Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

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Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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hörst du mich? Inka! Inka!«

      Sie spürt einen leichten Schlag, und da gelingt es ihr, die Augen zu öffnen. Ihr Auge ruht auf irgendeinem Punkt an der hellen Decke. Viel Licht ist um sie, eine Stimme und lautes Schluchzen. Wer weint hier? Warum weint man? Wie ein Blitz kommt ihr das Bewußtsein zurück und damit die Erinnerung. Sie suchte einen Ausweg aus allem Herzeleid, und nun war es ihr doch nicht gelungen. Man zwang sie, weiter dieses Leben zu ertragen.

      »Inka, Gott sei Dank!«

      »Jürgen«, flüsterte sie.

      Leonore wagt keinen Blick an das Krankenbett ihrer Tochter. Als Bergen ihr ein Zeichen macht, ihn mit Inka allein zu lassen, geht sie wortlos hinaus.

      »Schwester, würden Sie bitte hier warten? Vielleicht braucht Doktor Bergen Sie noch?«

      »Wenn es Sie beruhigt, gnädige Frau«, erwidert die schon ältere, erfahrene Schwester Magdalena. »Ich werde im Nebenzimmer warten.«

      Dankbar nickt Leonore und setzt sich geduldig auf eine der Bänke im Flur.

      Leise, jedes Geräusch vermeidend, betritt Schwester Magdalena das Nebenzimmer, sieht durch den schmalen Spalt das Bett der Patientin und davor auf einem Stuhl Doktor Bergen. Sie hört, wie er liebevoll auf sie einspricht.

      Sie dreht den schönen Kopf etwas zur Seite. Heiß quillt es unter den dichten Wimpern hervor. Ihr Mund zuckt. »Warum habt ihr mich nicht sterben lassen? Für mich gibt es überhaupt keinen anderen Ausweg – keinen – keinen!« schreit sie ihn förmlich an.

      Er legt seine Hand auf ihre ruhelosen Finger. »Doch, Inka, es gibt einen Ausweg. Du bist nur zu anständig, ihn gehen zu können.«

      Groß, rätselhaft sieht sie ihn an. »Du irrst, Jürgen – ich habe mein Leben verspielt…«

      »Und – und an das andere hast du nicht gedacht, das du mit vernichten wolltest?«

      Sie hält den Atem an. Er weiß alles, auch das Letzte, Entscheidende. Sie wirft sich ruckartig auf die andere Seite und verharrt reglos.

      Bergen neigt sich tiefer zu ihr hinab.

      »Inka – willst du meine Frau werden?«

      Inka stutzt. Die Worte hängen in der Luft, sie können für sie die wirkliche Lösung aus ihrem Herzenskonflikt bedeuten. Aber ob für Jürgen Glück? Sie schämt sich unsagbar vor seiner Großherzigkeit. Wie feige sie dagegen war!

      »Inka!« Immer tiefer dringt ihr die Stimme ins Herz. »Keiner wird erfahren, daß dieses Kind nicht das meine ist. Nur du und ich wissen darum. Ich will es mit meinem Namen decken und dir deine Ruhe wiedergeben.«

      Langsam wendet sie sich wieder um. Seine Augen leuchten, wie von innen heraus erhellt. »Und meine Achtung, Jürgen? Kannst du die mir auch zurückgeben? Willst du nicht wissen, wer der Vater ist?«

      »Nein!« sagt er mit großer Entschiedenheit. »Es ist dein Kind. Das allein gilt. Später wird es auch das meinige sein. Meine Achtung hast du auch jetzt nicht verloren. Genügt dir das – und mein Schwur, keiner wird es erfahren, was uns zusammenführte?«

      Gert ist weit, weit fort. Er wird zurück zu Leonore finden. Sie braucht nicht mit dem Makel herumzulaufen, Leonore den Mann genommen zu haben. Ganz bestimmt werden sie wieder zueinander finden.

      Eigentlich bestimmt ihr Handeln nur dieser Gedanke.

      »Wenn du mich so nehmen willst?« Mit großen Augen forscht sie in seinen sich erhellenden Zügen.

      Leicht preßt er als Antwort seine Lippen auf ihren blassen Mund. Er lächelt, als er sich wieder aufrichtet.

      »Ich nehme dich, so wie du bist. Inka. Du mußt mich schon nehmen, weil ich Arzt bin und immer über dich wachen kann, damit du eine solche Dummheit nicht noch einmal begehst. So, Liebes, versuche etwas zu schlafen. Oder darf deine Mutter zu dir kommen? Ich werde ihr gleich unsere Verlobung am Krankenbett mitteilen. War sie nicht tragisch und romantisch zugleich?«

      Der Schatten eines Lächelns entsteht um Inkas Mund. Sie nickt ihm zu. Die Kehle ist ihr wie zugeschnürt. Sie schließt die Augen.

