Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge


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hast du recht, wenn du dir um die Gesundheit deines Kindes Sorgen machst. Ich befürchte einfach nur, daß heute nicht der richtige Tag dafür ist. Wieso gehst du nicht morgen mit Sandra los?«

      »Weil ich genau heute in der richtigen Stimmung bin«, erwiderte Nathalie grimmig. »Morgen überredet mich das kleine Biest wahrscheinlich doch wieder, nicht zum Optiker zu gehen. Ich lasse mich von ihren Tränen und Vorhaltungen weichklopfen, und zum Schluß hat sie ihren Kopf doch durchgesetzt. Nein, heute bekommt Sandra eine Brille, so wahr ich hier stehe, und auch du, liebste Regina, wirst mich nicht von meinem Vorhaben abbringen.«

      Regnia seufzte nur entsagend. Sie kannte Nathalie lange genug, um zu wissen, wann man besser damit aufhörte, auf sie einzureden. Nathalie konnte nämlich nicht nur verdammt stur, sondern auch äußerst unfreundlich sein, wenn man sie allzusehr bedrängte.

      »Soll ich auf Steffi aufpassen, wenn ihr beim Optiker seid?« erkundigte sich Renate daher nur freundlich und gab alle weiteren Versuche auf, das Unheil von Sandra abzuwenden.

      »Ja, das wäre nett«, nahm Nathalie das Angebot erleichtert an. Steffi war ein liebes, aber lebhaftes Kind, das wie alle Kinder in diesem Alter ruck zuck einen Laden verwüsten konnte, wenn es sich langweilte. Und Steffi langweilte sich schnell.

      »Dann bin ich so gegen halb drei wieder hier«, meinte Regina nachdenklich. »Erzählst du mir noch, wie die Besprechung war, oder sprichst du momentan nicht so gerne darüber?«

      Nathalie warf einen raschen Blick auf die Diele hinaus. Von Steffi und Sandra war weit und breit nichts zu sehen.

      »Also gut«, hob sie an, während sie an den Geschirrschrank trat, um Teller und Tassen herauszunehmen. »Es war – mit einem Wort – schrecklich. Werner hat seine Freundin mitgebracht, ohne die er ja scheinbar keinen Schritt mehr tut. Angeblich ist er pleite. Steuerschulden, behauptete er. Um die Firma vor dem Konkurs zu retten, hat dieses Puppengesicht einige Mark reingebuttert. Dafür mußte er ihr allerdings die Firma überschreiben.«

      »Nein!« Regina war unter ihrer Sonnenbrille blaß geworden. »Also das hätte ich ihm nun wirklich nicht zugetraut. Das ist doch ein ganz mieser Trick, um sich vor den Zahlungen zu drücken. Was willst du denn jetzt machen?«

      Nathalie ließ die Arme sinken.

      »Wenn ich das wüßte.« Plötzlich wirkte ihre Miene verzweifelt. »Ohne Werners monatliche Zahlungen kommen wir nicht über die Runden. Ich werde vielleicht wieder ganztags arbeiten gehen müssen.« Sie seufzte. »Aber das ist noch nicht alles. Seine Freundin will unbedingt das Haus haben.« Zornesröte schoß ihr ins Gesicht. »Du glaubst nicht, was ich mir von der habe anhören müssen. Von wegen, ich hätte lange genug auf Werners Kosen gelebt und könne jetzt selbst mal zusehen, wie ich meine Brut und mich selbst ernähre. Und Werner saß dabei und hat ein dummes Gesicht gemacht.«

      Regina schüttelte den Kopf. Sie verstand die Welt nicht mehr. Damals, als sie in diese Straße gezogen waren, hatte die Ehe der Reinkes einen sehr intakten, harmonischen Eindruck gemacht. Regina hatte geglaubt, das ideale Ehepaar vor sich zu sehen. Erst nach und nach war ihr bewußt geworden, daß nicht alles, was so goldig aussah, auch tatsächlich so war.

      Aber dann hatten sich die beiden doch wieder zusammengerauft. Das Resultat war Steffi gewesen, die heute vier Jahre alt war. Schon bald nach der Geburt der Kleinen hatte es jedoch zwischen den beiden erneut zu kriseln begonnen. Und irgendwann war dann Marlies Gründing aufgetaucht.

      »Wenn ich dir irgendwie helfen kann«, murmelte Regina, in Gedanken noch in der Vergangenheit gefangen.

      Nathalie schüttelte den Kopf.

