Baustellen. Anton Affentranger

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Baustellen - Anton Affentranger


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die als Geschäftsmodell nur noch den Research anbieten und diesen Service gegen Entgelt den Unternehmen offerieren, können nicht die Lösung sein. Das potenziert lediglich die Interessenskonflikte. Deshalb lautet mein Fazit: das Verhältnis Analyst – Unternehmen ist zwar ein spannungsreiches. Aber auch ein entscheidendes Element eines lebendigen Finanzmarktes.

      III.Businesspläne: die trügerische Sicherheit

      Businesspläne und Analysten. Das ist ein weites Feld, pflegt Effi Briests Vater in Theodor Fontanes gleichnamigen Werk immer wieder auszurufen. Das inzwischen geflügelte Wort hat auch bei dem Thema Gültigkeit, welches uns hier umtreibt. Businesspläne bilden die Basis für die externe Kommunikation der Unternehmen mit den Analysten. Das Zahlenwerk der Businesspläne, gewöhnlich angereichert mit allerhand Zusatzinformationen, fliesst in deren Analystenberichte mit ein – ein weites Feld also.

      Diese Zahlenreihen bilden den Endpunkt eines meist zähen Ringens um den Businessplan. Der Start beginnt weitgehend standardisiert und ohne grosse Auseinandersetzungen. Zunächst jedenfalls. Martialisch klingt höchstens die Tatsache, dass wir einmal im Jahr diesen Businessplan-Prozess durch die Organisation gepeitscht haben. Jede Einheit des Unternehmens hatte sich mit qualitativen Fragen auseinanderzusetzen. Solchen wie: Welche Ambitionen verfolgen wir und welche Ziele wollen wir erreichen? Welche Stärken/Schwächen, welche Chancen/Risiken sehen wir in unserer Organisation? Wie bewegen sich unsere Wettbewerber und was ist unsere Antwort darauf? Wie steht es um die Qualität unserer technischen Ressourcen, unseres Personals? All diese Fragen wurden bottom-up und auch top-down erörtert und diskutiert. Um die so definierten Ziele auch zu erreichen, resultierten daraus entsprechende Umsetzungsmassnahmen. Bis hierhin verliefen die Diskussionen ohne Friktionen und in konzilianter Atmosphäre. Das lag natürlich daran, dass es an diesem Punkt des Prozesses noch um ausschliesslich Qualitatives ging.

      Erst in einer zweiten Phase, wenn die qualitativen Aussagen in ein konkretes Zahlenwerk übersetzt werden mussten, wurde es richtig ernst. Plötzlich wurden ganz andere Fragen diskutiert, bei deren Beantwortung ein Konsens nicht mehr unbedingt gegeben war. Etwa: Was bedeutet eine angestrebte führende Marktposition in Zahlen? Wie sind unter diesem Gesichtspunkt Profitabilität oder auch Investitionen zu bewerten? Und an diesem Punkt geschah regelmässig etwas Interessantes: Je konkreter die quantitativen Ziele zu beziffern waren, desto diffuser wurden auf der anderen Seite die qualitativen Ziele. Bis all das einigermassen im Lot war, waren auf allen involvierten Ebenen regelmässig mehrere Gesprächsrunden vonnöten. Am Schluss musste sich unser Führungsgremium dann auf ein gemeinsam erarbeitetes Zahlenset verständigen und dieses dem Verwaltungsrat präsentieren, der es gewöhnlich durchgewinkt hat.

      Von dort wanderte es zu den Banken. Zu den Analysten. Diese bestäubten ihre Bewertungsmodelle mit unseren Zahlen. Und wollten meist noch viel mehr Zahlen haben als wir gewillt waren zu publizieren: Zahlen auf allen Ebenen, schön aufgelistet etwa nach Quartalen, Ländern, Sparten. Ihre Modelle spuckten dann eine Unmenge von quantitativen Indikatoren und Bewertungen aus, die mit den Businessplänen der Vergangenheit verglichen wurden. So öffnete sich ein weites Feld für unzählige Folgefragen. Jede Abweichung musste vom Management überzeugend erklärt werden, andernfalls führte dies zu entsprechenden Bemerkungen im Bericht des Analysten: Die Chefs im Schwitzkasten der Analysten, kommentiert die Bilanz etwas maliziös diesen Sachverhalt.

      Businesspläne erhalten so für Analysten eine überragende Bedeutung. Und nicht nur bei diesen. Bei Akquisitionen stellen sie für den Käufer eine unabdingbare Grundlage für die Bewertung des Übernahmeobjekts dar. Direkt beeinflussen sie den Kaufpreis. Nach dem Erwerb der Firma verschwinden diese Papiere mit den Zahlen jedoch gewöhnlich in der Schublade. Für den nachhaltigen Erfolg eines Firmenkaufs sind dann ganz andere Faktoren ausschlaggebend. Die Qualität und Motivation des dort tätigen Managements. Die Loyalität der eingekauften Kundenbeziehungen. Die Innovationskraft der Mitarbeitenden. Diese weichen Parameter fliessen neben dem harten Buchwert als Goodwill in den Kaufpreis ein und lassen sich auch problemlos in ein entsprechendes finanzielles Zahlenwerk übersetzen. Die schliesslich für eine Übernahme bezahlten Preise spielen am Ende dann nicht einmal eine so grosse Rolle – wenn da nicht die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS wären. Diese schreiben vor, dass der über den Buchwert hinaus bezahlte Preis in der Bilanz als Goodwill ausgewiesen werden muss. Die Werthaltigkeit von letzterem muss dann regelmässig nachgewiesen werden und dies geschieht natürlich anhand des Businessplans.

