Baustellen. Anton Affentranger

Читать онлайн книгу.

Baustellen - Anton Affentranger


Скачать книгу
Nachhaltige. Diesen gibt es, weil auch immer mehr Investoren in nachhaltige Aktien investieren wollen. Meist gehen beide davon aus, dass sich bei solchen Unternehmen die Nachhaltigkeit auch auf die Dividendenpolitik bezieht – nachhaltige Unternehmen als Garant für nachhaltige Renditen. Die Nachhaltigkeit ist denn auch das praktisch beherrschende Thema und der CEO tut gut daran, in diesen Diskussionen mit dem CO2-Fussabdruck seiner Firma vertraut zu sein. Ebenso wie mit konkreten Vorstellungen, wie dieser weiter zu reduzieren wäre. Geht es um Nachhaltigkeit und um solch eindeutig imprägnierten Analysten und Investoren steht alles auf dünnem Eis. Und alles ist eine Frage des Vertrauens. Sind beide überzeugt von der redlichen nachhaltigen Absicht der Firmenspitze, empfehlen und kaufen sie die Aktie. Umgekehrt gilt aber auch: Kommen nur die leisesten Zweifel auf, steigen solche Investoren auch sofort wieder aus und der nachhaltige Analyst wird das Papier umgehend auf sell herabstufen. In jedem Fall haben die ständigen Auseinandersetzungen mit diesem Analysten- und Investorentypus die Nachhaltigkeit unserer Strategie stets nachhaltig beeinflusst und auch vorangetrieben.

      Letztere – die Investoren – lassen sich übrigens ebenfalls klassifizieren. Es gibt da, grob gesehen, zwei Grundtypen:

      Der Aktive: Dieser kauft sich in der Regel zunächst einmal in ein Unternehmen ein und agiert dann meist nach einem vorgängig definierten Masterplan. Typisch beispielsweise ist die Forderung des Aktiven an das Management, subito eine Geschäftsaktivität zu verkaufen. Damit lässt sich der Aktienkurs wundersam nach oben drücken. Oder aber das Unternehmen soll gänzlich filetiert werden, frei nach dem Motto: Die Einzelteile sind wertvoller als das Ganze. Meist gehen diese ultimativen Forderungen nach Wertsteigerung einher mit dem Druck auf das Topmanagement auch dort personelle Veränderungen zu vollziehen. Die Aktivität des sogenannt aktiven Investors reduziert sich im Grunde darauf, mit seinem Investment möglichst schnell möglichst grosse Kasse zu machen – sieht er diese Chance gekommen, verkauft er seine Anteile und macht sich sofort aus dem Staub: Die Firma bleibt zurück, wie eine nicht mehr auszunützende Braut. Aus der Perspektive des aktiven Investors mag ein solches Verhalten zum Zwecke der Profitmaximierung in vielen Fällen aufgehen. Ob es auch für das Unternehmen ein Segen darstellt, ziehe ich nach meinen Erfahrungen doch stark in Zweifel.

      Der Passive: Die Bezeichnung täuscht. Ein passiver Investor ist keineswegs ein lethargischer Kantonist, dem es nicht darauf ankommt, in welcher Firma er sein Geld investiert hat. Im Gegenteil. Er schaut sich das Objekt seines Investments genau an. Ist er von der Story überzeugt, nimmt er Bares in die Hand und legt es dort an. Er ist kein Wendehals, der sein Aktienportefeuille mit kurzfristigen Käufen und Verkäufen permanent in Bewegung halten muss. Er bleibt in der Regel längerfristig investiert. Fällt der Aktienkurs nutzt er dies möglicherweise für weitere Zukäufe. Bei exorbitanten Kurssteigerungen wird er vielleicht einen Teil seines Investments abstossen und aufgelaufene Gewinne auch einmal mitnehmen.

      In der Analysten- und Investorenwelt sieht sich das Topmanagement eines börsenkotierten Unternehmens also unterschiedlichsten Analysten- und Investorentypen gegenüber. In einer Art Multitasking-Dialog muss es verschiedenste, sich möglicherweise widersprechende Erwartungen und Bedürfnisse erfüllen. CEO und CFO müssen sich bewusst sein, dass auch bei grösster Konsistenz der kommunizierten Informationen es bei den Analysten per definitionem immer unterschiedliche, sich widersprechende Bewertungen von ein und derselben Firma geben wird.

