Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

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Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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hockt sich auf die Couch. Langsam bricht die Dämmerung herein. Leonore rührt sich nicht. Nur die Gedanken hetzen wie wilde Tiere hinter ihrer Stirn. Gert und Inka! Inka und Gert! Alles, was sie in den letzten Monaten gelitten hat, ersteht neu vor ihren Augen und macht ihre innere Not noch größer.

      Sie weiß nicht, wie lange sie im Dunkeln, hilflos ihren Gedanken preisgegeben, in der Ecke gekauert hat. Doris kommt, dreht das Deckenlicht an und fährt schreckhaft zusammen, als sie die Herrin in zusammengesunkener Haltung bemerkt.

      »Gnädige Frau?«

      Langsam hebt Leonore den Kopf. Doris blickt in ein paar erloschene Augen. »Ja«, flüstert sie.

      »Herr Wendhoff läßt sein Bett in seinem Arbeitszimmer aufschlagen«, berichtet Doris mit trauriger Stimme, in der Tränen schwingen.

      Matt winkt Leonore ab. »Es ist gut, Doris. Pack meine Koffer aus und richte mir ein Bad.«

      Doris verläßt den Raum wieder, der nunmehr in grelles Licht getaucht ist. Leonore friert. Das muß wohl von innen kommen.

      Wie zerschlagen an Leib und Seele fühlt sie sich, als sie später die Treppe emporsteigt und vor Inkas Zimmer haltmacht.

      Die Tür ist verschlossen. Sie klopft herrisch. Ein leichter Schritt, und Inka steht im Rahmen.

      »Ich muß mit dir sprechen, Inka.« Sie geht an der verstörten Tochter vorbei und lehnt sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch. Sie sieht in ein verweintes Gesichtchen, in ängstliche Kinderaugen. Ihr Mund verzieht sich verächtlich. In dieses Kind hat Gert sich verliebt? Niemals kann es die tiefe Liebe sein, die sie für Gert empfindet. Deshalb wird sie auch um Gert kämpfen.

      »Gert hat mir alles erzählt.« Sie unterbricht sich, als sie Inkas schreckhaftes Zusammenzucken bemerkt. »Du glaubst doch nicht etwa, daß ich Gert freigebe… für dich?«

      Inka hebt die Hände in einer rührend hilflosen Bewegung.

      »Verzeih, Mutti, daß ich dir weh tun mußte. Aber wir lieben uns. Es kann doch kein Verbrechen sein, dieses tiefe Gefühl. Alle Gefühle, die unser Herz bewegen, sind doch von Gott…«

      »Du bist überspannt«, höhnt Leonore. Kein Gefühl des Mitleids mit Inka lebt in ihr. »Wenn jedes Gefühl von Gott ist, dann ist auch Haß gottgewollt.«

      »Mutti!« Entsetzt fährt Inka zurück. »Du kannst mich doch nicht hassen… mich, deine Tochter?«

      »Aber du kannst mir den Mann rauben, den ich unendlich liebe, du Dirne«, schleudert Leonore, die jede Haltung verloren hat, ihrer Tochter entgegen. Inka legt ihre Hände vor das Gesicht und stöhnt tief auf. Erbarmungslos dünkt ihr die Stimme der Mutter, und sie konnte so zärtlich sein.

      »Du verläßt dein Zimmer nicht, hörst du? Du gehst auch morgen nicht ins Geschäft. Du bist noch nicht mündig und hast dich meinen Anordnungen zu fügen. Morgen sprechen wir weiter.«

      Ein rascher Schritt, der sich entfernt, eine Tür schlägt ins Schloß, und in Inkas Ohren dröhnt es förmlich: »Dirne – Dirne!«

      Wie soll sie Gert jemals wieder unter die Augen treten? Will Mutti sie einsperren? Sie geht auf weichen Teppichen durch das Zimmer, aber die Glieder gehorchen ihr kaum. In ihrem Kopf ist ein heilloses Durcheinander.

      Wohin soll sie flüchten? Wohin mit ihrer Not? Gert darf sie jetzt auf keinen Fall sehen. Er muß selbst mit sich ins reine kommen.

      Wie ein Blitz kommt ihr die Erleuchtung. Zu Reinhold Schnitzler! Er weiß um alle Dinge, die Mutti angehen, Bescheid. Er wird ihr weiterhelfen.

      Wie ein Dieb, nur mit einem Handkoffer, schleicht sie sich aus dem Haus, dann hetzt sie durch das Dunkel der aufziehenden Nacht.

      Sie fühlt nicht den eisigen Wind, nicht die Tränen, die unaufhörlich ihre Wangen netzen.

