Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.und mehr lösten sie durch ihre fortwährenden Aufstände die Zucht des Staates, sodass sie alles, worüber sich früher die heftigsten Kämpfe erhoben, mit der Zeit zwar nicht ohne Widerstand, aber doch ohne viel Schwierigkeit durchsetzten. Dion bemerkt: »Deshalb erwähnte ich ihn, obgleich ich sonst keine Abschweifungen liebe, und schrieb die Olympiade dazu, damit die den meisten unbekannte Zeit der Wanderung daraus deutlicher hervorgehe.
67. Im Jahr der Stadt 378 (376 v.Chr.)
Publius [Manlius] hätte den Parteikampf der Römer beinahe beschwichtigt. Denn er wählte [als Diktator] den Licinius Stolo, einen Plebejer, zu seinem Reiterobersten. Diese Neuerung verdross zwar die Patrizier, gewann aber die anderen in dem Maße, dass sie für das folgende Jahr nicht auf dem Konsulat bestanden, sondern Kriegstribunen wählen ließen. Da sie hierauf auch in anderen Stücken einander nachgaben, so hätten sie sich vielleicht gänzlich ausgesöhnt, wenn sie nicht der Volkstribun Stolo durch das Sprichwort, wer nicht äße, der sollte auch nicht trinken, beredet hätte, von nichts abzustehen, sondern alle ihre Forderungen als unerlässlich durchzusetzen.
68. Marcus Curtius. 393 (361 v.Chr.)
Als sich durch ein Erdbeben in Rom auf dem Markt ein Schlund öffnete, sollte sich nach einem Sibyllinischen Spruch der Schlund schließen, wenn das Kostbarste auf Erden in denselben hineingeworfen würde. Da nun viele, die einen diese, die anderen jene Kostbarkeiten hinabwarfen und der Schlund sich immer noch nicht schloss, so erklärte Curtius, an Leib und Geist der trefflichste Mann, dass er den Sibyllenspruch besser als die anderen verstünde, denn der kostbarste Schatz für die Stadt sei des Mannes Tapferkeit; damit legte er sich die Waffen an, bestieg sein Schlachtross und sprengte mit unverwandtem Gesicht in den Abgrund hinab; da schloss sich die Erde; er aber wird als Heros verehrt.
Im Konsulat des Quintus Servilius öffnete sich mitten auf dem Markt ein Erdschlund. Als die Römer aus den Sprüchen der Sibylle ersahen, dass die Erde sich schließen werde, wenn das Kostbarste auf Erden in den Schlund geworfen würde, so brachten die einen Gold, die anderen Silber, andere Früchte, wieder andere anderes, als das Kostbarste herbei und glaubten so dem heiligen Spruch zu genügen; da aber nichtsdestoweniger der Schlund geöffnet blieb, so erklärte Curtius, der schönste und trefflichste Mann, dass er den Sibyllenspruch besser als die anderen verstünde. Denn der kostbarste Schatz für die Stadt sei des Mannes Tapferkeit, und diese fordere der Orakelspruch. Mit diesen Worten legte er sich die Waffen an und bestieg sein Schlachtross, und während alle staunten, sprengte er unverwandt in den Abgrund hinab. Als die Erde sich schloss, verordneten die Römer, den Mann mitten auf dem Markt jedes Jahr als Heros zu verehren, nannten den Ort Libernus, und errichteten einen Altar, womit auch Vergil einen Gesang beginnt.11
[Kein sterbliches Geschöpf ist besser oder stärker als der Mensch. Oder seht ihr nicht, dass alle anderen sich niederbeugen und immer erdwärts schauen und nichts tun als das, was sich auf Nahrung und Befriedigung des Geschlechtstriebs bezieht; und dazu sind sie auch von der Natur selbst verdammt; wir allein schauen aufwärts und haben Verkehr mit dem Himmel selbst, verachten, was auf der Erde ist, und gehen mit den Göttern selbst wie mit unsersgleichen um; indem wir nicht deren irdische, sondern himmlische Sprösslinge und Geschöpfe sind; weshalb wir sie auch nach unserem Ebenbild malen und gestalten; darf ich mich der Rede vermessen, so ist der Mensch nichts anderes als ein Gott mit sterblichem Körper noch Gott etwas anderes als ein körperloser Mensch und deshalb unsterblich. Dies auch gibt uns den Vorzug vor all den anderen Geschöpfen; kein Geschöpf auf dem Land gibt es, das wir nicht durch Schnelligkeit einholen, durch Stärke bändigen oder auch durch Kunstgriffe fangen und uns dienstbar machen, keines im Wasser, keines in der Luft; jene ziehen wir aus Abgründen, wohin unser Auge nicht reicht, herauf, diese aus den Lüften herab, wohin wir selbst nicht gelangen.]
