Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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mehr zu überschreiten wagst. Da wirst du inne, daß Glauben leichter ist als Leugnen. Da überfällt dich eine Bangigkeit wie um ein verlorenes Gut, um einen Muttertrost, der deinem Herzen nicht mehr klingt. Da ist Furcht in dir, die dich zittern macht vor dem Ungewissen.« Herr Friedrich hüllte den Pelzrock um seine Brust und blickte scheu zu dem Kreuzbild auf. »Da beginnst du den Faden wieder abzuwickeln, den du gesponnen. Hast du ein Hälmlein des Glaubens gefunden, an das du dich klammern kannst, so atmest du auf. Zu dem Hälmlein findet sich ein anderes. Bald hast du unter den Armen einen Bund, der dich über Wasser hält. Das macht dein zappelndes Leben froh, die Freuden schmecken dir wieder, und lächelnd bekennst du: Ich bin der Sünder, der ich bin, und es gibt einen Gott, der mir vergeben wird.«

      Rauschend prasselte der Regen, als wollte die stürzende Flut alle Mauern zerschlagen.

      »Du schweigst? Scheint dir mein Glaube nicht sonderlich rein und heilig? Weil die Furcht ihn erzeugte? Besser ein kleines Gut als keines.« Herr Friedrich seufzte. »Auch in mir ist noch ein leerer Winkel, der sich füllen möchte. Wie der Hungernde von gebratenen Gänsen träumt, der Dürstende von einem Meer, so hab ich in vielen Nächten immer den gleichen Traum. Mir träumt, ich bin ein Märtyrer, meine ganze Seele ist flammender Glaube, und mit Wonne fühl ich, wie mein Blut unter den Zangen fließt, jeder Tropfen ein heißes Bekenntnis. Wenn ich erwache, merk ich zu meinem Kummer, daß ich der alte Sünder bin. Aber ich schlage nach solcher Traumnacht gläubiger an meine Brust. Tu es mir nach, Immhof! Greif nach dem ersten Hälmlein! Das zweite findet sich.«

      »Nein, Herr Friedrich! Euer Glaubenstrost kann nicht der meine sein. Ich bin im Durst meiner Seele minder genügsam.«

      »Ich war es nicht immer, ich bin’s geworden.«

      »Daß solcher Wandel mich je befallen könnte? Nein! Ich kann nicht schwimmen auf trübem Wasser, unter dem Herzen das Rohrbündel, das mich trägt. Ich will versinken in Nacht oder das reine Licht der Höhe finden. Und ich bin kein Sünder. Was ich tun muß oder lassen, ist weder gut noch böse. Das ist, wie es ist. Und ich bin kein Leugner. Nur ein Mensch, dem sie alles nahmen. So mußte ich suchen mit dürstender Seele und konnte nicht finden. Ich sehnte mich nach Erkenntnis, nach einer Antwort auf meine schreienden Fragen, nach einem Inhalt für mein Leben, nach einer Freude, nach Menschen, die mir teuer wären! Es könnte sein, Herr Friedrich, daß es von allem Glauben der beste ist, an Menschen zu glauben, von allem Glück das reinste, zu leben und zu sterben für Menschen, die man liebt. Als Kind besaß ich solches Glück. Der Glaube an meine Mutter war auch Glaube an Gott. Wenn meine Mutter mich umschlang und flüsterte: ›Dort oben, Irmi, ist Gottes Haus, und Gott ist gut‹, da ging durch meine Kinderseele ein frommer Schauer, schön und süß. Das alles nahmen sie mir. Mit ihren Raubtierhänden. Stück um Stück zerfleischten sie mir das Herz und rissen aus meiner Seele, was mir heilig war. Im Sommer, als Ihr mich fandet im Kloster zu Baumburg, war ich schon halb zum Tier geworden in meinem Zorn und Haß. Ich atmete auf, als Eure Hand mir die Erlösung bot. Wißt Ihr, wohin dieser Weg mich führte? Aus einem Käfig der Füchse in einen Zwinger der Wölfe. Jeder neue Tag eine neue Qual. Hätte Eure Gunst mir nicht zuweilen einen freien Weg in Wald und Berge vergönnt, ich hätte ersticken müssen zwischen diesen Mauern und in der Luft, die diese Diener Gottes atmen. Was Eure Gunst gewährte, versagte mir Wernherus.«

      »Um mich zu reizen. Ich mußte ihm die kleine Bosheit gönnen. Die Geißel des Hausgesetzes zu schwingen, ist ›ein Recht seiner Würde‹!«

      »So ging ich gestern wider seinen Willen. Ich mußte. Wie mit Peitschen hat es mich fortgetrieben, um reine Luft zu atmen, um mich aufzurichten unter weitem Himmel, um wieder mich selbst zu finden in der Einsamkeit der Natur. Unter den Sternen dieser Nacht und in der Sonne dieses Morgens war ich allem Ersehnten, auch dem Unbegreiflichen dort oben, näher als im Weihrauch Eures Münsters und unter den Fäusten dieser Frommen Brüder, die mich mit unflätigem Schimpf empfingen.«