      V.Roadshows: Der Tanz um das Goldene Kalb

      Wochen vor der Publikation von Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsberichten läuft die Szene regelmässig heiss. Dann geben die Analysten ihre Schätzungen ab, Resultat von ihren qualitativen und quantitativen Beurteilungen. Es geht darum, ein möglichst genaues Bild über die Zahlen zu erhalten, welche die Firma kurze Zeit später veröffentlichen will. Dazu gilt es Medienmitteilungen zu interpretieren und alle erdenklichen sonstigen Quellen anzuzapfen, um das im Visier stehende Unternehmen zu lesen – während das Management selber in dieser Zeit natürlich zum Schweigen verpflichtet ist. Die Schätzungen sämtlicher Analysten werden dann zu einer konsolidierten Schätzung verdichtet. Und diese kann schnell einmal Einfluss auf den Aktienkurs entwickeln. Dann nämlich, wenn das Management bei Bekanntgabe der finanziellen Resultate diesen Konsens unter den Analysten verfehlen sollte: ein Alptraum für jeden CEO und seinen Finanzchef. Es sind schliesslich in Ziffern gestanzte Erwartungen des Marktes an die Firma und an das Topmanagement. Werden diese bei den Publikationen der Finanzzahlen deutlich unterschritten, kommt der Aktienkurs unter Druck und kann je nach dem stark an Wert verlieren. In den Zeitungen steht dann etwa die Schlagzeile: Erwartungen der Analysten verfehlt – Aktienkurs im freien Fall. Und selbst wenn der Daumen der Analysten nach oben zeigt, die Firma deren Erwartungen übertroffen hat, kann das dem Titel zusetzen. Investoren könnten das Wachstum als ausgereizt betrachten. Oder sie wollen Gewinne einfahren, weil sie sich seinerzeit wesentlich billiger mit der Aktie eingedeckt hatten. Eine breite Verkaufsfront drückt den Kurs der Aktie ebenfalls nach unten.

      In dieser vertrackten, aber bei börsenkotierten Unternehmen alltäglichen Situation hilft dem CEO erfahrungsgemäss nur eins: Es muss ihm gelingen die finanziellen Erwartungen von Analysten, Investoren und dem Markt zu managen – im Griff zu halten, wie das unter Marktteilnehmern heisst. Ich habe mich freilich oft gefragt, ob der CEO diese Energie nicht zielgerichteter in Kunden und Mitarbeitende investieren sollte – sie sichern schliesslich das Überleben der Firma und dies sollte auch den Aktienkurs nicht unberührt lassen.

      Das ist keineswegs der einzige Widerspruch auf diesem seltsamen Parkett namens Börse, auf dem wir uns alle gemeinsam bewegen: CEO, CFO, Analyst, Investor. Letztere haben Freude an einem Analysten, der ihnen die entscheidenden Informationen zukommen lässt, um in einem permanenten Kauf-Verkauf-Kauf-Aktienkreislauf mitspielen zu können, der einen permanenten und störungsfreien Strom an Aktiengewinnen ermöglicht – selbst wenn die Vorstellung von Endlos-Gewinnen zwischenzeitlich auch nur Illusion ist. Der operative Kopf einer Firma und sein Finanzchef sind von einem solchen Hü-und-Hott beim Aktienhandel ihrer Firma wohl weniger angetan. Zumindest nicht in ihrer offiziellen beruflichen Funktion. Bei ihren privaten Investments verhalten sie sich bei anderen Unternehmen als dem eigenen dann wohl genauso und sind deshalb gerade froh um das Wissen dieser Kauf-Verkauf-Kauf-Analysten.

      Der Tanz um das goldene Kalb: Nie wurde dieser intensiver zelebriert, als bei den so genannten Roadshows, die Publikumsgesellschaften nach der Publikation von Ganz- oder Halbjahreszahlen in den Finanzzentren dieser Welt zu veranstalten pflegen. Dabei geht es darum bestehende Investoren bei der Stange zu halten und neue zu gewinnen. Auch dort sassen natürlich die Analysten und Kapitalgeber und nahmen uns mit ihren kritischen Fragen in den Schwitzkasten. Manches Mal kam ich mir dabei vor, wie ein Trapezkünstler im Zirkus, schutzlos in der Manege stehend, während ich versuchte, das Publikum mit meiner Performance bei Laune zu halten. Oft ist mir das auch gelungen. Und gerade kritisches Publikum hat mir dabei oftmals gute Ideen für die nächste Trapeznummer geschenkt.

Presse

      I.Mitleid mit Klick-Journalisten

      Einige Jahre ist es bereits her als ich während einer guten Stunde in der Redaktion der Pendlerzeitung 20 Minuten verweilen konnte. Eindrücklich: Der weitläufige Raum am Hauptsitz des Zürcher Tamedia-Verlags erinnerte mich stark an die Trading-Räume während meiner Zeit als Bankier. Im Open Space sassen die Journalisten vor ihren Bildschirmen und schrieben an ihren Stories. War der letzte Buchstabe gesetzt, wurde das Geschriebene sofort auf der digitalen Plattform 20min.ch publiziert. Die Zeitspanne zwischen Recherche und Publikation ist im digitalen Zeitalter gegen Null gedrückt – wo früher zur medialen Verbreitung von Informationen Druckmaschinen, Vertriebswege, Postzustellung oder Kioske notwendig waren, genügt heute ein einziger Knopfdruck und ein Artikel ist überall auf dem Globus einsehbar.

      Damit nicht genug der Information: Auf der Redaktion war die Webseite der Zeitung auf XXL-Bildschirmen projiziert und in Echtzeit mit zusätzlichen Informationen angereichert. Etwa der Anzahl der Klicks, jener Währung im Online-Marketing, die aufzeigt, wie oft ein Artikel von einem Leser heruntergeladen wird. Andere Angaben betrafen etwa die Form der benutzen Endgeräte – Mobile,


Скачать книгу