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Читать онлайн книгу.nicht möglich werden, Sir. Sie hängt sehr an Mr. Alfred.«
»Mr. Craggs, sie hängt sehr an ihm«, beteuerte Snitchey.
»Ich habe nicht vergebens sechs Wochen lang in des Doktors Haus gelebt; und ich hatte bald daran meine Zweifel«, meinte Mr. Warden. »Sie würde ihn lieben, wenn es nach dem Wunsch ihrer Schwester geschähe, aber ich habe sie beobachtet. Marion mied es, ihn zu nennen und zu erwähnen; sie litt bei der leisesten Anspielung auf ihn offensichtlich.«
»Wieso sollte sie dies, Mr. Craggs? Warum sollte sie dies, Sir?« forschte Snitchey.
»Wieso, weiß ich nicht, wiewohl es viele Gründe der Erklärung dafür gibt«, sagte der Klient lächelnd ob der Betretenheit und Verwirrung, die in Snitcheys Gesicht zu lesen war, und ob der vorsichtigen Manier, auf die er selbst die Unterhaltung lenkte, um von der Angelegenheit mehr zu erfahren, »aber ich weiß, daß es sich so verhält. Sie war sehr jung, als sie sich verlobten – wenn man das überhaupt so bezeichnen darf – und hat es vielleicht bereut. Vielleicht – es klingt anmaßend, aber ich meine es wirklich nicht so – hat sie sich in mich verliebt, wie ich mich in sie verliebt habe.«
»He, he! Mr. Alfred, ihr alter Spielkamerad«, sagte Snitchey verlegen lächelnd, »kannte sie ja schon von früher Kindheit an!«
»Um so wahrscheinlicher ist es, daß sie es satt hat, an ihn zu denken«, fuhr der Klient selbstsicher fort, »und daß sie nicht abgeneigt ist, ihn gegen einen neuen Liebhaber einzutauschen, der ihr unter romantischen Voraussetzungen entgegentritt – oder hoch zu Roß sich produziert; der in dem für ein Mädchen vom Lande recht lockenden Ruf steht, leichten Sinnes und flott gelebt zu haben nach dem Motto: Leben und leben lassen! und der es seinem Äußern nach – das mag sich wieder anmaßend anhören, indessen bei meiner Ehre, ich meine es nicht so – wohl auch noch mit Mr. Alfred aufnehmen könnte.«
Dies letztere ließ sich gewiß nicht bestreiten, und Mr. Snitchey, als er seinen Klienten anblickte, dachte das gleiche. Gerade sein nonchalantes Wesen lieh ihm eine gewisse natürliche Anmut und machte ihn interessant. Es schien zu sagen, daß sein nettes Gesicht und seine wohlgebaute Gestalt viel besser sein könnten, wenn er nur wollte; und daß er, wenn er sich einmal zusammenraffte und Ernst macht, voll feuriger Tatkraft fein könnte. Das ist ein gefährlicher Spitzbube, sagte sich der menschenkundige Anwalt, er scheint das beseelende Feuer, das ihm mangelt, aus eines Mädchens Augen zu gewinnen.
»Darum hören Sie, Snitchey«, fuhr er fort, indem er aufstand und ihn bei einem Rockknopf ergriff, »und Sie, Craggs«, er packte ihn gleichfalls an einem Knopf, und stellte den einen rechts, den andern links neben sich, so daß sie ihm nicht entgehen konnten, »ich frage Sie nicht um Rat, Sie verfahren sehr richtig, wenn Sie sich von dieser Sache unbedingt ganz fernhalten; denn es gehört sich hierbei nicht, daß sich gereifte Männer, wie Sie es sind, einmischen. Ich will nur kurz meine Situation und meine Absichten dartun und es dann Ihnen überlassen, für mich in betreff meiner Finanzen so geschickt wie möglich zu operieren; denn Sie sehen ein, wenn ich jetzt mit des Doktors schöner Tochter entfliehe (und ich denke das zu erreichen und durch ihre Liebe ein anderer Mensch zu werden), so wird das für den Augenblick mehr Kosten verursachen, als wenn ich allein entfliehe. Aber ich werde dies durch ein anderes Leben bald wieder einholen.«
»Meiner Meinung nach ist es besser, wir hören das nicht an, Mr. Craggs?« sagte Snitchey und blickte auf seinen Sozius.
»Ich meine das auch«, sagte Craggs. Indessen hörten beide aufmerksam zu.