      Beim Ausgabepreis von Aktien anlässlich eines Börsengangs, bei Finanzierungsrunden von Start-ups: Immer spielen Businesspläne eine herausragende Rolle. Um welche Bewertung es auch immer geht: Sie basieren stets auf einem Businessplan. Diese beeinflussen Handlungen von Managern, Unternehmern, Investoren und Analysten. Selbst in China stellen die Mehrjahrespläne der kommunistischen Regierung im Grunde nichts anderes dar als Businesspläne gigantischen Ausmasses. Ich habe mich immer wieder einmal gefragt, warum das so ist. Businesspläne befriedigen wohl unsere Sehnsucht nach Sicherheit: Was schwarz auf weiss, oder weiss auf rot steht, gibt Halt. Auch wenn ich weiss, dass kein Halt der Welt vor den Unwägbarkeiten der Zukunft zu schützen vermag, bekenne ich dennoch: Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich an die trügerische Sicherheit von Businessplänen geglaubt habe. Dabei habe ich gewusst, was Intel-Chef Andrew Grove einst zu diesem Thema gesagt hatte: Columbus hatte keinen Business-Plan als er Amerika entdeckte.

      IV.Multitasking: Der Dialog mit Analysten und Investoren

      Es muss einmal gesagt sein: Analysten sind auch nur Menschen. Sie haben Vorlieben. Und Abneigungen. Sehen die Welt und den Job durch ihre individuelle Brille. Ich unterscheide unter fünfeinhalb Grundtypen.

      Der Number Cruncher: salopp übersetzt, der Zahlenfresser. Sein Glaube an die Zahlen lässt ihn auch in den Tiefen der Businesspläne nie die Orientierung verlieren. Die Diskussionen mit dem Number Cruncher drehen sich ausschliesslich um Ziffern. Er weiss Trends und Zyklen aus den Zahlenreihen herauszulesen, zu interpretieren und in Investment-Thesen umzumünzen.

      Eine Unterkategorie des Crunchers ist der Chartist: Er kann über seine Trendanalysen den idealen Ein- und Ausstiegszeitpunkt für eine Aktie erkennen. Ein Hexenwerk? Ich weiss es nicht. Ich erinnere mich nur an jenen Chartisten, ein erfolgreicher Fonds-Manager, der mir mit Stolz in der Stimme seine Herbst-Frühjahr-These erklärt hat. Seine Modelle hätten offenbart, dass die Aktie unserer Firma im Herbst unter- und Anfang Frühjahr eher überbewertet sei. Daraus hat der Mann seine Kauf- und Verkaufsempfehlungen abgeleitet. Die Performance seines Fonds hat ihm über eine längere Zeitspanne Recht gegeben. Ich selber habe nur gestaunt. Eine logische Antwort dafür habe ich nie gefunden.

      Der Growth-Player sucht nur eines: Wachstum. Nicht etwa zwingend beim Gewinn. Oder bei den Margen. Sondern beim Umsatz. Diese Sorte Analyst kauft, wenn die Wachstumszahlen beim Umsatz gut sind. Und verkauft, sobald ihn das Gefühl beschleicht, der Businessplan gebe kein Wachstum mehr her. Der Diskussionsstoff beschränkt sich weitgehend auf die Megatrends der jeweiligen Branche und das Management muss sich dann mitunter anhören viel zu spät oder gar nicht auf diese gesetzt zu haben.

      Der Dividenden-Player hat nur eines im Sinn: auf Unternehmen zu setzen, die sichere Dividenden ausschütten. Er sucht Aktien, die eher unterbewertet sind, aber stetig ansehnliche oder gar steigende Gewinnanteile an die Kapitalgeber überweisen. Er will an diesem Punkt Kontinuität. Hegt er nur den leisesten Zweifel steigt er aus dem Titel aus. Ohne Pardon. Ich habe sogar Verständnis für diese Haltung, weil ich selber gerne in Dividenden-Perlen investiere. Dann habe ich Ruhe vor der Angst, mein Investment könnte sich nicht lohnen. Glaubte ich zumindest. Die Realität an der Börse hat sich freilich oft genug gegen diese Scheinsicherheit gesperrt.

      Der Fundamentalist pflegt den Tunnelblick. Er hat nur eines im Auge: das Unternehmen, welches er zu verfolgen sich ausbedungen hat. Der Fundamentalist röntgt seine Firma aus jedem erdenklichen Blickwinkel und wird so notgedrungen zum Experten dieses Unternehmens. Sein Objekt der Begierde verfolgt er über Jahre. Das Management kennt er aus dem Effeff. Dieser Analysten-Typus stellte mir stets die kniffligsten Fragen, sorgte deshalb für die spannendsten Diskussionen


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