Butler Parker 108 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker 108 – Kriminalroman - Günter Dönges


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die Untergrundbahn benutzt, waren dann in einen Morris gestiegen und hielten vor einem Reihenhaus, das in einer guten Wohngegend lag.

      Sie hatten dieses Haus vor einem Monat gemietet und sich als provisorischen Unterschlupf eingerichtet. Sie bemühten sich um Haltung, solange sie noch auf der Straße waren. Als sie jedoch ins Haus traten und die Tür hinter sich schlossen, stießen sie einige gedämpfte Jubelschreie aus und fielen sich vor Freude erst mal um den Hals.

      »Geschafft«, sagte der ältere Herr, der Thomas Leaming hieß.

      »Hunderttausend Pfund«, sagte Edith Cilham andächtig. »Ich kann’s noch gar nicht glauben, Thomas.«

      »Komm, sehen wir uns die Scheine an!« Thomas Leaming hatte es eilig, den Wohnraum zu betreten und stellte den Aktenkoffer auf dem runden Mitteltisch ab.

      Edith Cilham nickte ihrem Partner zu, der die beiden Verschlüsse aufklicken ließ und den Koffer dann langsam öffnete. Genießerisch beugten die beiden Gauner sich vor und ergötzten sich am Anblick der Pfundnoten.

      »Das ist das wirklich große Geld«, sagte Leaming und hob die ersten Banknotenbündel hoch.

      »Damit sind wir ein für allemal aus dem Schneider«, bestätigte die Frau, die allerdings von Wort zu Wort immer, langsamer und gedehnter redete. Ihre eben noch freudige Stimme bekam einen Ton der Überraschung und dann der Enttäuschung.

      Was sehr gut zu verstehen war …

      Unter der ersten Lage Banknoten befanden sich gut und korrekt zugeschnittene Papiernoten, die völlig unbedruckt und nur als Notizzettel zu benutzen waren.

      So etwas mußte enttäuschen!

      Was Thomas Leaming und Edith Cilham nicht sahen, waren kleine, schwarze Punkte, nicht größer als Stecknadelköpfe. Diese schwarzen Pünktchen waren recht munter und sehr aktiv. Sie gehörten zur Ordnung der Aphanipteren, also der flügellosen Insekten, und hatten den Fachnamen Pulex irritans. Mit anderen Worten und im Klartext, es handelte sich um Menschenflöhe, die vier Wochen ausgiebig gehungert hatten.

      Diese munteren Insekten, etwa bis zu 3 Millimeter lang, gierten danach, sich endlich zu betätigen. Sie witterten Wärme in ihrer unmittelbaren Nähe, was für sie Nahrung bedeutete, nämlich Gasttiere, an denen sie sich erfreuen konnten.

      Mit kraftvollen Sprüngen, die bis zu 30 Zentimeter lang ausfielen, stellten sie sich auf ihre letzten Beinpaare und machten sich an die Arbeit. Sie hüpften aus dem Aktenkoffer und konzentrierten ihre Bemühungen auf die beiden Gauner, die nach wie vor entgeistert waren und das sportliche Training überhaupt nicht mitbekamen.

      »So ein verdammter Schuft«, fluchte Leaming gerade und wirbelte das zugeschnittene, wertlose Papier durch die Luft. Dadurch versetzte er einige Insekten in die Lage, große Sprünge zu machen.

      »Das verstehe ich nicht.« Edith Cilham war den Tränen nahe und bemerkte nicht, daß zwei besonders sprungkräftige Exemplare dieser flügellosen Insekten ihren Ausschnitt anvisierten und dann alles auf eine Karte setzten. Sie rieb sich leicht die Haut, als die beiden Weitspringer ihr Ziel erreicht hatten und sich schleunigst in Deckung begaben. Die Flöhe stiegen nach unten in den BH und sahen sich hier näher um.

      Sie fühlten sich in dieser neuen Umgebung sofort wohl und richteten sich auf einen längeren Aufenthalt ein. Sie begaben sich in die Naht des BH-Körbchens und setzten dann ihre bohrartigen Saugrüssel an, um erst mal ausgiebig zu frühstücken.

      Edith Cilham zuckte unter den feinen Stichen zusammen und kratzte sich ausgiebig am Ausschnitt, kam aber nicht auf den Gedanken, Untermieter besonderer Art könnten sich bei ihr einquartiert haben.

      Das Beispiel der beiden Pioniere machte Schule.

      Auch die übrigen Flöhe witterten das Frühstück und machten sich auf die Reise. Sie hüpften aus dem Aktenkoffer und überfielen Edith Cilham und Thomas Leaming. Es dauerte nicht lange, bis die beiden Ganoven ihre Enttäuschung vergaßen und nur noch mit sich selbst beschäftigt waren. Etwa hundertzwanzig Flöhe, von Josuah Parker mühevoll erworben, befanden sich in Freiheit und labten sich am warmen Blut.

