Die Zigeuner-Prinzessin. Barbara Cartland

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Die Zigeuner-Prinzessin - Barbara Cartland


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      „Du hast dich im Laufe der Zeit zu einem regelrechten Casanova entwickelt, Charles“, bemerkte der Marquis. „Und ausgerechnet du hältst mich dazu an, beständiger zu werden. Wie steht es denn in dieser Beziehung mit dir? Du bist doch auch wohlhabend, oder wirst es zumindest sein, wenn dein Vater stirbt.“

      „Der mit seinen fünfundsechzig Jahren noch höchst gesund und munter ist“, erwiderte sein Freund. „Ich habe nicht die Absicht, mir Weib und Kind aufzubürden, bevor ich mir das nicht leisten kann.“

      „Das ist keine Frage des Leistens, sondern des Ertragenkönnens“, sagte der Marquis. „Und das sind entschieden zwei Paar Stiefel.“

      Er schob seinen Sessel zurück und erhob sich.

      „Gehen wir, und ich hoffe, daß dieser Abend nicht unsere Meinung bestätigt, daß wir zu alt sind, um die frivolen Freuden des Lebens zu genießen.“

      „Das Schlimme bei dir ist, daß du zu wenig trinkst“, stellte Charles Collington fest, der ebenfalls aufstand.

      „Ich weiß, und das ist ein weiterer Punkt, an dem ich merke, daß ich alt werde. Nichts ist mir mehr verhaßt, als morgens mit Kopfschmerzen aufzuwachen.“

      „Ich schlage vor, daß wir zwei übrig gebliebenen Kriegsveteranen vor unserem Besuch im Opernhaus einen Blick bei ,White’s‘ hineinwerfen, um zu sehen, ob noch mehr Veteranen von Wellingtons Armee mit uns fühlen.“

      „Keine schlechte Idee“, stimmte der Marquis zu.

      In der Halle des Hauses am Berkeley Square taten ein Butler und vier Lakaien Dienst. Der Marquis nahm den hohen Hut, den man ihm reichte, wies aber den Vorschlag zurück, einen Umhang über seinem eng anliegenden Abendanzug mit den langen Rockschößen zu tragen.

      Draußen wartete eine Kutsche, und ein Reitknecht stand bereit, um die Tür zu öffnen. Ein roter Teppich war über den Bürgersteig gebreitet. Der Marquis hatte kaum den Fuß darauf gesetzt, als ihm einfiel, daß er den Butler nicht davon informiert hatte, ihn am kommenden Morgen besonders früh zu wecken. Da er einen Markt in der Nähe von Wimbledon besuchen wollte, mußte er London spätestens um halb neun Uhr verlassen.

      Marquis von Ruckley drehte sich um und ging ins Haus zurück.

      „Ich möchte um sieben Uhr geweckt werden“, begann er, als hinter ihm plötzlich ein ohrenbetäubender Krach zu hören war. Ein großes Stück Mauerwerk hatte sich vom Dach gelöst und war genau dorthin gefallen, wo er vor wenigen Augenblicken noch gestanden hatte.

      „Was zum Teufel war denn das?“ rief der Captain und drehte sich erschreckt um.

      „Sind Sie verletzt, Mylord“, fragte der Butler verstört.

      „Nein“, erwiderte dieser nun ruhig, „wenn ich jetzt nicht mit Ihnen gesprochen hätte, Burton, hätte mich die ganze Ladung getroffen.“

      „Der Wind muß die lockeren Steine herunter gefegt haben“, erklärte Charles Collington, als er seinen Freund erreicht hatte.

      „Die Sache ist mir unverständlich, Sir“, sagte der Butler. „Auf Anweisung Seiner Lordschaft wurde das Dach vor weniger als einem Monat inspiziert. Über einen ernsthaften Schaden hätten die Arbeiter doch sicherlich Bericht erstattet.“

      „Man sollte es annehmen.“

      Der Marquis betrachtete nachdenklich die Stelle des roten Teppichs, die mit Steinen bedeckt war. Der Lärm hatte die Pferde erschreckt, so daß der Kutscher sie nur mit Mühe zur Ruhe bringen konnte. Der Lakai, der gerade die Kutschentür öffnen wollte, starrte mit verwirrten Blicken auf die Szene.

      Charles Collington trat neben den Marquis und sagte leise: „Das hätte leicht dein Ende sein können, Fabius.“

      „Das habe ich auch gerade gedacht.“

      Der Marquis blieb geduldig stehen, damit ihm der Lakai den Staub von der Kleidung bürsten konnte. Dann stiegen beide in die Kutsche ein. Während der Fahrt wurde nicht gesprochen, die Männer hingen ihren Gedanken nach.

