Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

Читать онлайн книгу.

Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen


Скачать книгу
Am Abend wollte sie Spaghetti kochen. Das Rezept hatte sie schon genau studiert. Es war sommerleicht und trotzdem herzhaft. Knoblauch, angebratene Scampi, Cocktailtomaten, ein bisschen Wein, ein paar Blätter Minze. Lecker.

      Langsam fuhr sie durch Ruhweiler. Daniel wollte in seiner Mittagspause joggen gehen. Sie lächelte versonnen vor sich hin. Irgendwann würde sie an seiner Seite auch wieder Sport treiben. Im Winter würde sie im Geschäft Langlaufkurse anbieten. »Das lernst du in Nullkommanichts, wenn dein Körper es zulässt«, hatte Daniel ihr Mut gemacht.

      Gemeinsame Ziele, ein gemeinsames Leben … Gab es etwas Schöneres? Dass sie ihrer Mutter ihre Entscheidung noch mitteilen musste, daran wollte sie sich jetzt nicht erinnern. Dieser Gedanke zwang ihr Herz nur wieder in eine eiserne Klammer.

      Was Nicole jedoch nach der nächsten Kurve entdeckte, ließ ihren Herzschlag vielmehr gänzlich verstummen. Sie trat auf die Bremse, ganz instinktiv. Durch diese abrupte Bewegung stach wieder der Schmerz in ihre Fußsohle, obwohl sie doch eben erst eine Injektion erhalten hatte.

      Ihr Auto stand jetzt am Straßenrand, unter der ausladenden Krone einer Linde, gegenüber dem kleinen Marktplatz von Ruhweiler. Leute saßen auf den Bänken, vor dem Straßencafé, dem Bistro; Touristen mit Rucksäcken wanderten an ihr vorbei, sahen sich die Speisekarten an. Doch Nicole hatte nur Augen für den dunkelhaarigen Mann und die dunkelhaarige Frau, die ein paar Meter von ihr entfernt plaudernd zusammenstanden: Daniel und Katja. Die beiden lachten über irgendetwas. Daniels Jugendfreundin hob die Hand und strich ihm eine Locke aus der Stirn. Er hinderte sie nicht daran. Dann sagte er etwas, und wieder lachte Katja hell auf. Kein Wunder. Sie, Nicole, wusste inzwischen ja auch, wie lustig er sein konnte. Die beiden sahen sie nicht, was ebenfalls nicht verwunderlich war. Sie vermuteten sie ja auch gar nicht hier. Sie gehörte nicht nach Ruhweiler. Dass Daniel und Katja sich öfter über den Weg liefen, war ganz normal in einem so kleinen Ort. Das erwartete man geradezu, wenn man hier lebte. So hatte Daniel es ihr glaubhaft gemacht. Da konnte sie nicht mitreden, ebenso wenig wie beim Thema ›Jugendfreundschaften‹. Und auf Erfahrungen in Liebesbeziehungen konnte sie schon einmal gar nicht zurückgreifen.

      War das normal, was sie hier gerade beobachtete? Sie wusste es nicht, wagte auch gar nicht, sich diese Frage voreilig zu beantworten. Sie wusste nur eines: Das Gefühl, das sich beim Anblick der beiden in ihr ausbreitete, war unangenehm. Sehr unangenehm. Wie sollte sie es benennen? Eifersucht, Verlustangst, Misstrauen? Empfand sie menschlich oder völlig übertrieben? Auf alle Fälle kannte sie solche Empfindungen nicht. Selbst Kolleginnen gegenüber, die ihr ihren Erfolg hatten streitig machen wollen, hatte sie dieses Gefühl nicht empfunden. Warum? Weil sie gewusst hatte, besser zu sein als sie. Doch in diesem Fall ging es nicht um tänzerisches Können. Hier ging es um Daniel und um seine Liebe zu ihr, die sie nicht beeinflussen, nicht ›trainieren‹ konnte.

      Zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie dem geliebten Mann überhaupt trauen konnte.

      Daniel und Katja verabschiedeten sich. Mit Küssen auf die Wangen. Beide gingen auf ihre Autos zu. Nicole blieb noch lange sitzen, bevor sie weiterfuhr. Als sie schließlich bei ihrem Schwarzwaldhäusle ankam, wusste sie, was zu tun war:

      Sie würde mit Daniel nicht über ihre Beobachtung reden. Sie vertraute ihm. Sie wollte ihm vertrauen, weil er sie liebte und weil sie ihn liebte. Zur Liebe gehört Vertrauen. Mit Sicherheit hatte sie völlig übertrieben reagiert.

      *

      Guten Mutes machte sich Nicole am Spätnachmittag daran zu kochen. Ihr blieb eine Stunde Zeit, dann würde Daniel kommen.

