Die Gotengeschichte. Jordanes

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Die Gotengeschichte - Jordanes


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Werken wie das des griechisch schreibenden Historiographen Priskos – vor allem die folgenden vier Autoren zu nennen.

      Der um 330 n. Chr. in Antiochia in Syrien geborene spätantike Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus verfasste eine römische Geschichte Res gestae in lateinischer Sprache, von deren ursprünglich 31 Büchern leider nur die zweite Hälfte erhalten ist, die sich mit den Ereignissen von 353 bis 378 befasst, die er zum Teil als Soldat, unter anderem in Germanien und in Persien, selbst miterlebt hatte. Sein Interesse galt der römischen Geschichte, deren Berührungen mit den Grenznachbarn, nicht zuletzt mit den germanischen Stämmen unter ihnen, in der von Ammianus beschriebenen Zeit zahlreich und heftig waren. Daher wird Ammianus, der als der letzte große Historiograph Roms gilt und sich unter manchen Aspekten an Tacitus anlehnt, zu einer wichtigen Quelle gerade über die Völker, gegen welche das Imperium Krieg führte. Sein Werk entstand um 390 in Rom, nachdem er Ägypten und Griechenland bereist hatte. Ihn interessierte vor allem das Leben der jeweils regierenden Kaiser und – als Grieche mit römischer Gesinnung – die Reichsgeschichte. Sein Werk endet mit der Schlacht von Adrianopel, in der die Goten die Römer vernichtend besiegten und die für ihn mit anderen katastrophalen Niederlagen (Rom 387 v.Chr., Cannae 216 v.Chr. und Varusschlacht 9 n. Chr.) auf einer Stufe steht und einen tiefen Einschnitt in der Reichsgeschichte bedeutete. Ammianus starb spätestens im Jahr 400.

      Etwa zwei Generationen jünger als Ammianus war der um 385 in Hispanien geborene Orosius, der nicht zuerst als Historiker, sondern vor allem als Theologe schrieb. Orosius war Schüler des Kirchenvaters Aurelius Augustinus. Der Vorname Paulus taucht zuerst bei Jordanes auf, gilt aber als nicht gesichert. Sein Hauptwerk Historiae adversus paganos verfasste er auf dessen Aufforderung hin. Wie De civitate dei seines Lehrers zielt Orosius’ Geschichtserzählung auf den Beweis, dass nicht das Christentum am Niedergang des Römischen Reiches schuld sei. Nach der Eroberung der Hauptstadt Rom 410 durch die Westgoten nämlich war genau dieser Vorwurf gegen die Christen wieder aufgeflammt. Orosius’ Historiae sind deshalb eine Aneinanderreihung von Katastrophen nicht nur der römischen, sondern der Weltgeschichte, die nachweislich nichts mit dem Christentum zu tun haben. Für die Völker, die das Römische Reich bedrängten, hatte er aufgrund dieser Intention kein besonderes Interesse. Dennoch stellt Orosius, nicht nur als Quelle von Cassiodor/Jordanes ein wichtiges Zeugnis spätantiker Geschichte dar, das freilich kritisch gelesen werden muss.

      Der aus Syrien oder Palästina stammende hellenistisch gebildete Geschichtsschreiber Zosimos verfasste Anfang des 6. Jahrhunderts eine Historia nea genannte Geschichte der römischen Kaiserzeit (von Augustus bis 410) in sechs Büchern, die er aber nicht vollenden konnte. Eine besondere Bedeutung seines Werkes liegt (ähnlich wie bei Jordanes) in den inzwischen verloren gegangenen Quellen. Seine betont antichristliche Haltung besteht genau in den Gedanken, die Orosius und Augustinus zurückzuweisen versuchten. Er rechnete daher auch fest mit dem Untergang des Reiches, obgleich er die Abdankung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus nicht mehr erlebte. Auch bei ihm kommen Völker wie die Goten nur als Kriegsgegner Roms vor.

      Um 500 n. Chr. wurde Prokop von Caesarea (in Palästina) geboren, und er machte seine Karriere in der oströmischen Verwaltung, wo er zuerst unter General Belisar als Consiliarius tätig war. Diese Position gewährte ihm Einblicke in die wichtigsten militärischen und politischen Vorgänge, was ihm später bei der Abfassung seiner Geschichtswerke nützlich war. Mit dieser begann er wahrscheinlich um 542 in Konstantinopel. Außer den späteren, kleineren Werken wie den Anekdota (auch »Geheimgeschichte« genannt, eine Ansammlung von Skandalen, in der vor allem Prokops Lieblingsfeindin Theodora, Iustinians Frau, angegriffen wird) und den Aedificia (über das Bauprogramm Kaiser Iustinians in sechs Büchern; das Werk blieb unvollendet) verfasste er eine Kriegsgeschichte Kaiser Iustinians, enthaltend die Kriege gegen die Perser (Buch 1 und 2), gegen die Vandalen (Buch 3 und 4), gegen die Ostgoten (Buch 5 bis 7) und eine Sammlung weiterer militärischer Aktionen (Buch 8). Gerne berichtet Prokop anlässlich der Kriege auch über die feindlichen Völker, wobei seine Angaben allerdings teilweise vorsichtig behandelt werden müssen. Prokop gehört zu den großen spätantiken Historiographen und schreibt in feinem attischem Griechisch. Dabei scheut er nicht davor zurück, seine eigene Sichtweise deutlich darzulegen. Prokop, der auch noch eine Kirchengeschichte schreiben wollte, starb um 562.

