Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
Читать онлайн книгу.legt stöhnend die Hand vor die Augen. Wie soll er jemals aus der Unruhe seines Herzens herauskommen? Er hat sich in diese Liebe verrannt. Er hat sich heftig gewehrt, als sie immer mehr Raum in ihm gewann, und heute ist er soweit, daß er bereit ist, ihr zu unterliegen.
Ich kann nicht… und ich darf nicht…, hämmert er sich ein. Aber nur sein Verstand spricht so. Sein Herz hat seine eigene Sprache. Es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, da sie alle Vernunft übertönen wird.
*
Das schlechte Novemberwetter hält an, und Gert holt Inka noch vielmals vom Geschäft ab. Manchmal telefoniert Inka ihm ab, weil sie sich vor einem Alleinsein mit ihm fürchtet. Dann treibt ihn die Unruhe und auch die Eifersucht dennoch vor das elegante Geschäft mit den breiten Schaufenstern und ihren kostbaren Auslagen.
Sie verleben Stunden der Zweisamkeit, während der Regen gegen die Scheiben prasselt und das Haus angenehm erwärmt ist und einem kosigen Nest gleicht.
Mit Riesenschritten naht das Weihnachtsfest. Sie warten heimlich, jeder auf seine Art, auf eine Nachricht von Leonore, daß sie endlich heimkehrt. Doch diese Nachricht bleibt aus.
So stürzen sie sich beide in die Vorbereitungen und stecken Doris damit an. Das Haus duftet nach Weihnachtsgebäck. Überall sind Tannenzweige in die Vasen verteilt.
Leonore hat es sich ziemlich leicht gemacht, indem sie ihren Angestellten ein Monatsgehalt als Weihnachtsfreude übersandte.
Inka geht noch einen Schritt weiter. Sie errät heimliche Wünsche der Angestellten, der Sekretärin Bockwoldts, der Verkäuferinnen und Verkäufer. Für jeden kauft sie ein persönliches Geschenk. Alles hat sie vorher mit dem Prokuristen besprochen und seine volle Zustimmung erhalten.
Dann denkt sie an ihre persönlichen Einkäufe. Für Doris, für das Hausmädchen Lilli, für den Gärtner, der nicht im Hause wohnt, aber den größten Teil seines Lebens in dem Haus in Blankenese zubringt. Doris hat auch in der Zeit, da es im Garten nichts für ihn zu tun gibt, Arbeit für ihn.
Und dann sinnt sie über ein Geschenk für Gert nach. Sie zerbricht sich fast den Kopf darüber. Kleinigkeiten hat sie schon besorgt, seine Lieblingssorte Zigaretten, einen modernen Schlips, ein Paar Schweinslederhandschuhe. Aber alles dünkt ihr nicht gut genug für ihn, bis sie durch Bockwoldt auf einen Gedanken gebracht wird.
Gert ist ein großer Tierfreund. Leonore war es, die Tiere nicht im Hause haben wollte. Bockwoldt hält ihr eine Zeitung unter die Nase. »Lesen Sie mal, Fräulein Inka. Wäre das nichts für Herrn Wendhoff?«
Und Inka liest: »Junger Schäferhund, acht Wochen alt, zu verkaufen.«
Sofort macht sie sich auf den Weg, und sie kehrt wirklich nach zwei Stunden mit einem schönen, jungen verspielten Tier zurück.
»Den Namen soll er dem Tier selbst geben«, strahlt Inka. »Den Stammbaum habe ich auch bekommen. Ist es nicht ein sehr schönes Tier?«
Sie drückt das Knäuel mit dem seidigen Fell an ihre Brust. Doris bekommt den Hund bis zur Bescherung zum Aufbewahren. Sie stellt das Tier mit seinem Korb in die Heizung, und der Gärtner muß es bewachen.
Am Nachmittag verläßt Inka eine Stunde früher als die Angestellten das Geschäft. Sie hat glühende Wangen und ist glücklich wie selten. Hat sie doch viel Freude mit ihren heimlich erratenen Wünschen erlebt.
Gert holt sie ab. »Na, fertig für ein paar Tage?« begrüßt er sie. Er ist selbst wie ein großes Kind und voll heimlicher Erwartung.
Es ist klirrend kalt. Die Bäume ächzen unter der schweren Schneelast. Gert, der an der Elbe entlangfährt, macht sie immer wieder auf etwas Schönes aufmerksam.
»Das richtige Weihnachtswetter«, bemerkt Gert. Der Name Leonore fällt nicht zwischen ihnen, aber er steht wie ein Schutzwall da und ist nicht zu überwinden.
»Es sind zwei Pakete von der gnädigen Frau gekommen«, werden sie von Doris empfangen, die bereits im schwarzseidenen Kleid und blendendweißer Schürze Wendhoff und Inka begrüßt und ihnen beim Ablegen der Garderobe hilft.
