Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
Читать онлайн книгу.dass ich deine Salbe, sollte sie bei mir wirken, in mein Sortiment aufnehmen würde. Auf einem Sonderstand, vielleicht kombiniert mit einigen Kräuterseifen oder Ölen oder Tees.«
*
Thomas meinte seine Worte ernst. Todernst. Er wollte dieser wunderbaren Frau helfen. Dabei fiel ihm kein Zacken aus der Krone.
Zu der Erkenntnis war er während des Laufens gekommen. Er ging davon aus, dass sie mit ihrer Geschäftsidee kein Bein auf den Boden bekommen würde, aber wenn er, als Apotheker des Ortes, hinter ihren Naturheilmitteln stand, würden sich auch Kunden für diese finden. Das Bild, das sie auf dem Bauernmarkt heute abgegeben hatte, tat ihm immer noch weh.
»Na?« Aufmunternd nickte er ihr zu. »Was hältst du von meiner Idee?«
Sie musste husten, mehrmals hintereinander. Dann verschloss sich ihr Gesicht. Und wider Erwarten stand sie auf.
»Danke, das ist sehr freundlich, aber ich will keine Almosen. Entweder schaffe ich es allein oder gar nicht. Du und ich, das passt nicht. Wahrscheinlich würdest du meine Produkte deinen Kunden mit einem amüsierten Augenzwinkern anbieten.«
Ihre Worte empörten ihn. Nun war er schon über seinen Schatten gesprungen, und sie unterstellte ihm so etwas.
»Was denkst du eigentlich von mir?«, fragte er entrüstet.
»Dass du mich nicht ernst nimmst«, erwiderte sie ruhig. »Musst du auch nicht«, fügte sie gleich hinzu. »Ich stehe hinter meiner Sache. Und das ist wichtig. Natürlich hat ein Apotheker in der Bevölkerung ein anderes Ansehen als eine Kräuterpädagogin. Die meisten wissen ja gar nicht, was das ist, aber ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. So, und jetzt …« Sie lächelte kühl. »Gute Besserung.«
Sie wollte gehen.
»Gibst du mir eine Chance?«, fragte er hastig.
»Wofür?«
»Deine Salbe. Ich meine es ernst.«
Er meinte es wirklich ernst. So ernst, dass er sich fragte, ob sie ihn bereits verhext hatte.
Sie zögerte sichtlich. Dann schien sie zu überlegen und sagte schließlich: »Meinetwegen. Du kannst sie ja wegwerfen, wenn sie dir nichts bringt. Ich habe genug davon.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und trat auf den breiten Waldweg hinaus, auf dem sie mit schnellen Schritten aus seinem Blickfeld verschwand.
Wie betäubt blieb er sitzen. Sein Bein hatte aufgehört zu bluten. Die Gerinnung hatte eingesetzt. Dennoch blieb er noch sitzen und ließ das Gespräch mit Claudia in Erinnerung Revue passieren lassen. Welch eine besondere Frau …
*
Am Montagmorgen staunte der Landdoktor nicht schlecht, als Claudia seine erste Patientin war.
»Meine Frau und ich sind gestern mit unserem Hund bei Ihnen vorbeigegangen«, erzählte er ihr. »Ulrike hat geklopft, aber Sie haben nicht aufgemacht.«
»Ich war in Freiburg auf einem Sonntagnachmittagskaffee eingeladen«, erwiderte Claudia.
Matthias bot ihr den Platz auf dem Patientenstuhl vor seinem Schreibtisch an. »Es tut uns leid, dass Ihr Auftritt auf dem Bauernmarkt nicht den erhofften Erfolg gehabt hat«, sagte er mit bedauerndem Lächeln. »Ulrike und ich haben gestern den ganzen Tag überlegt, wie wir Ihnen helfen könnten.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.« Die junge Frau senkte kurz den Kopf und sah ihm dann offen ins Gesicht. »Was meinen Sie, Herr Doktor? Soll ich mein Projekt fallen lassen, nach Freiburg zurückgehen und mich nach einer neuen Stelle umsehen? Sie kennen doch die Menschen hier im Tal und ihre Bedürfnisse.«
»Na ja, das kann ich schlecht sagen«, antwortete er. »Der Verkauf von Naturprodukten ist bei uns natürlich nichts Neues. In vielen Familien, wo noch die Großmutter oder gar Urgroßmutter lebt, werden sie selbst hergestellt. Diese Leute fallen als Kunden für Sie schon mal weg.« Unschlüssig hob er die Schultern. »Ich denke, Ihr Erfolg hängt auch viel von der Vermarktungsstrategie ab. Deshalb dachten meine Frau und ich ja an Herrn Dr. Brandler …«
»Den können Sie vergessen«, fiel ihm da seine Patientin ins Wort. »Herr Brandler ist Chemiker durch und durch. Außerdem muss ich das aus eigener Kraft schaffen.«
»Nun mal langsam mit den jungen Pferden«, gebot er ihr Einhalt. »Als ich vor vielen Jahren meine Praxis hier aufbaute, war ich auch angewiesen auf andere Leute, auf Mund-zu-Mund-Propaganda.«
»Aber nicht in der Apotheke«, beharrte Claudia Koch. Dabei sah sie aus dem Praxisfenster hinaus.