      Die beiden Ganoven kratzten sich inzwischen gegenseitig und rissen sich die Kleider vom Leib. Sie tanzten und hüpften umher wie ihre Untermieter und merkten endlich, was man ihnen angetan hatte. Es war Thomas Leaming, dem ein Licht aufgegangen war. Er hatte bei der Armee Ihrer Majestät gedient und war mal von einigen Flöhen angefallen worden. Er hatte gerade ein recht leichtsinniges und vielleicht auch trunkenes Exemplar dieser flügellosen Insekten erwischt und diagnostiziert. Deshalb wußte er jetzt, was auf sie zugekommen war.

      Das Gaunerpärchen stripteaste also und machte sich auf die Mikrojagd, als diese Beschäftigung jäh gestoppt wurde.

      Zwei junge, stromlinienförmig aussehende Männer, vielleicht etwas über 20 Jahre alt und mit schallgedämpften Waffen ausgerüstet sahen dem verrückten Spiel fassungslos zu und vergaßen darüber das obligate »Hände hoch« zu rufen.

      *

      »Wenn ich mir eine Bemerkung gestatten darf, Sir, so scheint man sich auf Mylady eingeschossen zu haben«, stellte Josuah Parker fest und nickte Chefinspektor Sounders andeutungsweise zu. »Ich darf daran erinnern, daß man Mylady schließlich vor einigen Monaten entführte und ein geradezu horrendes Lösegeld verlangte.«

      »Und worum geht es diesmal?« Chefinspektor Sounders, einem Bernhardiner nicht ganz unähnlich, wandte sich an die Hausherrin. Man befand sich im Salon der Stadtwohnung von Lady Simpson, in Shepherd’s Market gelegen, einem reizenden Teil von London, in dem altehrwürdige Fachwerkhäuser noch eine Art ländlichen Stil schufen.

      »Es geht um meine Nichte Hazel Maidenhead«, antwortete Lady Simpson grollend. »Fragen Sie mich nur nicht nach dem Verwandtschaftsgrad, Sounders. Sie wissen, daß mir meine Verwandtschaft normalerweise gestohlen bleiben kann. Hier aber liegt ein besonderer Fall vor. Mister Parker, die Details!«

      »Sehr wohl, Mylady.« Parker, der seitlich hinter Agatha Simpson stand, räusperte sich diskret. »Mylady bekamen gestern den Anruf besagter Maidenheads, der Eltern eben genannter Miß Hazel. Anonyme Anrufer machten klar, daß Miß Hazel entführt worden sei und sich in Lebensgefahr befände.«

      »Gegen Zahlung von hunderttausend Pfund will man Hazel wieder freilassen«, warf Lady Agatha mit Baßstimme ein. »Das soll man sich mal vorstellen, hunderttausend Pfund. Das allein ist bereits eine Frechheit! Man scheint mich für eine Millionärin zu halten.«

      »Sind Sie das denn nicht?« wunderte sich Chefinspektor Sounders gespielt überrascht und arglos.

      »Fragen Sie meinen Vermögens Verwalter, nicht mich«, erwiderte sie grimmig, denn sie verfügte selbstverständlich nicht nur über eine einzige Million. »Aber das steht hier nicht zur Debatte, Sounders. Hazels Eltern waren in hellem Aufruhr und baten um die Summe. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«

      »Das Geld natürlich zur Verfügung gestellt«, meinte Sounders. »Erfreulicherweise habe ich dieses Problem nicht.«

      »Aber ich.« Ihre Stimme klang grimmig. »Ich schickte also Mister Parker los, das Bargeld abzuheben. Am Geld soll es schließlich nicht liegen, wenn man ein Menschenleben dadurch retten kann.«

      »Sehr nobel, Mylady.«

      »Zum Teufel, sehr kostspielig«, grollte Agatha Simpson. »Das Geld sollte gegen 10 Uhr hier im Haus bereitliegen. Ein weiterer Anruf sollte uns dann sagen, wohin wir diese horrende Summe zu liefern hätten.«

      »Die Entführer hatten sich inzwischen direkt an Sie gewandt, Mylady?«

      »Nein, ich rede immer nur von den Maidenheads«, raunzte sie. »Sind Sie begriffsstutzig, Sounders?«

      »Manchmal«, räumte der Kriminalist ungeniert ein. »Demnach haben Sie also keinen direkten Kontakt mit den Entführern?«

      »Habe ich das nicht deutlich genug gesagt? Es sind die Maidenheads, nur die Maidenheads, Sounders! Haben Sie jetzt endlich begriffen?«

      Sounders ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen, schmunzelte und nickte.


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