Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen


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dafür wahre Wunder.

      »Hast du deinen Apothekerschrank dabei?«, erkundigte sie sich mit sachlicher Miene.

      Verdutzt sah er zu ihr hoch. Dann musste er lachen. »Sehr witzig.«

      »Ich aber eine sehr gute Salbe«, wagte sie sich vor. »Sie hilft zwar nicht, die Blutung schneller zu stillen, aber sie beschleunigt die Wundheilung und desinfiziert sehr stark, sodass sie auch gleichzeitig Entzündungen oder Vergiftungen vorbeugt.«

      Sein Blick war voller Zweifel.

      »Keine Angst, dein Bein ist später noch dran«, beruhigte sie ihn trocken. »Wenn du willst …« Sie zog den kleinen Tiegel, den sie nur zufällig in der Jackentasche hatte, heraus. »Hier, riech mal«, forderte sie ihn auf.

      Er nahm eine Nase voll, zog die Brauen zusammen und meinte dann: »Riecht medizinisch.«

      »Sie ist Medizin. Naturmedizin. Arnika, Spitzwegerich, Ringel­blume, Honig und eine Menge mehr.«

      Er räusperte sich. »Selbst gemacht?«

      Sie nickte.

      »Okay, dann gib sie mal drauf«, meinte er dann. »Schaden kann es ja nicht. Und helfen …?« Er verstummte.

      Natürlich zweifelte er an der Wirkung.

      »Das wirst du sehen«, sagte sie nur knapp.

      Vorsichtig trug sie die Salbe auf die blutende Stelle auf. Sie war überzeugt von dieser Mixtur, die ihr, wie auch schon vielen in ihrem Freundeskreis, geholfen hatte. Ihre Herstellung beruhte auf einem alten Rezept einer Äbtissin, das sie ein wenig abgewandelt und mithilfe neuerer Erkenntnisse verbessert hatte.

      »So, fertig«, sagte sie und steckte den Tiegel wieder in die Jackentasche.

      »Ich werde noch ein bisschen hier sitzen bleiben müssen«, erwiderte Thomas mit sichtlich genervter Miene. »Bis das Blut geronnen ist. Am Schienbein ist die Haut so dünn, dass die Wunde bei jedem neuen Schritt wieder aufplatzen kann.«

      »Hm«, erwiderte sie nur und stand aus der Hocke auf. »Es ist ja sehr schön hier. Trocken und warm.«

      Er hob die Brauen, dann lächelte er sie von unten an. »Hättest du Zeit und Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«

      *

      Niemals hätte Thomas gedacht, dass er der schönen Kräuterhexe bei seinem Lauf begegnen würde. Ihr Anblick hatte ihm zunächst die Sprache verschlagen, obwohl sich seine Gedanken auf den vielen Kilometern der Strecke nur um sie gedreht hatten.

      Als Maja ihn an ihrem Stand angesprochen hatte, war er mit ihr schnell weggegangen. Den Schuldirektor hatte er nicht mehr sprechen wollen. Mit Maja dagegen hatte er noch ein kurzes, jedoch sehr klares Gespräch geführt. Oder vielmehr einen Monolog, denn sie hatte gar nichts mehr gesagt.

      Schonungslos hatte er ihr vermittelt, dass sie fortan, falls sie ihren Job behalten wollte, jeden weiteren Annäherungsversuch unterlassen sollte. Außerdem sollte sie ab Montag ohne starke Schminke sowie ohne Schmuck in seiner Apotheke erscheinen.

      Mit Tränen in den Augen hatte sie sich dann verabschiedet. Mit der Vermutung, dass sie zu Wochenbeginn gar nicht mehr kommen würde, war er nach Hause gegangen. Dort hatte er die Laufschuhe angezogen und sich auf den Weg gemacht. Und jetzt saß er hier, an seiner Seite, auf einem anderen Baumstumpf, Claudia, die Hexenfee.

      »Warum lachst du?«, erkundigte sich diese nun mit verunsicherter Miene.

      »Ich habe gerade ein neues Wort erfunden«, teilte er ihr mit. »Zumindest glaube ich, dass es neu ist.«

      Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn von der Seite an. »Welches?«

      »Hexenfee.«

      Er bemerkte, wie sie errötete. »Meinst du etwa mich damit?«

      »Klingt doch süß, oder?«

      Ihr Lachen klang halbherzig.

