Römische Geschichte. Cassius Dio

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Römische Geschichte - Cassius Dio


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sondern ehrenvoll als Befehlshaber dem Clodius aus den Händen komme. 3 Pompeius aber brachte ihn davon ab, indem er dies als Flucht bezeichnete und ihm zu verstehen gab, dass Caesar ihm nicht aus lauterer Absicht so geraten habe. Sein Rat dagegen war, er solle bleiben, sich und den Senat freimütig verteidigen und dem Clodius kühn die Stirn bieten. 4 Wenn er gegenwärtig sei und ihm widerstehe, könne jener nichts ausrichten und werde sogar selbst in Strafe fallen, wenn er [Pompeius] ihm zur Hand ginge.

      Solches sagten sie nicht, weil sie verschiedener Meinung gewesen wären, sondern um ihn desto verdachtsloser auflaufen zu lassen. 5 Er entschied sich für den Rat des Pompeius, denn er hatte nicht nur keinen Argwohn gegen ihn, sondern hoffte vielmehr dadurch gerettet zu werden, weil er, im Besitz der allgemeinen Achtung und Wertschätzung, unter den gefährlichsten Umständen schon viele Männer teils den Richtern, teils den Anklägern entrissen hatte, 6 weil aber gleichzeitig Clodius, wegen früherer Verwandtschaft mit Pompeius, und weil er ihn lange auf seinen Feldzügen begleitet hatte, alles nach dessen Sinn zu tun schien. Gabinius, der mit ihm [Pompeius] eng befreundet war, und Piso, als ein rechter Mann und Caesars Verwandter, konnten ihm voraussichtlich nicht zur Seite stehen.

      (16) Auf diese Gründe seine Hoffnung auf Sieg bauend (wie er überhaupt ebenso unbedacht in der Hoffnung wie in der Furcht war) und weil er besorgt war, durch Weggehen ein böses Gewissen zu verraten, dankte er Caesar für sein Anerbieten und folgte dem Pompeius. 2 Auf solche Weise ermutigt, benahm er sich, als ob er einen glänzenden Sieg über seine Feinde schon in Händen hätte, denn zu den schon erwähnten Hoffnungen kam noch, dass die Ritter sich auf dem Capitol versammelten und seinetwegen einige aus ihrer Mitte nebst den Senatoren Quintus Hortensius und Gaius Curio als Abgeordnete an die Konsuln und den Senat abschickten. 3 Auch Ninnius tat sich für ihn um und ermahnte unter anderem das Volk, wie bei einem den Staat betreffenden Unglück, die Kleidung zu wechseln. Viele auch der Senatoren taten es und legten das Trauergewand nicht früher ab, als bis ihnen die Konsuln durch ein eigenes Edikt verboten, es zu tragen. 4 Aber seine Gegenpartei war dennoch mächtiger: Clodius gestattete dem Ninnius nicht, zu seinen Gunsten etwas beim Volk zu tun, und Gabinius untersagte den Rittern den Zutritt in den Senat und verwies sogar einen derselben, welcher sehr zudringlich war, aus der Stadt, Hortensius und Curio aber machte er Vorwürfe, dass sie ihrer Versammlung beigewohnt und die Gesandtschaft angenommen hatten. 5 Clodius aber stellte sie vor das Volk und ließ sie für ihre Gesandtschaft durch einige dazu aufgestellte Leute durchprügeln. Piso, welcher bisher gegen Cicero Wohlwollen gezeigt und ihm als einziges Rettungsmittel den Weggang aus der Stadt angeraten hatte, kam, 6 als ihm Cicero darüber zürnte, sobald es ihm seine schwächliche Gesundheit erlaubte, in die Volksversammlung und erklärte, von Clodius befragt, was er von dem vorgeschlagenen Gesetz halte: »Keine grausame, tückische Handlung gefällt mir!« Gabinius aber, an welchen dieselbe Frage erging, lobte Cicero nicht nur nicht, sondern tadelte überdies die Versammlung der Ritter.

      (17) Caesar nun, welcher bereits mit dem Heer aus der Stadt gezogen und um dessentwillen Clodius das Volk außerhalb der Mauern versammelt hatte, um ihn zum Schiedsrichter über sein Gesetz zu machen, erklärte das Verfahren gegen Lentulus für ungesetzlich, 2 missbilligte aber die darüber vorgeschlagene Strafe. Seine Ansicht über die Sache wüssten alle (er hatte nämlich nicht für ihren Tod gestimmt), jedoch sei es nicht billig, rückwirkend ein solches Gesetz abzufassen. Soweit Caesar. 3 Crassus ließ zwar durch seinen Sohn für Cicero Schritte tun, er selbst aber war aufseiten der Menge. Pompeius versprach ihm Hilfe, machte aber bald diese, bald jene Ausflüchte, war immer verreist und – half ihm nicht. 4 Als nun Cicero sah, wie seine Sache stehe, und für seine eigene Person fürchtete, beschloss er, noch einmal die Waffen zu ergreifen, und schalt jetzt öffentlich sowohl auf andere als auch auf Pompeius. Auf Zureden Catos und Hortensius’ aber, welche einen Bürgerkrieg befürchteten, entwich er mit Schimpf und Schande aus der Stadt, als ob er sich schuldbewusst in freiwillige Verbannung begäbe. 5 Bevor er jedoch die Stadt verließ, ging er aufs Capitol und stellte ein kleines Minervabild mit der Aufschrift »Beschützerin« als Weihgeschenk auf. Er entwich nach Sizilien, wo er früher Statthalter gewesen und große Hoffnung hatte, in den einzelnen Städten, bei Privatpersonen und dem damaligen Prätor ehrenvolle Aufnahme zu finden. 6 Nach seiner Flucht fand das Gesetz nicht nur keinen Widerstand mehr, sondern wurde selbst von denen, die sich als die ersten Verteidiger Ciceros ausgegeben hatten, nun da er einmal aus dem Weg war, aufs Eifrigste unterstützt. Sein Vermögen wurde eingezogen, sein Haus wie das eines Staatsfeindes niedergerissen und das Grundstück zu einem Tempel der Freiheit geweiht. 7 Ihm wurde nun förmlich die Verbannung zuerkannt und der Aufenthalt in Sizilien untersagt; denn er wurde auf 3750 Stadien115 von Rom verwiesen mit dem Zusatz, wofern er sich innerhalb dieses Kreises sehen lasse, so sollten er und die, die ihn aufnahmen, ungestraft getötet werden dürfen.

