Butler Parker 108 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker 108 – Kriminalroman - Günter Dönges


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tion> Butler Parker – 108 –

      Günter Dönges

      Blei und Schrot für Lady Simpson

      Der ältere, gepflegt aussehende Herr im grauen Anzug erlitt genau in dem Moment einen Herzanfall, als Butler Parker das Bankgebäude in der City von London verließ, um zu seinem hochbeinigen Wagen hinüberzuschreiten, der seitlich auf dem Parkplatz stand.

      Der Herr griff sich ans Herz, rutschte leicht in die Knie und konnte von seiner jüngeren Begleiterin nicht mehr gehalten werden. Er fiel ihr, im wahrsten Sinn des Wortes, zu Füßen und stöhnte. Sie sah sich hilflos und entsetzt nach allen Seiten um und brauchte den Butler erst gar nicht um Hilfe zu bitten.

      Josuah Parker fühlte sich sofort verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten.

      »Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, daß meine Unterstützung erwünscht sein könnte«, sagte er und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Wenn mich nicht alles täuscht, sehe ich mich einem leichten Herzanfall gegenüber.«

      Er stellte den schwarzen Aktenkoffer ab und sah sich dann keinem Herzanfall gegenüber, sondern der Mündung eines kurzläufigen Revolvers, den der Mann ihm für einen Moment präsentierte.

      »Keine Dummheiten«, sagte die junge Dame. »Helfen Sie meinem Partner hinüber zum Wagen! Wir werden schießen, wenn Sie um Hilfe schreien!«

      »Aber ich würde doch auch ohne Schußwaffenbedrohung helfen«, antwortete Parker steif und indigniert.

      »Wir brauchen keine Hilfe, sondern den Aktenkoffer«, sagte der ältere Mann. »Wimmeln Sie die Neugierigen ab, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!«

      Sein Hinweis kam nicht von ungefähr.

      Passanten waren bereits auf den Zwischenfall aufmerksam geworden, eilten herbei und wollten ebenfalls helfen. Parker, der sich an die Schußwaffe sehr deutlich erinnerte, schüttelte abwehrend den Kopf.

      »Nur ein kleines Unwohlsein, meine Herrschaften«, rief er den Passanten zu. »Ich darf mich im Namen meines Herrn für Ihre Hilfsbereitschaft bedanken.«

      »Sehr intelligent«, lobte ihn die Dame, die etwa 30 Jahre alt war, einen leichten Stadtmantel trug und wie ihr Begleiter seriös aussah.

      Parker hakte den älteren Herrn unter und bugsierte ihn behutsam zu dem Bentley, der am Straßenrand stand und für den sich bereits ein Streifenpolizist interessierte. Der Bentley befand sich nämlich in einer Parkverbotszone und lud zu einem Strafmandat ein. Der Polizist sah sofort, daß solch ein Strafmandat jetzt nicht zur Debatte stand, und bot seine Hilfe an. Zusammen mit Josuah Parker geleitete er den schwer atmenden Herrn in den Wagen.

      Die Dame setzte sich ans Steuer, Parker neben den Herzleidenden. Wenige Sekunden später rollte der Bentley bereits an und fädelte sich in den Straßenverkehr ein. Der Herr neben Parker hatte sich vollständig erholt und lachte leise.

      »Ausgezeichnet«, sagte er zu Parker. »Sie sind ja direkt ein Schnellschalter, Mister Parker.«

      »Ich habe den Vorzug, von Ihnen gekannt zu werden?« fragte der Butler gemessen und rückte den Aktenkoffer auf seinem Schoß zurecht.

      »Wir wissen eine ganze Menge«, redete der Herr weiter und deutete auf Parkers Aktenkoffer, »So zum Beispiel, daß Sie von der Bank gerade 100 000 Pfund abgeholt haben.«

      »Sie sind in der Tat vorzüglich informiert«, gestand Parker.

      »Trotzdem wollen wir Sie nicht länger stören, Parker«, meinte der Herr ironisch, »an der nächsten Kreuzung können Sie aussteigen. Es wird Ihnen überhaupt nichts passieren.«

      »Ich muß wohl von der Tatsache ausgehen, daß Sie den Aktenkoffer behalten wollen?«

      »Wie schnell Sie wieder mal kapieren, Parker! Öffnen Sie den Koffer, ich will wenigstens sehen, ob Sie sich auch an Lady Simpsons Anweisungen gehalten haben!«

      Parker knipste beide Kofferverschlüsse auf und hob den Deckel leicht an.

