Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge
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Inhalt
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben
Das Leben meint es gut mit ihnen
Julchen, das Wunschkind der Fürstin
Laß mich an ein Wunder glauben
Irgendwie erinnerte Marlies Gründing Nathalie an eine Barbiepuppe. Genauso blond, genauso schlank, genauso hohl. Wer immer diese entsetzlichen Blondinenwitze aufgebracht hatte, die jetzt allenthalben kursierten, er mußte zuvor eine Unterhaltung mit Marlies geführt haben.
Nathalie Reinke zog unbewußt die Oberlippe über die Zähne, während sie zusah, wie Werner – ihr Noch-Ehemann – dem blonden Püppchen über die zartmanikürte Hand strich. Eine vertrauliche Geste, die das Püppchen beruhigen sollte, aber Püppi wollte sich nicht beruhigen. Püppi wollte ihren Willen durchsetzen, jawohl, und das um jeden Preis.
»Du hast ein Recht auf das Haus!« beharrte es eigensinnig, während die Anwälte verzweifelt die Augen rollten. »Wieso soll es deine Frau bekommen? Wir können auch darin wohnen. Oder willst du, daß wir bis an unser Lebensende in dieser Bruchbude von einem Appartement bleiben?«
Die »Bruchbude« bestand aus einer Vierzimmer-Luxus-Eigentumswohnung, die Werner seiner Püppi zum Geschenk gemacht hatte, und von deren Balkon aus man einen wunderschönen Rundblick auf die Stadt Wiesbaden und den Taunus hatte.
»Liebling«, versuchte Werner, seine Geliebte und zukünftige Ehefrau zu versöhnen. »Natürlich brauchst du nicht ewig in diesem Appartement zu bleiben. Wir werden schon ein hübsches Zuhause für uns finden.«
»Ich will aber nicht irgendwas zum Wohnen, sondern das Haus!« beharrte Marlies-Püppi auf ihrem Willen und jetzt glich sie eigentlich gar nicht mehr einer Barbie, sondern eher einer gereizten Katze, die das Fell sträubt. »Du hast es mir versprochen. Das Haus und den Schmuck und…«
»Anscheinend hat der gute Werner mal wieder den Mund zu voll genommen«, platzte Nathalie heraus. Sie wußte, daß es weise gewesen wäre zu schweigen, aber sie konnte sich einfach nicht länger zurückhalten. Dieser Scheidungskrieg nahm immer groteske Formen an. Und die Ursache dafür saß hier vor ihr, blond, glubschäugig und vollbusig. Eine raffgierige kleine Puppenschlange, die den Hals einfach nicht voll bekam.
»Das ist eine Marotte von ihm, müssen Sie wissen«, spottete Nathalie wütend. »Werner verspricht einem das Blaue vom Himmel, wenn er etwas will. Leider vergißt er seine Versprechungen aber rasch, wenn er erst einmal bekommen hat, was er wollte.«
Marlies bekam schmale Augen.
»Bei mir ist er anders!« fauchte sie katzig. »Und ich schwöre Ihnen, daß er sein Wort halten wird. Ich bekomme das Haus und alles, was er mir versprochen hat. Sonst…«
Sie sprach nicht aus, was passieren würde, wenn Werner sich ihrem Willen widersetzte, aber es schien etwas Unangenehmes zu sein, denn er zuckte wie getroffen zusammen.
