G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон
Читать онлайн книгу.kommt. Aber wo blieben in der letzten Zeit Ihre Galoschen? Die Sache ist zu dumm, besonders nach dem, was der Leihhausfritze dazu sagte.«
Währenddem schien der Kutscher des Präsidenten wieder einige Kontrolle über sein Pferdchen erlangt zu haben, und die Verfolger rückten etwas dichter auf – – aber da gings mit einemmal um die Ecke in die Edgeware Road hinein. Und in dieser Straße bestand irgendein Verkehrshindernis, das die Alliierten geradeswegs der göttlichen Vorsehung zuschrieben. Ja, der Verkehr aller Art mußte plötzlich links oder rechts abbiegen oder ganz anhalten – und da hörtest du die Straße herauf jenen unverkennbaren Alarm, der noch allemal – mit tödlicher Sicherheit die Feuerspritze verkündete – die in ein paar Sekunden denn auch unter metallischem Getöse anschwirrte. Aber so schnell (und so bahnfrei) sie hier vorbeiwollte – war Sonntag nicht noch schneller ? Raus aus dem Gab! rauf auf die Spritze! und droben war er! … und dahin war er! . . und du sahst durch den verschwindenden Lärm und auf immer größere Entfernung, wie er den erstaunten Spritzenmännern irgend etwas auf das Eindringlichste vorgestikulierte …
»Ihm nach! Ihm nach!« heulte Syme. »So kann er nicht vom Weg mehr ab! Das ist doch über allen Zweifeln eine … Feuerspritze!«
Also peitschten die drei Kutscher, die einen Moment lang verdutzt waren, neu auf ihre Rößlein ein und verringerten sichtlich wieder den Abstand zwischen ihnen und ihrer fast verschwundenen Beute. Der Präsident aber, der erkannte die zunehmende Nachbarschaft förmlich an, indem er sich nach dem rückwärtigen Ende seines Wagens verfügte, wiederholt sich verbeugte, Handküsse austeilte und schließlich eine zierliche gefaltete Nota dem Inspektor Ratcliffe zwischen sein Vorhemdchen warf. Der Empfänger entfaltete es – nicht ohne Ungeduld – und las die Worte:
»Jetzt weicht, jetzt flieht! Die Wahrheit über Ihre Hosenstrecker – etsch! – ist an den Tag gekommen! – Ein Freund.«
Die Feuerspritze strebte derweil unentwegt dem Norden zu; in ein Viertel, das die Sechse nicht wiedererkannten. Wies aber nun ein hohes, von Bäumen überschattetes Gitter lang ging, war das Halbdutzend Freunde auf ein neues bestürzt und zugleich doch wieder froh: wie nämlich der Präsident von der Feuerspritze herabsprang (wenn du gleich nicht sehen konntest, ob ers nun aus Laune tat, oder ob ihn der wachsende Protest seiner unfreiwilligen Gastgeber dazu gezwungen hatte), genug – gleichviel – er sprang herab … aber ach! eh die drei Cabs noch die Stelle erreichten, hatte Sonntag, wie eine große graue Katze, den hohen Zaun genommen – und verschwand hinter dem dunklen Grün … wie in grüner Nacht. Syme ließ wütend halten, sprang ab und kletterte gleichfalls übern Zaun. Als er aber erst mit einem Bein drüben war und seine Freunde ihm nachkamen, wandte er sich mit dem Gesicht noch einmal zu ihnen – und das schien ganz weiß durchs Grün her.
»Was kann das bloß für ein Ort sein?« fragte er. »Könnts nicht am Ende das Haus von diesem alten Teufel sein? Ich hörte einmal, daß er ein Haus hier im Norden hätte.«
»Desto besser«, erwiderte der Sekretär grimmig und stützte seinen Fuß auf eine Stütze auf, »dann werden wir ihn doch zu Hause finden.«
»Aber nein, nein, das ist es nicht«, sprach Syme und runzelte die Stirn. »Ich hör die fürchterlichsten Geräusche … als ob Teufel durch wirklich teuflische Nasen lachen, rotzen, nießen und kotzen würden!«
»Das sind seine Hunde … und die husten vielleicht«, sprach der Sekretär.
»Ich huste Ihnen gleich auch was!« schrie da Syme wütend. »Husten! Warum nicht gleich behaupten, daß seine Küchenschaben husten! Schnecken husten! Geranien husten! … Haben Sie vielleicht jemals nen Hund so husten hören?« Und er hielt die Hand auf. Und da erscholl aus dem Dickicht ein langes, brummendes Brüllen, das dir wie unter die Haut kriechen und dir alles Fleisch frieren machen wollte – ein langes durchdringendes Brüllen, das die Luft um dich herum hörbar schlagen machte.
»Die Hunde vom Sonntag werden schon keine gewöhnlichen Hunde sein«, meinte Gogol und schauderte.