»Sie brauchen es nicht anzuhören«, entgegnete ihr Klient. »Ich will es aber doch mitteilen. Ich habe nicht die Absicht, den Doktor um seine Erlaubnis zu fragen, denn er würde sie mir doch nicht erteilen. Aber ich will dem Doktor nichts Böses zufügen. Ich will ja nur sein Kind (zudem sagt er überdies, daß solche Bagatellen keine ernsten Sachen sind), meine Marion, von etwas befreien, was sie – wie ich weiß – mit Furcht und Schmerz nahen sieht; ich meine die Rückkehr ihres Freundes. Wenn etwas in der Welt wahr ist, so ist es eben die Tatsache, daß sie sich vor seiner Rückkehr fürchtet. Allerdings lebe ich jetzt wie ein gejagter Hund, wage mich bloß im Dunkeln heraus, und darf mein Haus und meinen eigenen Besitz nicht betreten; aber dieses Haus und dieser Besitz wird eines Tages wieder mein sein, wie Sie wissen und selbst zugeben; und Marion wird als Gattin in zehn Jahren – Sie sagen es selbst und Sie sind nicht optimistisch-verschwommen – wahrscheinlich reicher sein, als wenn sie sich mit Alfred Heathfield vermählt, dessen Rückkehr sie voll Furcht erwartet (vergessen Sie das nicht), und dessen Liebe nicht – und keine auf der Welt – glühender sein kann als die meine. Wem geschieht dabei ein Unrecht? Alles erfolgt recht und billig. Meine Sache ist so gerecht wie seine, wenn sie sich eben für mich entscheidet; und auf ihre Entscheidung will ich es ankommen lassen. Es wird Ihnen angenehm sein, nicht mehr von dieser Sache zu hören, und ich werde Sie auch nicht weiter damit belästigen. Sie wissen jetzt meine Absichten und was ich nötig habe. Wann muß ich England verlassen?«
»In einer Woche«, sagte Snitchey. »Mr. Craggs –?«
»Noch etwas früher, würde ich empfehlen«, gab Craggs zur Antwort.
»In einem Monat«, sagte der Klient, nachdem er die beiden Gesichter prüfend beobachtet hatte. »Heute in einem Monat. Heute ist Donnerstag. Glücklich oder unglücklich, heute in einem Monat reise ich ab.«
»Das ist zu lange«, sagte Snitchey; »viel zu lange. Aber schließlich meinetwegen. Ich dachte schon, er würde sich drei ausbedingen«, bemerkte er brummend zu sich selber. »Wollen Sie gehen? Gute Nacht, Sir.«
»Gute Nacht!« versetzte der Klient und drückte beiden die Hand. »Sie werden es noch erleben, wie ich meinen Reichtum gut zu verwenden verstehe. Von jetzt an ist Marion mein Stern des Glückes.«
»Passen Sie auf der Treppe auf, Sir«, sagte Snitchey; »denn dort leuchtet er nicht. Gute Nacht!«
»Gute Nacht!« entgegnete Mr. Warden.
Die beiden Kompagnons blieben bei der Treppe stehen und leuchteten ihm hinunter; als er gegangen war, standen sie immer noch und blickten sich an.
»Was sagen Sie dazu, Mr. Craggs?« fragte Snitchey.
Mr. Craggs schüttelte den Kopf.
»Wir glaubten doch, daß an dem Tag, wo die Mündigkeitserklärung stattfand, an der Manier, wie das Paar voneinander Abschied nahm, etwas Bemerkenswertes gewesen, daran erinnere ich mich«, sagte Snitchey.
»Ja, ja«, sagte Mr. Craggs.
»Vielleicht irrt er sich«, fuhr Mr. Snitchey fort, schloß den feuerfesten Kasten zu und stellte ihn an seinen gewohnten Ort, »wenn das aber nicht der Fall ist, so wäre etwas Wankelmut und Untreue auch kein Wunder, Mr. Craggs. Freilich hätte ich das schöne Gesichtchen für sehr treu gehalten. Mir erschien es so«, meinte Snitchey, indem er seinen Mantel und die Handschuhe anzog (es war recht kalt draußen) und ein Licht löschte, »als ob ihr Charakter gerade jetzt fester und ernster würde. Mehr noch als der ihrer Schwester.«
»Mrs. Craggs war der gleichen Auffassung«, meinte Craggs.
»Es sollte mich wirklich freuen«, sagte Snitchey, der im Grunde ein sehr gutes Herz hatte, »wenn ich annehmen könnte, daß Mr. Warden die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Aber so leichtsinnig und ruhelos er auch ist, so kennt er doch die Welt und die Menschen (und es wäre schlimm, wenn dies nicht der Fall wäre, denn diese seine Kenntnis ist ihm teuer genug zu stehen gekommen); und ich kann es mir nicht recht wahrscheinlich vorstellen. Das beste ist für uns, daß wir uns nicht hineinmischen; wir können nicht mehr tun, Mr. Craggs, als schweigen.«
»Nicht mehr«, war Craggs Antwort.
»Unser guter Freund, der Doktor, nimmt solche Dinge gleichgültig«, sagte Snitchey und schüttelte den Kopf. »Ich will nur hoffen, daß er seine Philosophie nicht nötig hat. Unser Freund Alfred redet von dem Kampf des Lebens.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Ich hoffe zum mindesten, daß er nicht schon im Anfang des Kampfes fallen wird. Haben Sie Ihren Hut, Mr. Craggs? Ich will das andere Licht auslöschen.«
Als Mr. Craggs bejahte, tat Mr. Snitchey wie er gesagt, und sie tasteten sich zum Besprechungszimmer hinaus, das jetzt