»Können wir vielleicht einmal vernünftig miteinander reden?« mischte sich Dr. Berger, Werners Anwalt, ein, bevor Werner zu einer Antwort ansetzen konnte. »Ich denke, das Ehepaar Reinke hat im Vorfeld schon bestimmt Dinge besprochen, die wir jetzt fixieren sollten. Dann kann…«
»Was mein Verlobter im Vorfeld gesagt hat, tut nichts zur Sache«, mischte Marlies sich erneut ein. »Wir sind inzwischen übereingekommen, daß wir alles ganz anders haben möchten. Ich bestehe auf der Herausgabe des Hauses und…«
»Jetzt halten Sie sich endlich raus!« platzte Dr. Hoffmann, Nathalies Anwalt, dazwischen. Ihm ging das Gezeter der blonden Dame auf die Nerven, und er war beileibe nicht der einzige! »Lassen Sie uns vernünftig reden. Herr und Frau Reinke, Sie – Herr Reinke – wollten das Haus Ihrer Gattin überlassen, damit sie und die Kinder ihr Zuhause behalten können. An monatlichen Unterhaltszahlungen…«
»Das Haus gehört mir!« Marlies sprang auf und hackte mit ihren spitzen Absätzen auf dem Boden herum. »Ich will das Haus, Werner. Gib mir das Haus!«
»Und wo bitte soll meine Mandantin mit den Kindern wohnen?« fragte Dr. Hoffmann entnervt.
»Das ist doch nicht unsere Sache«, erwiderte Marlies, plötzlich die Ruhe selbst. »Frau Reinke hat meinen Verlobten lange genug ausgenommen. Jawohl, ich sag ›ausgenommen‹! Immerhin war sie seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig, hat also die Versorgung der Familie einzig und alleine meinem Verlobten überlassen…«
»Jetzt reicht’s!« Nathalie hatte keine Lust mehr, dieses entwürdigende und alberne Treffen fortzusetzen. »Werner, wenn du nicht in der Lage bist, diese kleine Schla…« Rechtzeitig trat Dr. Hoffmann seiner Mandantin unterm Tisch gegen das Schienbein, so daß Nathalie vor Schreck den Rest des Wortes verschluckte. »In der Lage bist, diese Unterredung ohne die Einflüsterungen deiner Geliebten durchzuführen, sollten wir das Treffen abbrechen. Ich sehe nicht, daß wir momentan zu einer Einigung kommen können.«
»Ich auch nicht«, zischte Marlies. »Werner hat genug bezahlt. Jetzt gehört er mir und wird sich um mich kümmern. Er kann nicht für zwei Familien aufkommen.«
»Wollen Sie nicht einen kleinen Schaufensterbummel machen?« schlug Dr. Berger, am Ende seiner Geduld angelangt, vor. »Ich habe drüben in der Boutique ›Für Sie‹ ein wunderschönes Sommerkleid gesehen, das Ihnen bestimmt hervorragend stehen würde. Und die passenden Schuhe standen auch daneben.«
»Ich brauche kein Kleid, ich brauche ein Zuhause«, schmetterte Marlies den Einwand des Anwalts ab. Sie war wild entschlossen, ihre Pläne durchzusetzen.
Unter dem Tisch hieb sie ihren spitzen Absatz auf Werners Fuß, der daraufhin gequält das Gesicht verzog.
»Ja, also«, begann er sofort loszuhaspeln. »Sie haben es ja gehört und du auch, Nathalie. Was wir da mal so besprochen haben, also das hat keinen Bestand mehr. Weißt du, bei mir hat sich einiges geändert, mußt du wissen. Es ist einfach so, daß ich das Haus brauche. Und ich kann dir leider auch nicht soviel zahlen, wie ich zuerst dachte. Es ist so…« Verlegen wanderten seine Blicke zu Marlies, die zu einem neuen Tritt ansetzte. Als sich ihr Pfennigabsatz in seinen Schuh bohrte, sprach Werner hastig weiter. »Es ist so, daß mir nach der letzten Steuererklärung eigentlich gar nichts mehr geblieben ist. Zum Glück hat mir Marlies unter die Arme gegriffen und ihr Kapital beigesteuert. Dafür mußte ich ihr allerdings die Firma und alle Werte überschreiben. Ja also, ich bin im Grunde ein Habenichts. Tut mir leid, Nathalie…«
Er hatte so schnell gesprochen, daß weder die Anwälte noch Nathalie so richtig begriffen, was er ihnen eigentlich sagen wollte. Dr. Berger und Dr. Hoffmann wechselten ein paar leicht irritierte Blicke miteinander, dann holte Dr. Berger tief Luft und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Stimmt, so ist die Sachlage«, hob er an, um eine sichere Haltung bemüht. »Ihr Mann hatte leider