Die Gotengeschichte. Jordanes

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Die Gotengeschichte - Jordanes


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Theoderichs, endet.

      Von Theoderich erhielt Cassiodor den Auftrag, eine Geschichte der Goten zu schreiben. Diese legte er in zwölf Bänden an, in denen er Herkunft, Aufenthaltsorte und Taten dieses Volkes darlegte. Das Werk sollte die gotische Herrschaft in Italien durch die Verbindung der gotischen und römischen Vergangenheit legitimieren. Gleichzeitig sollte das ostgotische Geschlecht der Amaler herausgestellt werden. Es richtete sich an Römer und gebildete Goten. Um den Goten ein angemessenes Alter im Mittelmeerraum zu verleihen, setzte er sie mit den schon erheblich länger hier wohnenden thrakischen Geten sowie phasenweise mit den ebenfalls thrakischen Dakern gleich und gewann auf diese Weise viele Jahrhunderte auf einmal und wertete so die Goten als Kulturvolk erheblich auf. Dass dabei keine logische Chronologie mehr herzustellen war, störte ihn nicht, dafür reklamierte er ein hohes Alter des beanspruchten Siedlungsgebietes. Den berühmten Ostgotenherrscher Ermanarich verglich er mit Alexander dem Großen. An vielen Stellen ist selbst noch in den überlieferten Fragmenten der Anklang an griechische und römische Historiker festzustellen: Tacitus, Deixippos, Priskos und Blabius. Abgeschlossen wurde das Werk wohl 537/538, wurde aber nach Meinung mancher Historiker noch von Cassiodor fortgesetzt bis 551.

      Doch das politische Gebilde, das Cassiodor mit seiner Gotengeschichte integrieren wollte, war nicht von langer Dauer. Nach Theoderichs Tod 526 regierte dessen Tochter Amalaswintha für ihren Sohn Athalarich, Cassiodor leitete weiterhin die Zivilverwaltung und wurde selbst 533 praefectus praetorio wie einst sein Vater. Seine kulturellen Ambitionen waren ungebrochen: Mit Papst Agapetus I. (reg. 535–536) fasste er den Plan, ein Zentrum für Bibelstudien einzurichten nach dem Vorbild bestehender weltlicher Hochschulen in Italien und Katechetenschulen in Nisibis und Alexandrien. Doch als 537 der byzantinische General Belisar Rom eroberte und Nachfolger Cassiodors als praefectus praetorio wurde, verlor dieser sein Amt. Er blieb aber in Ravenna und wurde am Ende seiner Laufbahn vielleicht noch mit dem Titel patricius geehrt. 540 wurde auch Ravenna durch Truppen Iustinians erobert. Damit endete, nicht nur in Italien, die Amalerherrschaft, in deren Dienst sich Cassiodor sein ganzes bisheriges Leben lang gestellt hatte.

      Cassiodor zog sich zunächst ins Privatleben zurück, was in Antike und Spätantike gar nicht ungewöhnlich war, und ging auf einen neuen Lebensabschnitt zu. 550 befand er sich in Konstantinopel mit dem ehemaligen Konsul des Ostens Rufinus Petronius Nicomachus Cethegus und dem früheren Ostgotenkönig Vitiges sowie weiteren Emigranten, wohl auch selbst als ein Verbannter. In dieser Zeit verfasste er De anima als 13. Buch der Variae, das stilistisch einfacher gehalten ist als der erste Teil: Die äußere Form verlor hier bereits an Bedeutung gegenüber dem Textgehalt. Ebenso begann er die Expositio Psalmorum (Psalmenerklärung), die 10 Jahre später erschien.

      Die Fortsetzung der Schriftstellerei aber genügte Cassiodor nicht. Für den neuen, zweiten Lebensabschnitt, aus dem noch fast eine zweite Hälfte wurde, gründete Cassiodor 554 das Kloster Vivarium (so benannt nach seinen Fischteichen) auf seinem Familiengut nahe dem Flüsschen Pellena (jetzt Alessi). Er selbst war Klosterherr und Abt; die Mönche lebten nach einer eigenen Regel, nicht nach der Benedikts. Die von ihm selbst formulierte Aufgabe der Ordensgemeinschaft lautete: Bewahrung der antiken Bildung, Rettung für die neue Zeit. Auch hier war es – wie schon in seinem ersten Leben – notwendig, Gegensätzliches zu verbinden: Antike und Christentum. Die Mönche begannen daher mit einer regen Sammel- und Abschreibtätigkeit, eventuell fertigten sie auch Übersetzungen an. Als Abt schrieb Cassiodor die Institutiones divinarum et humanarum litterarum (Einführung in die religiösen und weltlichen Wissenschaften), ein grundlegendes Lehrbuch des Mittelalters, gegliedert nach den Septem artes liberales, das auch als Anleitung zum Sammeln und Abschreiben von Handschriften diente. Eine Bibliothek entstand; daneben hatte Cassiodor auch noch eine Privatbibliothek. Klar war, dass Texte aufgrund der Seltenheit vieler Werke sowie wegen der geringen Haltbarkeit der Beschreibstoffe und der hohen Verlustgefahr nur durch immer wieder neues Abschreiben erhalten werden konnten. Hier fand der Übergang von Papyrus zu Pergament und von der Rolle zum Codex als systematische Maßnahme zur Erhaltung von Texten statt. Von den 3% Texten, die von der ursprünglich vorhandenen antiken Literatur auf uns gekommen sind, verdanken wir einen großen Teil Cassiodor, seiner Mönchsgemeinschaft und seiner Vorbildwirkung auf andere Klöster. Eine Ironie der Geschichte ist es, dass dabei ausgerechnet sein Werk über die Goten nicht erhalten wurde. Eine Handschrift, die er selbst angefertigt hat, ist erhalten geblieben. Sie liegt jetzt in St. Petersburg. Im Alter von 93 Jahren schrieb Cassiodor seine letzte Schrift: De orthographia.