Syme schwang sich endlich vollends über das Gatter. Und blieb aber noch einmal stehen und lauschte voller Ungeduld – »Was? Hören Sie sich das an!« sprach er, »ist das ein Hund, was? Ist das von irgend jemandem ein Hund, was?«
Da erfüllte ein mißtönendes Schrillen ihre Ohren, das gerade wie ein Protest klang und wie aus irgendeiner jähen Qual laute Klage erhob. Und dem antwortete dann fern wie ein Echo etwas, das wie ein nasaler Trompetenton war.
»Sein Haus muß zur Hölle!« schrie der Sekretär, »und wenn es gleich die Hölle selber wär – ich geh hinein!« und er nahm den Zaun mit einem Satz.
Die andern nach … Man arbeitete sich durch ein Gewirr von Busch-und Staudenwerk – und gelangte hernach auf einen gebahnten Weg. Nichts in Sicht; da schlug Dr. Bull plötzlich seine Hände zusammen.
»Schafsköppe!« schrie er, »aber das ist doch der Zoo!«
Und wie sie sich nun wild nach einer Spur ihres Ausreißers umsahen, kam ein Wärter in Uniform, gefolgt von einem Menschen in schlicht bürgerlichem Gewand, den Pfad dahergelaufen.
»Kam er hier vorbei?« japste der Wärter.
»Wer – hier?« fragte Syme.
»Der Elefant, Herrgott!« schrie der Wärter. »Ein Elefant ist wild geworden und ausgebrochen!«
»Mit einem alten Herrn auf dem Rücken ausgebrochen!« sagte der andere atemlos. »– einem armen alten Herrn mit weißem Haar!«
»Wie sah der arme alte Herr sonst noch aus?« forschte Syme – von einer plötzlichen Neugierde getrieben.
»Ein sehr großer und dicker, alter Herr … lichtgrauen Anzug an …« sagte der Wärter eifrig.
»Nun«, sagte Syme, »wenn es ein solcher alter Herr ist – nämlich, wenn Sie ganz sicher sind, daß es ein sehr großer, dicker, alter Herr ist – dann können Sie mir auf mein Wort glauben, dann geb ich Ihnen mein Ehrenwort, daß der Elefant … nicht mit ihm davongelaufen ist. Sondern er ist mit dem Elefanten davongelaufen. Der Elefant ist nicht von Gott erschaffen, daß er mit ihm davon hätte laufen können, außer der Mann war mit solchem böswilligen Verlassen mehr als gutwillig einverstanden. Und … Dunnerkiel, da is er!«
Und da konnte auch schön kein Zweifel mehr sein. Ueber den Graswasen kam in einer Entfernung von 200 Yards etwa – eine kreischende, ganz nutzlos nachstolpernde Menschenmenge ihm auf den Fersen – ein riesiger grauer Elefant dahergerannt, mit einem Rüssel so steif als wie das Bugspriet eines Schiffes und trompetend als wie die Trompete zum jüngsten Gericht. Auf dem Rücken aber des brüllenden, trampelnden Viehs saß Präsident Sonntag mit der Würde eines Sultans – nur daß er das Untier mit irgendeinem scharfen Gegenstand in seiner Hand zu einem wütenden Galopp anstachelte.
»Aufhalten, aufhalten!« brüllte das Publikum. »Der rennt sonst das Gatter ein!«
»Halten Sie einen Bergsturz auf, wenn Sie können!« schrie der Wärter. »Jawoll – – da wär er glücklich durchs Gatter durch!«
Und ein heilloses Krachen und ein unbändiger Schrei: – der riesige graue Elefant war aus dem Gatter des Zoologischen Gartens ausgebrochen und galoppierte nun die Albany Street als wie ein neuer, schnellerer Omnibus hinunter.
»Allmächtiger Himmel!« schrie Bull, »ich hätte nie geglaubt, daß ein Elefant so sehr rennem könnte … Ja, nun müssen wir also wieder eilends Taxameter fahren, wenn wir ihn einigermaßen im Auge behalten wollen…«
Und sie stürmten durch das Loch hinaus, das ihnen der Elefant gemacht hatte – und Syme erlebte derweil ein schreiendes Panorama all der exotischen Tiere in den Käfigen, an denen sie vorüberrannten. Späterhin kams ihm direkt wunderlich vor, daß er all das so deutlich gesehen haben sollte. Er erinnerte sich dann insonders einiger Pelikane – und ihrer unnatürlich hängenden Gurgeln. Und wunderte sich, daß der Pelikan das Symbol der christlichen Liebe vorstellen sollte … außer es wäre so gemeint: daß schon ein gut Teil Christenliebe dazu gehöre, so einen Pelikan überhaupt zu bewundern. Und erinnerte sich außerdem noch eines Nashornvogels,