      Vielleicht ist doch alles nicht so schlimm? Man muß nur mit den Augen der Liebe sehen, dann findet man wohl aus aller Herzensnot einen Ausweg. –

      Draußen geht Doktor Bergen mit schnellen Schritten auf Leonore zu. Sie springt auf, die Hände zusammengepreßt.

      »Nun?« fragt sie nur, dann geht es wie ein Schwanken durch ihren Körper. Bergen umfängt sie. Es ist eine momentane Schwäche, hervorgerufen durch das strahlende Lächeln des jungen Arztes, der ihr damit ihre Ruhe zurückgibt und die Reaktion auf die ungeheure Nervenanspannung der letzten Stunden auslöst.

      »Es geht ihr gut, gnädige Frau. Aber lange werden Sie Inka nicht behalten dürfen…«

      »Ich verstehe nicht…« Schon setzt das Hämmern ihres Herzens wieder ein.

      »Wir haben uns verlobt, gnädige Frau, und bitten um Ihren Segen. Inka erwartet Sie. Kommen Sie, lassen wir sie nicht länger zappeln.« Kein Wort spricht er darüber, warum Inka zu diesem Verzweiflungsschritt gezwungen war. Und er weiß nicht, was in diesem Augenblick in Leonore vorgeht.

      Sie opfert sich für mich. Eine Welle der Liebe und Zärtlichkeit durchströmt sie. Und zum erstenmal kommt ihr auch der Gedanke: War ich der Egoist? Wäre ich nicht, wenn Inka nun nicht gerettet worden wäre, über dieses junge Menschenherz hinweggeschritten?

      Bergen hat ihr seinen Arm geboten. Sie fühlt sich elend, körperlich und seelisch. Aber sie wird auch das Letzte noch durchstehen.

      Sie kniet vor Inkas Bett nieder und umarmt sie. Jürgen ist von dieser Geste so erschüttert, daß er die beiden Frauen allein läßt. Mutter und Tochter werden sich wohl jetzt viel zu sagen haben.

      *

      Lieber Gert!

      Etwas Furchtbares hat sich hier abgespielt, das ich Dir nicht vorenthalten darf – und doch hat sich alles zum Guten gewendet. Inka wollte ihr Leben fortwerfen. Jürgen Bergen hat sie gerettet. Sie sind verlobt. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder unglücklich darüber bin. Inka opfert sich für mich! Ob diese Tatsache Dich mir noch mehr entfremdet – oder ob wir die Lehre daraus ziehen wollen, überlasse ich ganz Dir.

      Herzlichst, Leonore.

      Diesen Brief kuvertierte Leonore. Sie hat einige Stunden wie tot geschlafen und sich endlich zu dieser Mitteilung an Gert durchgerungen.

      Warum soll Inka mit Jürgen nicht glücklich werden? Noch nie hat sie dem jungen Arzt, den sie schon als überaus klugen und fröhlichen Jungen kannte, so viel Warmherzigkeit und Würde zugetraut. Mit keinem Wort hat er Inkas Verzweiflungstat gestreift. Auch nach dem Grund nicht. Und sie wird sich hüten, darüber zu sprechen. Wenn Inka schon das Opfer gebracht hat, dann soll es auch nicht umsonst getan sein.

      *

      Als Gert Wendhoff, der sich wie ein Wütender in die Arbeit gestürzt hat, diesen Brief erhält, lähmt er ihm zunächst die Glieder. Noch kann er den Sinn nicht richtig erfassen. Immer wieder liest er den Brief, Wort für Wort, bis sie sich wie glühendes Eisen in seine Brust bohren.

      Inka hat ihr junges Leben fortwerfen wollen, weil er zu feig war, zu handeln. Er hat die Frau, der er Dankbarkeit schuldig ist, nicht in eine hoffnungslose Verzweiflung stürzen wollen. Nach und nach hätte er ihr klargemacht, daß seine Liebe zu Inka viel zu tief ist, um ihrer zu entsagen. Aus Anständigkeit und um Leonore das Gefühl zu geben, sie seien faire Gegner, hat er nicht ein einziges armseliges Wort an Inka gerichtet. Sie hat vielleicht tief im Herzen darauf gewartet? Aber war es nicht eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ihnen, wie sie sich oft stillschweigend verstanden haben?

      Stöhnend birgt er das Gesicht in den Händen. Inka hat mit einem Schlag die Lage geklärt, indem sie sich in die Ehe mit Jürgen Bergen flüchtet.

      Er ist von dieser Tatsache wie zerschmettert. Damit hat sie das Todesurteil ihrer Liebe gesprochen.

      Er lacht


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