Die Uhren: Ein Abriß der Geschichte der Zeitmessung. Fintan Kindler
Читать онлайн книгу.schwierig zu erklären. So z. B. das „horologium anaphoricum,” die Aufzuguhr, mit Gewichten, welche sich aber doch wesentlich von unsern heutigen Räder- und Gewichtuhren unterscheidet.
Von alten indischen Wasseruhren berichtet Schlagintweit (Münchener Sitzungsberichte 1871. 2. S. 128–38). Sie bestehen aus metallenen hohlen Halbkugeln, die unten mit einer feinen Oeffnung versehen sind. Auf Wasser geworfen, füllen sie sich langsam und werden, wenn sie untersinken wollen, geleert und neu aufgesetzt. Ein aus Benares mitgebrachtes Exemplar brauchte bei einem Radius von 7 cm und 6 cm Höhe etwas über eine Stunde, bis es untersank. Die Zeit vom Auflegen bis zum Untersinken der Kugel nannte man Najika; dieselbe hatte wieder ihre Unterabteilungen.
Ob die Alten ihre Wasseruhren regelmäßig, auch nachts benützten, erscheint zweifelhaft, denn einmal finden wir z. B. bei Vitruv nie die Bezeichnung Nachtuhr, sondern nur: „horologium hibernum,” d. h. eine Uhr, welche die Stunden auch bei trübem Wetter angibt; ferner zeigten diese Uhren bloß zwölf Stunden, und endlich war es im Altertum wohl nicht leicht, sich zu jeder Stunde der Nacht Licht zu verschaffen. Bei Sternenhimmel, und das ist in der Heimat der alten Völker doch die Regel, konnte man viel bequemer das schon von Hipparch (ca. 160–125 v. Chr.) erfundene Astrolabium verwenden, welches aus der Höhe eines Gestirns in jedem Augenblick die Zeit anzugeben gestattet.[16] Eine Menge Wasseruhren der verschiedensten Konstruktionen, zum Teil mit Abbildungen, finden sich in C. Schott S. J., Hidraulica pneumatica. Würzbg. 1658.
Fig. 2.
An der Vervollkommnung der Wasseruhren wurde bis ins Mittelalter hinein, ja selbst bis in die neueste Zeit emsig gearbeitet. Es seien hier nur genannt Hero, der Schüler des Ktesibios, der auch eine Art Dampfmaschine erstellte; der Philosoph Boëthius; Galilei; der Abbé Varignon (1654–1722); der schweizerische Gelehrte Johann Bernoulli und dessen Sohn Daniel, der 1725 den Preis der Pariser Akademie im Betrag von 2000 Franken gewann; die Aufgabe hatte gelautet: La perfection des Clepsydres ou des sabliers sur mer.[17] Auch der berühmte P. Athanasius Kircher (1601–1680) beschäftigte sich mit der Konstruktion von allerlei Wasseruhren; er verfertigte für Kaiser Ferdinand III. eine solche mit dem kaiserlichen Doppeladler (Fig. 2). Die Abbildung ist wohl ohne weitere Erklärung verständlich; der Schwimmer zeigt die Stunden; durch eine über die Rolle a (II) gehende Schnur wird ein weiterer Stundenzeiger bewegt. (Vergl. Kircher: Musæum Collegii Romani. Amstelodami 1680. p. 40).
Fig. 3.
Außer den bisher behandelten Zeitmessern benützten die Alten auch noch die Sanduhren, deren sich schon Archimedes bedient haben soll. Eine Sanduhr besteht bekanntlich aus zwei in ein Gestell eingesetzten, gleichen konischen Gefäßen, welche mit ihren offenen Spitzen gegen einander gekehrt sind (Fig. 3). Ist z. B. das obere mit feinem Sande gefüllt, so fließt dieser in einer bestimmten Zeit in das untere ab. Durch Umdrehung der Vorrichtung kann das Spiel von neuem beginnen. Die älteste bekannte Abbildung einer solchen Uhr liefert ein antikes Basrelief, die Hochzeit des Peleus und der Thetis vorstellend; unter anderen Figuren sieht man auch Morpheus mit einer Sanduhr in der Linken.[18] Die Größe dieser Uhren wechselt von einem Fuß bis zu wenigen Zoll Höhe, ebenso die Zeit, welche sie zu messen gestatteten; gewöhnlich gingen sie ½ bis eine Stunde. Sie wurden zu jeder Zeit verwendet, im Mittelalter bei Turnieren, bei Schützenfesten etc., selbst als die Räderuhren schon lange erfunden waren. Vielfach nahm man sie, ähnlich wie Messer und Pfriemen, auf Reisen mit. Eine solche Reisesanduhr, die von Erasmus herstammt, wird noch in Basel aufbewahrt; sie wurde in einem blechernen Futteral mitgeführt. In dem notariellen Verzeichnis der Ammerbachschen Sammlung von 1662 findet sich auch diese Uhr, mit dem sonderbaren Titel: „Erasmi bleyern Sanduhrlein von Ebenholz in einem Futter.”[19] Zur Zeit Pascals (1623–1672) wurden Sanduhren auch in der Sorbonne gebraucht, um den Rednern die Zeit zuzumessen (Lettres provinciales, II). Dieser Gebrauch erhielt sich vielerorts noch bis tief in unser Jahrhundert hinein auf Kanzeln, in Gerichtssälen, bei Auktionen u. s. w. Heute findet sich der Gebrauch der Sanduhren noch etwa in der Küche beim Eiersieden, oder im Atelier des Photographen. Auch beim sogenannten „Logen,” um die Geschwindigkeit eines Schiffes zu bestimmen, bedient man sich einer Sanduhr, die gewöhnlich 14 Sekunden läuft. Fig. 3 zeigt eine reich verzierte Sanduhr, französische Arbeit, aus dem 16. Jahrhundert.