      Bis zum White’s Club war es nicht weit. Dieses war der Ort, den Beau Brummel zum Mittelpunkt der eleganten Männerwelt gemacht hatte. Im vergangenen Jahr hatte er nach einem unglückseligen Streit mit seinem Freund und Mäzen, dem Prinzregenten, zudem gezwungen durch seinen ruinösen finanziellen Status, auf das Festland fliehen müssen. Es war fast unvermeidlich, daß die beiden Herren beim Eintreten an Beau Brummel dachten.

      Eine ganze Anzahl seiner früheren Freunde hatte sich hier versammelt, und man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß heute ein eleganter und witziger Geist unter ihnen weilte.

      Lord Alvanley, Lord Worcester und Prinz Esterhazy lauschten einer von Sir Algernon Gibbon in lehrerhaftem Ton gehaltenen Rede. Als Sir Algernon den Marquis erblickte, hellte sich seine Miene sichtlich auf.

      „Kommen Sie und geben Sie mir Hilfestellung, Ruckley“, rief er, „ich habe eine Behauptung aufgestellt, von der ich sicher bin, daß sie voll und ganz Ihren Beifall findet.“

      „Und was macht Sie so sicher?“ fragte der Marquis und ging auf die um den Kamin versammelte Gruppe zu.

      Sir Algernon Gibbon versuchte, wie allgemein bekannt war, Beau Brummels vereinsamten Platz einzunehmen, wozu er tatsächlich wie geschaffen war. Er hatte einen ausgezeichneten Geschmack, was Kleidung und Mode betraf, und er war seit Beau Brummels Sturz ein enger Vertrauter des Prinzregenten. Was er nicht besaß, waren dessen scharfes und unfehlbares Urteil und die unverschämte Selbstsicherheit, die seinen Vorgänger ausgezeichnet hatte.

      Sir Algernon benahm sich ziemlich anmaßend und trotz seines fundierten Wissens neigten seine Zeitgenossen eher dazu, über ihn zu lachen als sich seinem Diktat zu beugen.

      „Ich habe die Behauptung aufgestellt, daß es für einen Menschen von niederer Geburt unmöglich ist, diesen Makel zu verbergen“, sagte er an den Marquis gewandt.

      „Dagegen habe ich eingewandt, daß es einer klugen und belesenen Frau leicht fallen dürfte, sich als Dame auszugeben“, mischte sich Lord Alvanley ein.

      „Mich würde sie nicht überzeugen.“

      Sir Algernon ließ sich nicht von seiner Überzeugung abbringen.

      Lord Worcester erklärte jetzt in seiner dunklen Stimme: „Wir sind auf dieses Thema zu sprechen gekommen, weil Prinz Esterhazy sich nach den Ahnen einer hübschen, kleinen französischen Taube erkundigte, die ihren bewundernden Verehrern einen Stammbaum zeigt, der den von Kaiser Karl dem Großen wie einen Fetzen Papier aussehen läßt.“

      „Das ganze Ding ist eine Fälschung“, rief der Prinz.

      „Natürlich ist es das“, bestätigte Sir Algernon, „und jeder Mensch mit Geschmack und Verstand sollte auf den ersten Blick Talmi von Gold unterscheiden können.“

      „Was ist denn Ihre Meinung, Ruckley?“ wollte Lord Alvanley wissen.

      „Ich schließe mich der Ihren an“, erwiderte der Marquis. „Wenn die betreffende Dame es geschickt anfängt, wird sie die Leute mit Leichtigkeit davon überzeugen können, daß sie ist, was sie zu sein vorgibt. Das Ganze ist doch lediglich eine Frage der Schauspielkunst.“

      „Keine Frau und kein Mann könnte mich täuschen“, rief Sir Algernon hitzig. „Ich rieche einen Emporkömmling auf eine Meile Entfernung.“

      „Würden Sie darauf eine Wette abschließen?“ fragte Lord Alvanley.

      „Aber selbstverständlich“, erwiderte Sir Algernon.

      „Wir wollen alle dagegen setzen und Gibbon auf sein Wort festnageln“, schlug Lord Worcester vor, „sonst wird er noch zu eingebildet.“

      Das allgemeine Gelächter nahm Sir Algernon gutgelaunt zur Kenntnis.

      „In Ordnung“, sagte er, „ich werde Ihre Wetten annehmen, ja, ich werde sogar noch ein Übriges tun. Ich setze eintausend Guineen dagegen, daß Sie weder einen Mann noch eine Frau finden, die mich von ihrer


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