      »Bestens«, sagte der ältere Herr und nickte zufrieden. »Danke, der Blick genügte mir bereits! Drüben an der Kreuzung können Sie sich empfehlen.«

      »Sie bringen mich in eine äußerst peinliche Situation«, gestand Josuah Parker. »Lady Simpson wird den Verlust der Banknoten nicht gerade begrüßen.«

      »Sie wird’s überleben, wozu ist sie schließlich stinkreich.« Die Dame am Steuer des Bentley hatte sich zu Wort gemeldet und lachte amüsiert. »So, Mister Parker, es ist soweit. Vielen Dank für die prompte Bedienung!«

      Sie hielt den Wagen kurz an, und Parker empfahl sich, wobei er nicht vergaß, höflich seine schwarze Melone zu lüften. Der seriöse ältere Herr ließ ihn noch mal in die Mündung der Schußwaffe sehen und schlug dann die Tür zu.

      Der Bentley glitt wie auf Katzenpfoten weiter, um dann sofort in einer Seitenstraße zu verschwinden. Die beiden Insassen des Wagens hatten sich für das Absetzen des Butlers einen guten Platz ausgesucht.

      Parker dachte an den Aktenkoffer, den er im Bentley zurücklassen mußte, doch erstaunlicherweise zeigte er keine Spur von Unruhe. Ein aufmerksamer Beobachter hätte vielleicht sogar in seinem Gesicht die Andeutung eines feinen Schmunzelns wahrgenommen.

      *

      »Nun, Mister Parker, ich hoffe, Sie haben mir eine interessante Geschichte zu erzählen«, sagte Lady Agatha Simpson. Sie war groß, stattlich und redete grundsätzlich nicht über ihr Alter, obwohl sie sechzig Jahre zählte. Sie war, was ihre Erscheinung anbetraf, das Urbild einer Bühnenheroine und verfügte über eine stets etwas grollend wirkende baritonale Stimme, die bis zum Baß reichte. Agatha Simpson konnte sich mit der Würde einer Herzogin bewegen, aber auch aus sich herausgehen wie eine resolute Marktfrau.

      Lady Agatha war schon seit vielen Jahren Witwe, verfügte über ein immenses Vermögen und konnte sich das leisten, wonach ihr der Sinn stand. Sie hatte sich der Aufklärung von Kriminalfällen verschrieben, betätigten sich als leidenschaftliche Amateurdetektivin und verbuchte einen Erfolg nach dem anderen, seitdem Josuah Parker für sie arbeitete.

      Sie hatte sich vor ihrem Butler aufgebaut und sah ihn aus großen, erwartungsvollen Augen an.

      »Ich darf Mylady versichern, daß alles nach Plan verlief«, antwortete der Butler. »Der Überfall wurde allerdings mit einer Dezenz ausgeführt, die man nur lobend erwähnen kann.«

      »Einzelheiten«, forderte sie, »und dazu einen kleinen Kreislaufanreger, Mister Parker.«

      »Bitte, Mylady.«

      Kathy Porter hatte diesen Wunsch erwartet und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Sie servierte Lady Agatha einen doppelten Kognak, den die stets streitbare Dame genießerisch zu sich nahm.

      Kathy Porter war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady und im Grund fast so etwas wie eine Haustochter. Groß, schlank und langbeinig, hatte sie wunderbares, kupferrotes Haar und stach jedes Covergirl einer guten Illustrierten aus. Betonte Wangenknochen und leicht schräg gestellte Augen verliehen ihr den sanften Ausdruck einer Exotin. Kathy Porter glich überhaupt einem scheuen Reh, doch dieser Eindruck täuschte gewaltig. Die junge Dame war eine Einzelkämpferin von hohen Graden, kannte sich in vielen Sportarten aus und konnte zu einer Pantherkatze werden, wenn es erforderlich war.

      Sie hatte sich im Lauf der Zeit immer mehr zur heimlichen Assistentin des Butlers entwickelt, was Parker nicht ungern sah. Er schätzte ihre Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und ihren Mut, den er oft genug aber als Leichtsinn tadeln mußte.

      »Ärgern Sie mich nicht unnötig!« grollte Lady Agatha ihren Butler an. »Wieso Dezenz? Seit wann arbeiten Gangster mit Stil?«

      Parker erging sich in Einzelheiten und schilderte den Überfall, wobei er nicht vergaß, das gekonnte und sichere Auftreten des Pärchens zu erwähnen.

      »Die Individuen werden sich wundern, wenn sie den Koffer öffnen«, freute sich Lady Agatha sichtlich. »Glauben Sie, daß die Überraschung klappen wird?«

      »Damit ist durchaus zu rechnen, Mylady«, antwortete Parker. »Es kommt darauf an, mit welcher Gier und wie unbeherrscht man das Geld auspackt.«

      *


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