      (18) Er begab sich daher nach Makedonien und lebte dort in tiefstem Kummer. Hier traf ihn ein gewisser Philiscus, der ihn in Athen kennengelernt hatte und jetzt durch Zufall mit ihm zusammenkam. »Schämst du dich nicht, Cicero«, sagte er, »dass du so klagst und dich so empfindlich gebärdest? Nie hätte ich gedacht, dich so schwach zu sehen, der du so viele und vielfache Bildung genossen und so vielen selbst schon geholfen hast.« 2 Cicero entgegnete ihm: »Etwas anderes ist es, Philiscus, für andere zu sprechen, und sich selbst zu raten. Was man für andere spricht, geht aus aufrechtem, unbefangenem Sinn hervor, ist ein Wort zu rechter Zeit. Wenn aber ein Leiden die Seele befängt, dann wird sie getrübt und verfinstert und unfähig, im Augenblick den rechten Punkt zu treffen. Weshalb es sehr richtig heißt: »Es ist leichter, einen anderen zu trösten, als selbst im Unglück standhaft zu sein.« – 3 »Was du da sagst, ist freilich menschlich«, versetzte Philiscus, »ich glaubte aber dich, als einen Mann von solcher Einsicht und Weisheit, auf alle menschlichen Schicksale vorbereitet, damit, wenn dir ein unerwarteter Unfall zustieße, er dich nicht ungewappnet träfe. 4 Da du nun in dieser Lage bist – so ist es dir vielleicht dienlich, wenn ich mich mit dir über manches dich Betreffende unterhalte; damit, wie man anderen ihre Lasten tragen hilft und erleichtert, auch ich dir dein Leiden erträglicher mache, und zwar umso leichter, da ich nicht das Geringste davon selbst übernehme. 5 Du wirst hoffentlich fremden Trost nicht von dir weisen. Denn wenn du dir selbst genügtest, so bedürfte es dieser Worte nicht; nun aber bist du in demselben Fall wie Hippokrates, Demokedes oder ein anderer berühmter Arzt, wenn er in eine gefährliche Krankheit verfiele und der heilenden Hand eines Dritten bedürfte.«

      (19) »Wenn deine Rede«, erwiderte Cicero, »mir die Finsternis aus der Seele verbannen und das frühere Licht zurückführen kann – warum sollte ich dir nicht gerne zuhören wollen? Denn wie die Heilmittel, so sind auch die Reden verschieden und besitzen mancherlei Kräfte. Daher wäre es nicht zu verwundern, wenn du mich, der ich im Senat, in den Volksversammlungen und den Gerichten geglänzt habe, mit einem Balsam von Weisheit labtest.« – 2 »Wohlan denn«, sprach Philiscus, »wenn du mich anhören willst, so untersuchen wir vorerst, ob deine Lage wirklich so schlimm ist und wie ihr abgeholfen werden kann. Vor allen Dingen sehe ich dich gesund und bei voller Leibeskraft – das erste Gut, das die Natur dem Menschen schenken kann –; sodann hast du den nötigen Lebensunterhalt, 3 musst nicht hungern, nicht dürsten, nicht frieren und leidest sonst kein leibliches Ungemach: das zweite Gut, das der Mensch von der Natur erhält, denn wenn sich einer körperlich wohlbefindet und sorgenfrei leben kann, so genießt er alles, was zur Glückseligkeit gehört.«

      (20) »Dies alles«, entgegnete Cicero, »nützt nichts, wenn Kummer an der Seele nagt. Denn weit mehr drücken mich die Sorgen der Seele, als mich das Wohlsein des Körpers vergnügt. So wie jetzt die leibliche Gesundheit mir nichts gilt, da ich an der Seele erkrankt bin, noch auch der Bedürfnisse Überfluss, da ich so vieles verloren habe.« 2 Philiscus erwiderte: »Und darüber grämst du dich? – Ja, wenn du des Notwendigsten entbehrtest, so hättest du noch einen Grund, über Verluste zu klagen. Wenn du aber die Bedürfnisse des Lebens vollauf hast, was kümmert es dich? Dass du nicht noch mehr besitzest? Alles über das Notwendige hinaus ist überflüssig, und es


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