      Sie studierte nochmals genau das Rezept, legte alle Zutaten bereit und deckte den Tisch ein. Während sie Öl und Essig für die Salatsoße verquirlte, lächelte sie träumerisch vor sich hin. Durchs offen stehende Küchenfenster drang der Gesang der Vögel herein, die Sonne schien, der Sommer strahlte in seinen kräftigsten Farben. Wie schön das Leben sein konnte. Sie besaß wieder mehr Energie. Ihr Rücken hatte sich erholt, ihre Kniegelenke schmerzten auch nicht mehr, nur ihre Füße noch, wenn die Wirkung der Injektion nachließ. Gemessen an ihrer körperlichen Verfassung vor dem Zusammenbruch ging es ihr jetzt richtig gut.

      Da bemerkte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Sie ließ den Schneebesen in die Salatschüssel sinken. Was war denn das? Sie sah zum Fenster hinaus.

      Vor ihren Augen hob und senkte sich ein rotes Herz, auf und ab, sodass sie zuerst nicht erkennen konnte, was auf dem Luftballon in schwarzen Buchstaben geschrieben stand. Sie kniff die Augen zusammen.

      »Nicole und Daniel für immer«, entzifferte sie schließlich. Und gleich darauf erschien auch schon Daniels Kopf. Seine Augen blitzten sie übermütig an. »Bist du einverstanden?«, rief er zur Küche hinein.

      Wie hatte sie heute Mittag nur an seiner Liebe zweifeln können? Natürlich gehörten sie zusammen. Natürlich liebte er sie.

      »Hundert Prozent!«, rief sie zurück, bevor sie zur Haustür lief, wo sie sich in seine Arme warf.

      Sie hielten einander fest, küssten sich, als ob sie sich monatelang nacheinander gesehnt hätten. An diesem Abend kosteten beide die tiefe Freude aus, die man an der Seite eines geliebten Menschen empfindet. Und an diesem Abend war sich Nicole sicher, dass sie sich richtig entschieden hatte. Für ihre große Liebe.

      *

      Eigentlich war Daniel glücklich. Jede Sekunde, die er mit Nicole verbrachte, genoss er ganz bewusst und in vollen Zügen. Bei jedem Zusammensein entdeckte er neue Eigenschaften an ihr, die ihm bestätigten, sich in die richtige Frau verliebt zu haben. Er begehrte nicht nur ihren wunderschönen Körper, der inzwischen etwas weicher geworden war. Nein, viel mehr noch schätzte er ihre Klarheit, ihr Mitgefühl allen Schwachen gegenüber, ihre innere Stärke, ihr Gerechtigkeitsempfinden. Wie ähnlich sie sich waren. Sie war die erste Frau, mit der er sich eins fühlte, was auch die körperliche Liebe mit ihr für ihn so einzigartig machte. Niemals, niemals wollte er sie verlieren. Umso schlimmer empfand er es, dass sich ab und zu, ganz heimlich durch die Hintertür, Angst in sein Herz schlich. Meistens gelang es ihm, dieses Gefühl sofort wieder zu verbannen. Doch es klopfte immer wieder leise an. Nicoles Küsse waren süß, schenkten ihm höchstes Glück. Dennoch konnte er manchmal an dieses Glück nicht so recht glauben. Weil es zu schön war, um wahr zu sein?

      An diesem sonnigen Tag verfolgte ihn die Sorge, dass irgendetwas zwischen sie treten könnte, schon seit morgens, seit er von Nicole aus zu seinem Geschäft gefahren war. Wo kam diese ihn so bedrückende Empfindung nur her?

      Durch den Anruf von Heiko Wieland am Abend, der sich nur nach Nicoles Genesung hatte erkundigen wollen? Durch sein Wissen darum, dass man eine so einschneidende Entscheidung, wie Nicole sie getroffen hatten, manchmal auch bereuen konnte? Er hatte den Absprung vom Hochleistungssport nie bereut. Aber wie würde Nicole auf Dauer damit fertig werden?

      So kam es, dass Daniel an diesem Vormittag düstere Gedanken plagten. Und gerade an diesem Tag betrat Katja kurz vor der Mittagspause sein Geschäft.

      Sie sah schlecht aus. Das erkannte er auf den ersten Blick. Genauso fiel ihm sofort der Ausdruck von Entschlossenheit in ihren Augen auf. Sie musste inzwischen erfahren haben, dass er nun in festen Händen war. Er versteckte sich mit Nicole ja nicht. Und in einem so kleinen Ort wie Ruhweiler sprach sich eine neue Liebe schnell herum.

      »Hey, Daniel«, begrüßte Katja ihn. Sie küsste seine Wangen.

      Er erwiderte diese Begrüßung nur mit einem Lächeln.

      »Wie geht’s dir?«, fragte er, was er gleich darauf bereute.

      »Schlecht. Sehr schlecht«, lautete ihre Antwort. Ihr Blick bekam einen anklagenden Ausdruck. »Und du weißt bestimmt, warum.«

      Er wollte gar nicht lange herumreden.

      »Weil ich in festen Händen bin?«

      »Dann stimmt es also wirklich? Dann ist das nicht nur ein Gerücht?«

      Er seufzte in sich hinein.

      Die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. So wahrscheinlich auch bei Katja.

      »Es stimmt. Ich habe eine feste Beziehung.«

      »Diese


Скачать книгу