Dass sie und Thomas Brandler sich kannten, hatte er vorgestern auf dem Bauernmarkt gesehen. Waren die beiden in ihren Ansichten derart weit voneinander entfernt, dass keine Zusammenarbeit stattfinden konnte? Oder verband sie sogar etwas miteinander, was einer solchen rein fachlichen Kooperation im Weg stand?
»Wie dem auch sei«, fuhr die junge Frau jetzt fort und fing seinen Blick wieder ein. »Heute Morgen bin ich zu Ihnen als Patientin gekommen.«
»Wegen Ihres Hustens«, stellte er fest.
Erstaunt sah sie ihn an. »Woher…?«
»Ich habe Sie husten gehört. Ein trockener Husten, der kaum von einer Erkältung her rührt.«
Sie seufzte. »Daran zweifle ich inzwischen auch. Genauso wie ich an der heilenden Wirkung meiner Hustentees und -pastillen zweifle, die in meinem Fall bisher nichts gebracht haben«, fügte sie mit enttäuschter Miene hinzu.
Er musste lächeln. »Für manche Krankheiten muss man halt schwerere Geschütze auffahren. Das sagte ich bereits.« Dann wurde er wieder ernst. »Aber jetzt wollen wir erst einmal feststellen, was die Ursache Ihres lang anhaltenden Hustens ist. Husten kann zweierlei sein: Im Einzelfall ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers, um Schleim, Staub oder Fremdkörper aus den Atemwegen zu entfernen, oder ein Zeichen für Erkrankungen wie Bronchitis, Asthma, Herz- oder Lungenkrankheiten. Und vieles mehr. Um die möglichen Ursachen einzugrenzen, möchte ich zuerst einmal mit Ihnen den Anamnesebogen ausfüllen, der der Einstieg zu jeder Diagnose ist.«
*
Da es sich bei seiner Patientin um einen trockenen Husten handelte, konnte der Landdoktor von vornherein schon einige Erkrankungen ausschließen. Er fragte Claudia, seit wann der Husten bestand, ob er im zeitlichen Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung oder nach Kontakt mit Allergien auslösenden Stoffen auftrat, ob es Begleitsymptome wie Fieber oder Atemnot gab, inwieweit Risikofaktoren wie Grunderkrankungen, Rauchen, Schluckstörungen bestanden, und ob sie irgendwelche Herz-Kreislauf-Medikamente oder Kortison einnahm.
Da Claudia alle diese Fragen verneinte, musste es andere Ursachen geben.
»Ich möchte Sie als Nächstes untersuchen«, sagte er, griff zur Blutdruckmanschette und legte sie an.
Claudias Blutdruck war zu hoch, was jedoch an der Aufregung liegen mochte, die viele Patienten beim Arztbesuch spürten.
»So, und jetzt horche ich Sie ab. Beim Abhören des Brustkorbs kann ich eventuelle Atemnebengeräusche erkennen. So lässt sich zum Beispiel Pseudo-Krupp meist schon anhand dieser Geräusche diagnostizieren.«
Seine Patientin sah ihn besorgt an. »Was ist denn das?«
»Eine durch Viren ausgelöste Infektion der oberen Atemwege.«
Das Abhören des Brustkorbs gab hinsichtlich dieses Verdachts schnell Entwarnung.
»Ich brauche eine Blutprobe von Ihnen«, ging er zum nächsten Schritt seiner Detektivarbeit über. Denn nichts anderes tat er, wenn er nach den Ursachen eines bestimmten Symptoms suchte. »Die Analyse der Blutgase wie Sauerstoff und Kohlendioxid zeigen, ob eventuell der Gasaustausch in der Lunge gestört ist, wie das etwa bei Asthma und COPD der Fall ist.«
Die junge Frau nickte. Dann seufzte sie und murmelte: »Und ich hatte gedacht, ich hätte nur einen einfachen Husten.«
»Von irgendwoher muss er ja kommen, der einfache Husten«, erwiderte Matthias. »Und dieser