      »Ich schaffe es schon«, erklärte sie entschlossen. »Bisher ist es immer irgendwie weitergegangen.« Sie nahm die Kanne aus der Maschine und schenkte Kaffee ein. »Ich werde versuchen, einen Ganztagsplatz im Kindergarten zu bekommen. Und falls das nicht klappen sollte, müssen eben Sandra und Dennis auf Steffi aufpassen. Die beiden sind alt genug, um gewisse Aufgaben in der Familie zu übernehmen.«

      »Ich kann doch Steffi nehmen!« bot Regina sofort an, wofür sich Nathalie mit einem Lächeln bedankte. Aber im stillen wußte sie bereits, daß sie dieses Angebot nicht annehmen würde. Regina war eine reizende Frau, die sich sicherlich aufopfernd um die Kleine kümmern würde. Aber sie würde Steffi auch nach Strich und Faden verziehen. Und genau das wollte Nathalie vermeiden.

      »Wir reden noch darüber«, wich Nathalie deshalb aus. »Ich muß erst einmal sehen, ob ich überhaupt ganztags arbeiten kann. Die Boutique läuft gut, aber ich glaube nicht, daß sich Hannelore eine Ganztagskraft leisten kann.

      Komm, laß uns Kaffee trinken und über etwas Netteres sprechen«, schlug sie vor, bevor Regina das Thema weiter verfolgen konnte. »Magst du ein Stück Kuchen?«

      Regina ließ sich sofort ablenken.

      »O Gott, nein!« wehrte sie beinahe entsetzt ab. »Ich habe ein Kilo zugenommen. Das muß ich erst wieder runterhaben, bevor ich an irgend etwas Süßes auch nur denken darf.«

      In den kommenden Minuten vertiefte sie sich darin, Nathalie genau zu erklären, mit welchen Mitteln und Diäten sie dem überschüssigen Kilo den Garaus machen wollte.

      *

      Sandra sprach auf der ganzen Fahrt in die Innenstadt kein Wort mit ihrer Mutter. Mürrisch die Unterlippe vorgeschoben saß sie auf dem Beifahrersitz und starrte vor sich hin, während Nathalie den Kleinwagen geschickt durch den dichten Cityverkehr lenkte.

      In der Tiefgarage unter dem Luisenplatz fanden sie einen Stellplatz. Immer noch schlechtgelaunt, die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkt, lief Sandra neben ihrer Mutter her und ließ sich nicht einmal von den bunten Auslagen der Kaufhäuser und Boutiquen, die ihren Weg säumten, ablenken.

      In der Fußgängerzone herrschte das übliche Gewimmel. Junge Leute in XXL-Outfits, Baseballkappen im Nacken und Walk- oder Discman auf den Ohren scateten geschickt auf ihren Bladers zwischen den Fußgängern herum, jede kleine Lücke ausnutzend, um ihre Kunst vorzuführen.

      Alte Damen mit kleinen Hündchen bevölkerten die Bänke rund um die Kastanien, arme Häute, die, ihre gesamte Habe in Plastiktüten verpackt, bittend die Hand ausstreckten oder teilnahmslos in einem Hauseingang hockten, Rentner, die die Stöcke aufgebracht schwingend über Politik diskutierten oder den Scatern hinterherschimpften, Pärchen, die händchenhaltend herumschlenderten – kurz, das ganze buntgemischte Bild einer Großstadt hatte sich hier konzentriert und erfüllt die Straße mit Leben.

      Ab und zu warf Nathalie einen verstohlenen Blick zu ihrer Tochter hinüber, aber Sandra war nicht so leicht zu versöhnen. Ihre Haltung, die zusammengepreßten Lippen, das vorgeschobene Kinn – alles erinnerte Nathalie an Werner. Auch er konnte stundenlang schmollen, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging.

      Andererseits konnte Nathalie ihre Tochter sehr gut verstehen. Sie hätte in Sandras Alter wahrscheinlich auch keine Luftsprünge gemacht, wenn man ihr eine Brille verordnet hätte. Für ein vierzehnjähriges Mädchen, das davon träumte, als Schauspielerin oder Fotomodell Karriere zu machen, war dieses Urteil »Brillenträger« geradezu eine Katastrophe.

      Dabei nützte es gar nicht, Sandra zu erzählen, daß weiß Gott wie viele der Stars, die sie bewunderte, ebenfalls kurzsichtig waren und Brillen oder Kontaktlinsen trugen. Mädchen in Sandras Alter wollten so etwas nicht hören, sie glaubten ganz einfach, daß ihre angebeteten Stars vollkommen sind, und das ist ja wohl auch irgendwo richtig so.

      Nach drei Wochen unergiebiger Diskussionen hatte Nathalie es jedenfalls aufgegeben, ihr Töchterchen umstimmen und überzeugen zu wollen.

      Jetzt deutete sie auf die Auslage eines bekannten Brillenherstellers, der seine Ladenkette über ganz Deutschland verbreitet hatte.

      »Schau mal, da sind ein paar ganz flotte Modelle dabei«, versuchte Nathalie, das Interesse ihrer Tochter zu wecken.

      Sandra warf nur einen Blick auf den Namenszug über dem Schaufenster und erstarrte.

      »Nein!« entschied sie entsetzt. »Da setze ich keinen Fuß rein.«

      »Verlangt ja


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