      »Nicht böse sein«, lenkte er ein. »Ich habe gehört, dass einige Leute dich hier Kräuterhexe nennen, was mir persönlich weniger gut gefällt.«

      »Ich bin Kräuterpädagogin«, erwiderte sie mit ernster bedeutsamer Miene, die ihn anrührte. »Und ich finde es schlimm, dass die Leute auf diese Art Vorurteile schaffen«, fügte sie mit blitzenden Augen hitzig hinzu.

      Temperament hatte sie, zweifelsohne. Nur zwei, drei hämmernde Herzschläge lang fragte er sich, ob sie so temperamentvoll auch in der Liebe sein würde.

      Jetzt ist aber genug, rief er sich zur Ordnung. Noch vor zwei Stunden wolltest du sie nicht mehr wiedersehen und jetzt denkst du an so etwas. Aber er konnte gar nicht anders, wenn er sie ansah. Bei ihrem Anblick durchströmte ihn ein eigenartiges Wohlbehagen. Nein, das war viel zu schwach ausgedrückt. Er fühlte Unruhe im Herzen und ein Brennen im Blut. Es war, als breite sich in ihm ein helles Licht aus, das von seinem Herzen bis zum Kopf drang und ihn ganz mit sprudelnder Freude erfüllte. Diese Gefühle hatten nicht nur etwas mit ihrem Aussehen zu tun. Ihre Ausstrahlung, ihre Art, ganz sie selbst zu sein, hatte es ihm angetan. Obwohl sie wusste, wie er zu ihren Ansichten über Heilmethoden stand, vertrat sie ihre Meinung, indem sie ihm sogar ihre selbst gemachte Salbe anbot.

      »Ich glaube, sie wirkt«, sagte er, um ihr eine Freude zu machen.

      »Das kann nicht sein«, entgegnete sie gelassen. »Die Wirkung tritt erst später ein.«

      »Okay, ich wollte dir eine Freude machen«, gestand er ihr.

      Wieder blitzte es in ihren Augen auf. »Das musst du nicht. Ich weiß um die Wirkung.«

      Er lächelte sie an und wusste, dass er mit diesem Lächeln viel von seiner Zuneigung verriet. Dann streckte er ihr die Hand entgegen. »Friede?«

      Der weiche Ton seiner Stimme vibrierte in Claudias Ohr, die Berührung seiner großen warmen Hand brannte auf ihrer Haut. Sie durchschauerte sie.

      »Friede«, stimmte sie Thomas zu.

      Dabei hielt sie seinem Blick stand und spürte, dass sie unter diesem ganz weich, ja, geradezu willenlos wurde, dass die harte Schale ihres kühlen, überlegenen Äußeren, mit der sie sich umgab, wie eine Eierschale zu bröckeln drohte. Je länger ihre Blicke einander berührten, umso stärker empfand sie den Wunsch, sich einfach fallen zu lassen. Einmal in diesen kräftigen gebräunten Armen liegen, einmal diese schönen Männerhände spüren, die von Tatkraft und Geborgenheit erzählten, einmal ihren Mund auf diese Lippen legen …

      »Und warum lächelst du jetzt?«, hörte sie Thomas nun fragen.

      Das konnte sie ihm wirklich nicht sagen.

      »Nur so«, lautete ihre Antwort.

      »Das ist unfair«, beschwerte er sich. »Ich habe dir eben auch gesagt, warum ich gelacht habe.«

      Sie wand sich verlegen. »Geht aber nicht«, beharrte sie.

      Da schenkte er ihr wieder dieses einzigartige Lächeln. Dabei hob er den Finger. »Du hast bestimmt gerade gedacht, was ist das für ein netter Typ. Stimmt’s?«

      Sie musste schallend lachen. »Stimmt.«

      Er zuckte zurück. »Echt?«

      »Echt«, bestätigte sie ihm ernst. Sie war fest entschlossen, keinen Rückzieher zu machen. »Freu dich aber nicht zu früh«, warnte sie ihn. »Mit jemandem wie dir könnte ich mich nie länger unterhalten. Wir würden unweigerlich immer an den Punkt kommen, in dem wir uns unterscheiden.«

      »Natur und Chemie?«

      »Genau.«

      Mit nachdenklicher Miene biss er sich auf die Lippen. »Könnte sein.«

      Sie schluckte, ein wenig enttäuscht darüber, dass er dies so offen zugab. Wie viel lieber wäre ihr eine Antwort gewesen in dem Sinne: »Vielleicht nähern wir uns diesbezüglich ja noch einander an.«

      »Obwohl …« Er veränderte seine Sitzhaltung und streckte auch das unverletzte Bein aus. »Obwohl man sich vielleicht


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