      *

      Reinhold Schnitzler, die kraftvolle Gestalt in einen bequemen Hausrock gehüllt, sieht mitleidig auf Inka hinab. Er sieht das Zucken des schlanken Körpers, der vom Weinen geschüttelt wird.

      »Du kannst bei mir bleiben, Kind«, sagt er väterlich gütig, selbst bis ins Innerste aufgewühlt durch Inkas Beichte. Was er geahnt hat, was er zu Leonores Gunsten vermeiden wollte, ist eingetreten. Und er trägt vielleicht die größte Schuld an dieser Tragödie. Voll guten Willens, zu helfen, hat er Inka »Du« genannt. Weder ihm noch Inka kommt es zum Bewußtsein.

      »Höre auf, Inka, du weinst dir noch die Seele aus dem Leibe. Dadurch wird nichts gewonnen. Also wie ist es? Willst du bei mir bleiben, bis ich mit deiner Mutter gesprochen habe?«

      Sie richtet sich etwas auf. »Wenn Sie meinen, bleibe ich gern«, schluchzt sie. »Aber daß es mit Mutti je wieder gut werden wird, glaube ich nicht. Ich habe mich schrecklich benommen. Verdammen Sie mich auch, Herr Schnitzler?«

      Er zündet sich eine Zigarette an, um Zeit zu gewinnen.

      Neben ihr läßt er sich nieder, den Blick zu Boden geheftet.

      »Verdammen? Welcher Mensch hätte schon das Recht, über den anderen zu urteilen… oder ihn gar zu verdammen? Deine Mutter ist hintergangen worden und fühlt sich im Recht.«

      Inka fährt mit einem kleinen Laut empor. »Hat denn die Jugend kein Recht, glücklich zu sein?«

      »Liebes Kind, ich glaube nicht, daß du zu den Menschen gehörst, die ihr Glück auf dem Unglück anderer aufbauen möchten. Die Verirrung kann ich verstehen, sehr gut sogar. Leonore trägt auch einen Teil Schuld daran, daß die Liebe zwischen euch aufkommen konnte. Glaube nicht, daß ich Moral predigen will, Kind. Ich hänge in der ganzen Geschichte auch mit drin, denn ich gab deiner Mutter den Rat, nach Amerika zu fahren.«

      Riesengroß erscheinen die Augen in Inkas Gesicht. »Nach Amerika?« wiederholt sie ungläubig. »Aber warum ist sie allein gefahren?«

      »Hat sie dir das nicht gesagt?« fragt er, ärgerlich über sich selbst, daß er nahe daran war, sich Leonores Geheimnis entreißen zu lassen.

      »Nein, das haben wir nicht gewußt.«

      »Dann werde ich auch über den Grund schweigen müssen. Das ist einzig und allein Angelegenheit deiner Mutter.«

      Inka grübelt vor sich hin. Nein, jetzt kennt sie sich überhaupt nicht mehr aus! Das Telefon klingelt in diesem Augenblick, und Inka zuckt ängstlich zusammen. Sie begegnet Schnitzlers Augen und glaubt zu ahnen, wer am Apparat ist, noch ehe er es ausspricht. »Paß auf, das ist deine Mutter.«

      Aber es ist nicht Leonore, sondern Gert Wendhoff. Schnitzler hört die sonore Stimme, die voller Aufregung ist und voller Angst.

      Inka sitzt wie erstarrt. Jedes Wort trinkt sie in sich hinein.

      »Doch, Inka ist bei mir.« Schnitzler hört ein erlöstes: »Gott sei Dank. In einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«

      Ehe Schnitzler antworten kann, macht es »klick« im Apparat. Wendhoff hat den Hörer aufgelegt. Bedächtig legt auch Schnitzler den Hörer in die Gabel.

      »Wendhoff«, sagt er zu Inka. »Er kommt hierher. Entschuldige einen Augenblick, ich ziehe mir nur einen Rock über.«

      Inka läßt sich wieder zurücksinken. Er kommt! Mein Gott! Er kommt!

      *

      Indessen hat sich eine erregende Szene zwischen Leonore und Gert abgespielt.

      »Du hast Inka aus dem Haus getrieben«, wirft er ihr vor, seiner kaum mehr mächtig, nachdem er weiß, daß sie Inka verboten hat, das Haus zu verlassen und sie eine Dirne genannt hat.

      »Hast du etwa eine andere Bezeichnung für ein Mädchen, das einen Ehebruch begeht?« schreit sie ihm entgegen.

      »Jetzt geht es nicht um uns, es geht um das junge Menschenkind. Was soll aus Inka werden? Wohin wird sie gelaufen sein? Wir beide, du und ich, sind für das Mädchen verantwortlich. Es ist jung, und in dem Herzenskonflikt, in den sie gerissen wurde, könnte sie eine nie wieder gutzumachende Dummheit begehen.«

      Ganz


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