Die Genauigkeit der Sanduhr läßt aber noch viel zu wünschen übrig,[20] denn wie man sich leicht überzeugen kann, treten sehr oft Stauungen des Sandes auf, welche natürlich die Richtigkeit der Zeitmessung nachteilig beeinflussen.
Noch im ausgehenden 16. Jahrhundert fanden die Uhrmacher es nicht für unnötig, auf den feinen Uhrsand hinzuweisen, wie der Spruch zeigt, den ein zeitgenössischer Versmacher unter den bekannten Holzschnitt von Jost Amman setzte:
Ich mache die reysenden Vhr/[21] Gerecht vnd Glatt nach der Mensur/ Von hellem glaß vnd kleim Vhrsant/ Gut/daß sie haben langen bestandt/ Mach auch darzu Hültzen Geheuß/ Dareyn ich sie fleissig beschleuß/ Ferb die gheuß Grün/Graw/rot vnn blaw Drinn man die Stund vnd vierteil hab.
Viertelstunden konnte man auch an Sanduhren ablesen, wie noch erhaltene Exemplare zeigen; es waren in diesem Falle vier Stück aneinander gereihter Sanduhren. Die erste lief eine Viertelstunde, die zweite eine halbe, die dritte drei viertel, und die vierte eine ganze Stunde. Das Germanische Museum in Nürnberg besitzt eine solche Zusammenstellung.
II.
Uhren und Zeitmessung bis zum 12. Jahrhundert.
Was Geist und Fleiß des klassischen Altertums geschaffen, ging in den Stürmen der Völkerwanderung zum großen Teil unter; die wenigen Keime, die noch geblieben, fanden eine neue Pflanzstätte in den Klöstern. Dorthin zog sich auf viele Jahrhunderte hinaus Kunst und Wissenschaft zurück, und von da aus verbreiteten sie sich wieder nach und nach in die Welt, um neue Triumphe zu feiern.
Im vorigen Kapitel wurde darauf hingewiesen, wie die drei Zeitmesser der Alten vervollkommnet wurden bis in die neuere Zeit hinein, und zwar sind es während des ersten Jahrtausends fast ausschließlich Geistliche und Mönche, die sich damit beschäftigten. Wohl lebte man damals noch langsamer als jetzt und kannte die Hast des heutigen Erwerbslebens nicht, die Uhr aber diente gleichwohl als ein Regulator des menschlichen Lebens, „zum großen Nutzen des Menschengeistes erfunden,” wie Cassiodor († um 570) sagt.[22]
Der hl. Benedikt dringt in seiner Regel oft darauf, daß alles zur bestimmten Zeit, „horis competentibus” geschehe (Vergl. S. Reg. c. 47). Zu den vorzüglichsten Pflichten der Mönche gehörte aber von jeher das gemeinschaftliche Psalmengebet, welches zu bestimmten Stunden des Tages und der Nacht verrichtet werden mußte. Natürlich benutzte man wo möglich zur Zeitbestimmung Sonnen- und Wasseruhren, wie auch der oben erwähnte Cassiodor (a. a. O.) seinen Mönchen sagt: „Wie Ihr wißt, habe ich Euch eine Sonnenuhr hergestellt; ebenso eine Wasseruhr, welche Tag und Nacht die Zeit bestimmt, denn oft ereignet es sich, daß an einzelnen Tagen der Sonnenschein fehlt; dann vollbringt auf wunderbare Weise das Wasser auf Erden, was sonst die feurige Kraft der Sonne am Himmel wechselnd vollendet.”
Cassian († ca. 435) bezeugt, daß die alten Mönche die Sterne beobachteten, um aus ihrer Stellung die Zeit zu entnehmen. Es wird nämlich derjenige ermahnt, dem die Sorge seine Mitbrüder zu wecken oblag, dies nicht nach Gutdünken zu tun, nämlich wann er aufwache, je nachdem er gut oder schlecht geschlafen, sondern fleißig nach den Sternen zu sehen; wenn auch die Gewohnheit, zur bestimmten Zeit aufzustehen, ihn gewöhnlich wecke. In Frauenklöstern besorgte eine Nonne dieses Geschäft. Mabillon berichtet in den Acta SS. O. S. B. von einer solchen, „daß sie aufstand und hinausging, um aus