      Von den genannten Werken unterscheidet sich Jordanes dadurch, dass er die Goten in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt. Doch auch bei ihm werden historische Tatsachen dem Ziel, das Volk der Goten (wenigstens im Hinblick auf ihr Alter) ebenbürtig neben Rom zu stellen, untergeordnet.

      1 Das Zitat stammt aus einer Anonymus Valesianus (12,61) genannten lateinischen Schrift eines unbekannten Verfassers, die aus zwei Teilen besteht. Im zweiten Teil wird über die Zeit Theoderichs berichtet; sie entstand in der Mitte des 6. Jahrhunderts.

      2 Joseph Eberle, Lateinische Nächte, S. 202.

ÜBERSETZUNG

      EINLEITUNG IN DAS WERK

       Vorrede des Jordanes an Castalius

      (1) Gerade wollte ich, auf einem kleinen Schiff das Ufer einer ruhigen Küste entlangfahrend, einige kleine Fischlein aus den Teichen der Alten, wie man so sagt, sammeln, da nötigst du mich, Bruder Castalius, die Segel zu setzen und das hohe Meer anzusteuern; und nachdem ich das Büchlein, das ich Händen halte, beiseitegelegt habe,3 nämlich das von der Kurzfassung der Chroniken, überredest du mich, in unserer Sprache die zwölf Bücher des Senators über den Ursprung und die Taten der Goten von den Anfängen bis zur Gegenwart, geordnet nach Generationen und Königen, in einem einzigen kleinen Büchlein zusammenzudrängen. 2 Das ist allerdings ein harter Befehl, und er wird mir gleichsam von einem, der der die Last dieser Mühe gar nicht kennen will, auferlegt. Du nimmst auch keine Rücksicht darauf, dass ich nur einen schwachen Atem habe, um eine so großartige Posaune dieser Sprachgattung zu erfüllen. Zu dieser ganzen Last aber kommt noch, dass ich nicht einmal die Möglichkeit habe, Einblick in diese Bücher zu nehmen, um zu sehen, wieweit ich deren Sinn treffe, sondern dass ich – um nicht zu lügen – einst nur durch die Großzügigkeit eines Bibliotheksaufsehers für kurze Zeit zum Lesen ausgeliehen habe. Gleichwohl erinnere ich mich nicht deren Wortlautes, den Sinn aber und die abgehandelten Themen, glaube ich unversehrt behalten zu haben.4 3 Zu demselben habe ich auch von einigen griechischen und lateinischen Geschichtsschreibern Passendes hinzugefügt, indem ich Anfang und Ende und vieles dazwischen auf meine Weise zusammengemischt habe. Nimm daher ohne Verdruss, was ich ausgearbeitet habe, gerne an, und lies es mit höchstem Vergnügen. Und wenn dir etwas zu knapp dargestellt zu sein scheint und du dich als Nachbar jenes Volkes einer wichtigen Sache erinnerst, so füge sie hinzu, indem Du für mich betest, geliebter Bruder. Der Herr sei mit Dir. Amen.

       Erdbeschreibung

      (1) 4 Unsere Vorfahren stellten fest, wie Orosius berichtet,5 dass der ganze Erdkreis vom Saum des Ozeans umflossen und dreigeteilt ist, und seine drei Teile nannten sie Asien, Europa und Afrika. Dafür, dass die Fläche des Erdkreises dreigeteilt ist, gibt es fast unzählige Zeugnisse von Schriftstellern, die nicht nur die Lage von Städten und Orten erläutern, sondern sogar, was noch deutlicher ist, die Zahl der Schritte und Meilen messen und die in den Meeresfluten gelegenen Inseln bestimmen, die größeren ebenso wie die kleineren, welche sie Kykladen6 oder Sporaden7 nennen, die in der unermesslichen Weite des großen Meeres liegen. 5 Die unerreichbaren äußeren Grenzen des Ozeans zu beschreiben, hat nicht nur niemand je in Angriff genommen, ja sogar sie zu erreichen, war noch niemandem gestattet, weil man den Ozean durch den Widerstand des Schilfgrases und das fehlende Wehen der Winde für undurchdringlich hält und die Ränder noch von keinem betrachtet wurden, außer von dem, der sie erschaffen hat. 6 Das innere Ufer dieses ganzen Meeres aber, von welchem wir gesagt haben, dass es einen Kreis um die ganze Erde bildet, der wie ein Kranz ihre Grenzen umgibt, ist den neugierigen Menschen und


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