      »Laß diese guten Schafe! Sie blöken, wenn der Hammel meckert. Sie sind Menschen wie alle anderen, der eine ein wenig besser, der andere ein wenig schlechter. Der Unterschied zwischen dem besten und dem schlechtesten ist gering. Im Grund ihres Wesens sind alle über den gleichen Leisten genäht. Da nehm ich auch dich und mich nicht aus. Nur daß wir Herz und Leib ein wenig säuberlicher zu halten pflegen und daß unsere einsamen Seitenwege reinlicher sind als die Straße der üblichen Schöpse.«

      »Nein, Herr! Wie Euren Glauben kann ich auch Euer Urteil über die Menschen nicht teilen. Ist einer Mensch, so begehr ich von ihm, daß er diesen Namen nicht schändet, nicht Tier ist unter Tieren.«

      »Ach, geh, was weißt du von Menschen! Die drei, an denen du heute vorüberliefest, zählen nicht. Wieviel andere kennst du? Deine Mutter, die du liebtest? Die Gespielen deiner Knabenzeit? Ich denke, du warst der stärkere und hast sie geprügelt. Und deinen Bruder, der an dir handelte wie ein Feind am Feinde? Und die Patres in Baumburg, die du Füchse nanntest, weil sie deinem Bruder den Willen taten und dich in kurze Zügel nahmen? Und meine Chorherren und die Schreier vom Hof dort unten? Deine Wölfe! So gefährlich sind sie nicht. Wie könnten sie besser sein, als ihr Lebensweg sie formte. Eine Zeit der Stürme hat sie zwischen diesen Mauern zusammengeweht. Die einen kamen, um nach einem zerbrochenen Leben Trost zu suchen. Daß sie diesen Trost nicht fanden, das macht sie gallig und schadenfroh. Die anderen kamen, weil sie im väterlichen Stall nicht viel zu beißen hatten. Das Wohlleben in meinem reichen Stift hat sie fett und frech gemacht. Verbitterung und Frechheit sind unter den menschlichen Tugenden nicht die schlimmsten. Der einen Sorte wirft man an guten Tagen einen süßen Bissen zu, der ihnen die Leber milder stimmt. Die anderen schlägt man in übler Stunde tüchtig auf die Köpfe. Dann ist mit ihnen schon auszukommen. Wie sie zu nehmen und zu behandeln sind, das wirst auch du noch lernen.«

      »Solche Menschenkunst will ich niemals üben und nie verstehen.« »Doch, lieber Immhof! Ich habe die Geduld, das abzuwarten, und will mich die Mühe nicht verdrießen lassen, dich zu lehren.«

      »Das ist verlorene Mühe, Herr!«

      »Warten wir es ab! Wenn sich die Hoffnung erfüllen soll, die ich knüpfe an dich, so mußt du gelehrig werden in meiner Schule. In deinem Herzen denke von meinen Chorherren, was du magst! Nur bind es ihnen nicht immer an die Nase! Und verlange von ihnen nicht das Unmögliche, in ihren Gesichtern das Urbild Gottes zu finden. Suchst du den, so betrachte dir lieber das unscheinbarste Ding der Schöpfung! Zergliedere ein Blatt, betrachte den Flügel einer Mücke! Und willst du von allem Guten das Köstlichste erforschen, so sieh dir meinen Falken an!« Herr Friedrich hob den schönen Vogel aus dem schaukelnden Ring und nahm ihm die lederne Haube vom Kopf. »Wie seine Augen blitzen! Wie scharf sein Zahn ist! Wie stolz er sich trägt! Wie herrlich sein silberweißes Gefieder leuchtet! Ist dieser königliche Vogel nicht ein überzeugender Beweis für den Schönheitswillen und die Allmacht Gottes?«

      »Glaubt das auch der wilde Schwan, wenn er unter dem Griff Eures Falken verblutet und seine letzte Klage schreit?«

      Verdrießlich runzelte der Propst die Stirn, lachte wieder und setzte mit zärtlicher Achtsamkeit den Vogel in den Ring. »Sophisterei! Der wilde Schwan ist geschaffen, um gejagt zu werden. Jedes Ding hat seinen Zweck. Vom wilden Schwan verlangt auch niemand, daß er an Gott glauben soll. Gib deine Rätsel dem Wernherus auf! Wir beide wollen nicht streiten um ein Gut, das ich selbst nur halb besitze.«

      Herr Friedrich wurde erst. »Laßt uns lieber der nächsten Stunde denken!«

      »Sie ist mir wie jede andere.«

      »Immhof, sie könnte ernster werden, als uns beiden lieb ist.«

      »Was sie auch bringen mag, ich fürchte sie nicht.«

      »Ich aber fürchte für dich. Für meine Hoffnung.«

      »Von welcher Hoffnung redet Ihr, Herr?«

      Herr Friedrich beugte sich über den Tisch und dämpfte die Stimme. »Hast du dich nie gefragt, weshalb Wernherus gerade dir mit diesem unversöhnlichen Haß gegenübersteht?«

      »Mir ist sein Haß keine Frage wert.«

      »Ich will es dir sagen, Immhof.« Mit beiden Händen umschloß der Propst die Hand des jungen Chorherren. »Als ich dich in Baumburg fand und dir das Weh deines Lebens aus den


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