»Es ist alles bereit. In einer halben Stunde kann gegessen werden«, sagt sie noch.
Inka saust die Treppe empor. Da steht ein Riesenkarton. Sie öffnet ihn, und vor ihr liegt ein weißer Pelzmantel aus flockigen, wertvollen Fellen mit angeschnittener Kapuze.
Inka steht mehr erschrocken als erfreut vor diesem Prachtstück. Mutti hat sie auch in der Ferne – oder wo sie sein mag – nicht vergessen. Und sie kann ihr gar keine Freude machen, nur weil sie sich in Stillschweigen und Geheimnisse hüllt.
Doch dann siegt ihre jugendliche Neugier. Sie schlüpft in den Mantel, findet sich wunderschön darin und dreht sich nach allen Seiten, um die Wirkung auszuprobieren.
Am liebsten würde sie ja hinunterlaufen zu Gert und sich vorstellen, doch dazu ist immer noch Zeit. Vielleicht morgen, da sie einen weiten Spaziergang durch den Schnee machen wollen?
Auch Gert betrachtet betroffen seine Geschenke. Aber ihn friert dabei. Eine sehr wertvolle Uhr, ein Siegelring aus schwerem Gold. Sonst nur ein kurzer Kartengruß. Nichts weiter.
Seine Uhr, die ihm in allerschwerster Zeit treu die Stunden verkündet hat, ist ihm lieber. Wie ein guter Kamerad kommt sie ihm vor; Kummer, Herzeleid, enttäuschte Hoffnungen und den langsamen Aufstieg hat sie miterlebt.
Er ist maßlos enttäuscht, daß Leonore wieder nicht gekommen ist.
Dach sogleich weist er sich selbst zurecht. Wäre er nicht viel enttäuschter, wenn die vorbereitete Weihnachtsfeier, die er allein mit Inka begehen wird, durch ihr Dazwischen-kommen gestört würde?
Er hat bereits im Salon den Weihnachtstisch gedeckt, die zusammen mit Inka ausgewählten Geschenke für das Personal, und abseits auf einem Tisch diejenigen für Inka, die
er sorgsam mit einem Tuch verhüllt hat.
In der Halle vor dem Kamin ist der Tisch für Gert und Inka zum Abendessen gedeckt. Feierlich brennen Kerzen. Tannenduft zieht durch den warmen Raum. Er selbst trägt den Abendanzug und Inka das weiße Kleid, das sie zu Schnitzlers Gartengesellschaft trug.
Auch das Personal hat sich zum Essen zurückgezogen. Inka und Gert ist es zumute, als seien sie allein auf der Welt. Ein entrückter, fast feierlicher Ausdruck liegt auf Inkas Zügen. Geheimnisvoller denn je leuchten die dunklen Augen im Kerzenlicht. Sie bedient Gert mit aller Aufmerksamkeit, und wieder kann er das anmutige Spiel ihrer Hände beobachten. Er muß sich beherrschen, seine heißen Lippen nicht auf diese schönen Hände zu drücken.
Es gibt ein vorzügliches Weihnachtsessen. Eine kleine Vorspeise, Suppe, gefüllte Gans. Zum Nachtisch Ananas mit Sahne und dann Mokka, den Inka selbst zubereitet.
»Jetzt streike ich.« Sie läßt sich auf ihren Sitz zurückgleiten und preßt die Hand gegen den Magen.
»Gleich beginnt die Bescherung.« Er drückt auf den Klingelknopf und bittet die Angestellten in den Salon. Mit Hilfe Lillis wird der Tisch abgeräumt. Alles geschieht in Eile und unter Lachen und Scherzen.
Gert geht voraus und zündet den Baum an, dann setzt er die Klingel in Bewegung. Inka, selbst wie ein Weihnachtsengel anzusehen, erscheint mit dem Personal. Wieder Freude, Tränen und viele Dankesworte. Zögernd kommt Inka mit ihren Geschenken, und während er sie sich besieht und von jedem Geschenk gerührt ist, eilt sie davon und kehrt mit dem Körbchen zurück.
»Das habe ich mir als besondere Überraschung ausgedacht.«
Gert hört leises, gemütliches Knurren und sieht in ein paar wunderschöne Hundeaugen. Er bricht in helles Gelächter aus. Der verblüfften Inka drückt er den Korb in die Hand und läuft wie ein Junge davon. Wenig später drückt er Inka ein fast gleichartiges Körbchen in die Hand und nimmt ihr das für ihn bestimmte wieder ab.
Auf weicher Decke ruht ein süßer Dackel mit rotbraun glänzendem Fell, den schmalen Kopf hält er schief und betrachtet sich aufmerksam seine neue Herrin. Er schnuppert an ihrer Hand, läßt schnell die kleine Zunge zärtlich