[Marcus Curtius aber, ein Patrizier, der schönste, stärkste, tapferste, verständigste junge Mann, erkannte den Sinn des Orakelspruchs und sprach unter das Volk tretend folgendermaßen: »Was klagen wir, Männer Roms, die Göttersprüche der Dunkelheit oder uns der Dummheit an? Wir sind das, was gefordert und worüber gezweifelt wird; nicht wird man das Leblose höher als das Belebte, das Geist-, Vernunft- und Sprachlose höher als das mit Geist, Vernunft und Sprache Begabte achten; wem sollten wir vor dem Menschen den Vorzug geben, um durch dessen Opfer den Erdschlund zu schließen? Darf ich mich der Rede vermessen, so ist der Mensch nichts anderes als ein Gott mit sterblichem Körper noch Gott etwas anderes als ein körperloser Mensch und daher unsterblich; und nicht allzu fernstehen wir der Götter Macht. Davon bin ich überzeugt und wünschte auch euch davon zu überzeugen; glaubt nicht, dass ich zum Los, zum Opfertod eines Mädchens, eines Knaben rate; ich selbst weihe mich für euch, dass ihr mich heute, in diesem Augenblick, als Herold und Machtboten den unterirdischen Göttern sendet, auf dass ich hinfort euer Fürsprecher und Mitkämpfer werde.« Als Curtius dies gesprochen usw.]
69. Manlius Torquatus. 394 (360 v.Chr.).
Manlius erlegte in einem Zweikampf den König der Kelten, zog ihm die Rüstung aus, nahm ihm die Halskette, den gewöhnlichen Schmuck der Kelten, ab und legte sie sich an, weshalb er von seinen Mitbürgern Torquatus, d.h. der Halskettenträger, genannt wurde und diesen Beinamen, als Denkmal seiner Waffentat, seinen Nachkommen hinterließ.
[Als die Lager einander gegenüberstanden, nahm es Manlius, ein ausgezeichneter Römer aus dem Senatorenstand mit dem König der Kelten auf, welcher prahlerisch hervortretend den tapfersten Römer zum Zweikampf aufgefordert hatte, und streckte ihn tödlich verwundet zu Boden. Er zog ihm die Rüstung aus, nahm ihm die Halskette, den gewöhnlichen Schmuck der Kelten, ab und legte sie sich an, weshalb er von seinen Mitbürgern Torquatus, d.h. der Halskettenträger, genannt wurde und als Denkmal seiner Waffentat diesen Beinamen seinen Nachkommen hinterließ.]
70. Im Jahr der Stadt 401 (353 v.Chr.).
Auf die Nachricht, dass die Römer einen Zug gegen sie vorhätten, schickten die Einwohner von Caere, ehe noch ein Beschluss gefasst war, Gesandte nach Rom, und sie erhielten gegen Abtretung der Hälfte ihres Gebietes Frieden.
71. Im Jahr der Stadt 405 (349 v.Chr.)
Als sich Valerius zum Zweikampf mit einem Aufrührer der Kelten anschickte, setzte sich diesem ein Rabe auf den rechten Arm, mit dem Schnabel dem Kelten zugekehrt, und mit den Krallen das Gesicht ihm zerkratzend und seine Augen mit den Flügeln bedeckend, gab er ihn, der sich nicht vorsehen konnte, in die Gewalt des Valerius; woher dieser den Beinamen Corvinus erhielt, denn corvus heißt Rabe.
[Bald zerkratzte er die Wangen mit den Krallen, bald hackte er mit dem Schnabel nach den Augen; als er aber aus der Mitte seiner Leute vortrat, setzte sich ein Rabe auf des Mannes rechten Arm, und während des Kampfes mit dem Schnabel wider den Kelten gekehrt, auf ihn losfliegend, mit den Krallen das Gesicht ihm zerkratzend und seine Augen mit den Flügeln bedeckend, gab er ihn, der sich nicht vorsehen konnte, in die Gewalt des Valerius, indem er ihm mit dem Sieg zugleich den Beinamen schenkte, denn er wurde von da an Corvinus genannt.]
72. Im Jahr der Stadt 415 (339 v.Chr.).
Dieses und anderes der Art schützten sie auf solche Weise vor, nicht weil sie hofften, etwas davon durchzusetzen, denn sie kannten vor allem den stolzen Sinn der Römer; sondern um durch Verweigerung ihrer Bitte als Beleidigte einen Vorwand zu Beschwerden zu haben. Denn es war offensichtlich, dass sie nur den Ausgang erwarteten, um sich dem Sieger anzuschließen. Torquatus kümmerte sich nicht um sie, damit sie nicht anlässlich des Krieges gegen die Latiner Feindseligkeiten anfangen möchten; er war nämlich nicht in allen Dingen so rau noch verfuhr er überall so streng, wie gegen seinen Sohn.
Torquatus war nicht in allen Dingen so rau, noch verfuhr er überall so streng, wie gegen seinen Sohn, sondern war nach dem Urteil aller ein guter Ratgeber und geschickter Soldat. Daher erkannten sowohl seine Mitbürger als auch seine Feinde an, dass die Entscheidung des Krieges in seinen Händen lag und er, an der Spitze der Latiner stehend, unfehlbar den Sieg auf ihre Seite gewendet hatte.
73. Im Jahr der Stadt 415 (339 v.Chr.).
Konsul Manlius bekränzte seinen Sohn, weil er den Latiner Pontius in einem Zweikampf erlegt hatte, als Sieger, ließ ihn aber, weil er seine Befehle überschritten hatte, unter dem Beile bluten. Diese grässliche Tat machte die Römer äußerst folgsam gegen ihre Oberen.