Sonne zu 28 und zirka 31 Minuten für Sonnennähe und Sonnenferne; neuere Messungen ergaben hiefür 31 bezw. 32 Minuten![10]
Die Babylonier benützten schon 600 v. Chr. Wasseruhren, welche bei Sonnenaufgang gefüllt wurden; sobald sie leer waren, wurde dies durch Herolde in der Stadt bekannt gemacht, was täglich mehrere Male geschah. So konnte also jeder seine Uhr leicht selbst richten.
Plato (427–347 v. Chr.)[11] soll ebenfalls eine Wasseruhr verwendet haben und zwar als Wecker, so daß fälschlich dieser Gelehrte hie und da als deren Erfinder genannt wird. Vitruv gibt im 9. Buch seiner Architektur weitläufigere Nachrichten über die Wasseruhren und deren Konstruktion. Nach ihm wäre der Sohn eines Barbiers, Ktesibius aus Alexandrien (geb. ca. 150, oder nach anderer Angabe 247 v. Chr.), ein mechanisches Genie des Altertums, der Erfinder dieser Uhren. Wie bekannt, wird diesem gleichen Mann auch die Erfindung der Feuerspritze, d. h. der Druckpumpe und der Wasserorgel zugeschrieben.[12]
Die von Vitruv gegebene Beschreibung ist so kompliziert, daß die Uhr des Ktesibius jedenfalls nicht als erste derartige Vorrichtung angesehen werden kann. Sie zeigte nicht bloß die Tagesstunden, sondern auch den Monatstag, den Monat und sogar den Stand der Sonne im Tierkreis. Auch war sie mit einem Räderwerk versehen, und wenn nicht schon Aristoteles (384–322) Räderwerke erwähnte, könnte man Ktesibius für deren Erfinder halten.
Um dem Leser jedoch wenigstens einen Begriff von den Wasseruhren der Alten zu geben, lassen wir hier die Beschreibung Vitruvs folgen.[13] „Zuerst stellte Ktesibius eine Mündung her (im oberen Wassergefäß), indem er sie entweder in einem Stück Gold ausarbeitete, oder mit einem durchbohrten Edelstein versah, denn diese beiden Körper werden weder von dem Hindurchfließen des Wassers angegriffen, noch bildet sich an ihnen Unreinigkeit, welche das Mündungsloch verstopfen könnte. Indem nun das Wasser ganz gleichmäßig durch diese Mündung hindurchfließt, hebt es ein umgestürztes Becken, das von den Technikern „der Kork” oder „die Scheibe” genannt wird, auf welchem ein Stab angebracht ist, der mit gleichen Zähnchen besetzt ist, wie die damit in Verbindung stehende Drehscheibe (Rad), welche Zähne, ineinandergreifend, eine langsame, regelmäßige Drehung und Bewegung verursachen.[14] Andere damit in Verbindung stehende und in derselben Weise gezähnte Drehscheiben, die alle durch ein und dieselbe bewegende Kraft getrieben werden, bewirken durch ihre Drehung die verschiedenen Bewegungen, nach welchen Figuren sich bewegen, Kegelsäulen sich drehen, Kügelchen oder Eier fallen (Schlagwerk!), Blasinstrumente ertönen und andere Nebendinge mehr. Bei diesen Uhrwerken sind die Stunden entweder auf einer Säule oder einem Pfeiler verzeichnet und eine von unten heraufsteigende menschliche Figur zeigt den ganzen Tag über mit einem Stäbchen auf diese hin.”
Weil aber, wie schon bemerkt, die Tages- und Nachtstunden bei den Alten nicht das ganze Jahr hindurch gleich blieben (Aequinoktialstunden), sondern beständig wechselten, so mußte natürlich auch die Regulierung des Wassers veränderlich sein, ebenso das Zifferblatt. Ersteres wurde nach Vitruv erzielt durch einen massiven Kegel, der in den mit Wasser gefüllten Hohlkegel genau paßte und durch einen Regulierstab höher oder tiefer gestellt werden konnte, wodurch die Oeffnung des Hohlkegels mehr oder weniger frei wurde. Das Zifferblatt war entweder auswechselbar oder es wurde theoretisch für das ganze Jahr konstruiert, indem man die Stunden des längsten und kürzesten Tages auf der Säule in zwei vertikalen Linien anbrachte und durch zur Basis der Säule etwas schräglaufende horizontale Linien mit einander verband. Der Zwischenraum wurde wieder durch die Monatslinien in vertikaler Richtung geteilt. So entstand eine Art Netz, wie bei den Sonnenuhren; durch Einstellen der Stundensäule auf die richtige Zeit ließ sich dann auch eine beliebige Tagesstunde ordentlich genau ablesen.[15]
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