      Durch den ungeheuren Bruch in der Mitte seines Lebens wurde der Verfasser der Gotengeschichte »der letzte Römer und der erste Mensch des Mittelalters«.2 580 starb Cassiodor in seinem Kloster Vivarium.

       Jordanes und die Getica oder Origo Gothica

      Jordanes – auch Jordanis genannt – war ein Balkangote und stammte von Sadagaren oder Skiren ab; seine durchaus wohlhabende Familie lebte in der Provinz Moesia inferior, und sein Großvater war notarius bei dem Alanenfürsten Kandak. Jordanes seinerseits war notarius bei dessen Neffen, dem Amaler Gunthik, auch Baza genannt. Jordanes war auch Kleriker, und zwar in der katholischen Kirche. Er war kein Arianer. Nach manchen Historikern ist er identisch mit Bischof Jordanes von Crotone. Seine Schriften entstanden ab 551:

      Zunächst De summa temporum vel origine actibusque gentis Romanorum, eine Weltchronik von Adam bis Iustinian, gegliedert nach der sich aus dem Buch Daniel im AT ergebenden Periodisierung. Dann das hier vorliegende Werk De origine actibusque Getarum. Beide Werke erschienen nicht nur gemeinsam, sondern wurden auch wohl parallel verfasst.

      Die Schrift »Vom Ursprung und den Taten der Goten, kurz Getica oder Origo Gothica, sind – kritisch ausgewertet – von hohem Wert für die Kenntnis der Geschichte der Goten. Nach Aussage ihres Verfassers stellt sie eine Zusammenfassung der zwölf Bücher Cassiodors über die Geschichte der Goten dar, auf den ihr Stil auch deutlich verweist. Dem Vorwort zufolge hatte Jordanes nur kurz Gelegenheit, Cassiodors Bücher einzusehen. Dabei handelt es sich aber wohl eher um einen Topos als um ein historisches Faktum. Überprüfbar ist dies dort, wo z.B. parallele Berichte in Cassiors erhaltenen Variae zu finden sind. Auch viele andere antike Autoren wurden von Jordanes direkt oder in schon von seiner Vorlage Cassiodor benutzt. Manche sollen vor allem die Gelehrsamkeit des Verfassers erweisen, ohne dass sie zum Verständnis des eigentlichen Gegenstandes erforderlich wären. Die Rolle der Amaler ist für Jordanes nicht mehr so wichtig, wie sie noch bei Cassiodor war, denn die Familie stellt keinen Herrscher mehr. In den Vordergrund tritt dagegen noch mehr als in der Vorlage die Integration der Gotenherrschaft in die römisch-byzantinische Geschichte. Jordanes’ in der Origo Gothica deutlich werdende positive Haltung zu Byzanz legt eine Abfassung in Konstantinopel nahe. Das Werk widmet Jordanes einem gewissen Vigilius, bisweilen mit dem gleichnamigen Papst (537–555) identifiziert, das Vorwort richtet er an seinen Auftraggeber Castalius, vielleicht einen Geistlichen oder einen gotenfreundlichen Politiker.

      Umstritten ist, ob Jordanes das ganze Werk geschrieben und es erst 551 vollendet und herausgegeben hat, oder ob es früher erschienen ist und der Schluss von anderer Hand ergänzt wurde.

      Die wichtigste Handschrift des Werkes, die die Neuzeit erreichte, befand sich im Besitz des berühmten Althistorikers Theodor Mommsen, als dessen Haus in Heidelberg abbrannte. Die Informationen immerhin hatte Mommsen bereits gesichert, und 1882 brachte er die bis heute maßgebliche textkritische Fassung in der Reihe der Monumenta Germaniae Historica heraus. Sie wurde bis heute einmal, und zwar 1913 von Wilhelm Martens, ins Deutsche übersetzt und mehrfach nachgedruckt. Im Marix Verlag erschien 2010 eine Ausgabe von Hans-Jörg Hube, die auf derselben Übersetzung beruht und den Titel »Ostgotensaga« trägt.

       Andere Quellen zur Geschichte der Goten

      Außer Cassiodor bzw. Jordanes verfassten weitere römische und griechische bzw. byzantinische Geschichtsschreiber Werke, die wichtige Quellen zur Geschichte der Goten darstellen, wenn auch mit unterschiedlichem Erkenntnisinteresse. Dabei sind neben kurzen


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