Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek. Christopher Ross

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Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek - Christopher Ross


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Er war sowieso mit seinem Krankenhaus verheiratet und so selten zu Hause, dass die Scheidung kaum einen Unterschied für ihn gemacht hatte.

      »Ich kann leider nicht«, erwiderte sie nach einer längeren Pause. »Wie gesagt, ich fange morgen mit meinem Praktikum an und muss schon um sieben Uhr früh beim Superintendent auf der Matte stehen. Der hat das Sagen im Park. Würde keinen guten Eindruck machen, wenn ich dort verschlafen auftauche oder zu spät komme.«

      Was würde es auch für einen Sinn machen, ausgerechnet am letzten Abend mit einem jungen Mann auszugehen, den sie danach wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Bis zum Denali National Park waren es über hundert Meilen, und bei ihrem Vorstellungsgespräch hatte sie von einer Rangerin erfahren, dass man im Winter höchstens alle vier Wochen nach Fairbanks fuhr. Und die Zeit würde sie zum Einkaufen und einem Besuch bei ihrem Vater nutzen müssen. Da blieb wenig Zeit für eine Beziehung. Der Superintendent hatte nicht umsonst gefragt, ob sie vergeben war, und zufrieden gegrinst, als sie verneint hatte. »Wenn Sie es zu etwas bringen wollen, würde ich mich in nächster Zeit ganz auf meine Arbeit konzentrieren. Ich hatte im Sommer schon zwei junge Leute zu einem Praktikum hier und kann wahrscheinlich nur eine, höchstens zwei feste Anstellungen vergeben. Strengen Sie sich an, junge Dame, und blicken Sie nur nach vorn!«

      »Eine Stunde wirst du doch erübrigen können«, ließ Josh nicht locker. »Oder willst du, dass ich ewig in deiner Schuld stehe? Denk mal daran, was deine Freundinnen für Augen machen werden, wenn du ihnen erzählst, dass du mit einem Champion zum Essen warst. Wer kann das schon von sich sagen?«

      Es war wohl dieser Satz, der sie auf fatale Weise an einen Spruch des Eishockey-Captains erinnerte, und sein arrogantes Grinsen, das sie bewog, endgültig Nein zu sagen. Er empfand sicher nur Mitleid für sie. So wie sie angezogen und gestylt war, konnte sie keinem jungen Mann gefallen. »Außerdem hab ich meine Haare nicht gemacht«, sagte sie. »Und ich muss noch meinen Koffer packen und die Hunde füttern … nein, es geht wirklich nicht, Josh.«

      »Schade«, erwiderte er, »ich hätte mich gern revanchiert.«

      »Vielleicht ein anderes Mal.«

      »Du meinst, ich kann dich im Nationalpark besuchen?«

      »Aber nur an meinen freien Tagen«, sagte sie. Der kommt sowieso nicht, dachte sie insgeheim. Sobald er um die nächste Biegung ist, hat er mich schon wieder vergessen. Und ich ihn auch, fügte sie beinahe trotzig hinzu. Wenn ich mit ihm was anfange, hätte ich mich auch auf den Eishockey-Captain einlassen können. Ein schnelles Abenteuer mit so einem muss ich mir nicht geben.

      »Dann wünsche ich dir viel Glück, Julie«, riss Josh sie aus ihren Gedanken. »Ich bin gespannt, wie dir die Uniform steht. Wirst du auch einen von diesen breitkrempigen Hüten tragen?«

      »Der gehört zur Uniform dazu. Auf Wiedersehen, Josh!«

      Josh stieg auf seinen Schlitten. Nachdem er den Anker aus dem Schnee gezogen hatte, blickte er sie noch einmal an, und sie glaubte trotz der Dunkelheit so etwas wie verletzte Eitelkeit in seinem Blick zu erkennen. Oder bedauerte er tatsächlich, sie nicht zum Essen ausführen zu können? Vielleicht hatte sie sich in dem jungen Mann getäuscht, und er mochte sie tatsächlich.

      Sie löste ebenfalls den Anker und trieb ihre Hunde an. Ohne Hast lenkte sie den Schlitten weiter nach Osten. Sie wohnte in der Guest Lodge von Queen Elizabeth, wie fast jeder die Besitzerin wegen ihres Namens und ihres stattlichen Auftretens nannte, hatte dort ein Vierteljahr als Mädchen für alles gearbeitet und neben freier Kost und Unterkunft noch ausreichend Hundefutter für ihre Huskys bekommen. Ihren Vater fragte sie ungern nach Geld.

      Während die Hunde gemächlich den Spuren anderer Gespanne folgten, lehnte Julie mit beiden Unterarmen auf der Haltestange und wurde plötzlich unsicher. Vielleicht hätte sie sich doch auf ein Date einlassen sollen. So einen attraktiven jungen Mann bekam man nicht alle Tage zu fassen, und was machte es schon, wenn er am nächsten Morgen wieder verschwunden war?

      Eine ganze Menge, tröstete sie sich und feuerte ihre Hunde an. »Wollt ihr wohl laufen, ihr Faulpelze? Nun macht schon, ich will endlich nach Hause. Wir sind spät dran, und ich hab keine Lust, heute Abend ohne den leckeren Eintopf der Queen ins Bett gehen zu müssen. Vorwärts, Chuck, schneller!«

      Doch als die Huskys eine schnellere Gangart einschlugen und sie sich immer schneller von dem jungen Mann entfernte, wurde sie wütend und fluchte insgeheim. So dumm kann doch nur ich sein! Gibt dem Doppelgänger von Robert Pattinson einen Korb! Oder sah er eher wie der junge Brad Pitt aus? »Heya, heya, Chuck! Warum trödelt ihr so? Sonst gibt’s heute Abend kein Fressen!«

      Die Huskys schienen sie zu verstehen und rannten noch schneller. Nur Chuck drehte sich verwundert um und schien zu fragen: Was ist mit dir los? Was sollen diese nervösen Kommandos? Müssen wir uns Sorgen machen?

      Die Happy Loon Lodge von »Queen« Elizabeth McCormick lag ungefähr zehn Meilen östlich von Fairbanks an einer Seitenstraße des Chena Hot Springs Highway. Das zweistöckige Blockhaus ragte am Ufer eines kleinen Sees zwischen den Bäumen empor, weit genug vom Highway entfernt, um den Gästen das Gefühl zu geben, ihren Urlaub in der Wildnis zu verbringen.

      Queen Elizabeth war um die fünfzig und joggte jeden Morgen eine Stunde durch den Wald, auch im Winter, wenn die Temperaturen weit unter null lagen. Selbst jüngere Gäste, die sich ihr beim Frühsport anschlossen, hatten manchmal Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Sie war gerade vor dem Haus und nahm einige Holzscheite von dem Brennholzstapel neben der Tür, als Julie den Schlitten bremste und von den Kufen stieg. »Beeil dich!«, rief sie mit gedämpfter Stimme, damit man sie im Haus nicht hörte. »Wir haben einen Gast, einen jungen Mann aus Chicago, der fragt mir schon den ganzen Nachmittag ein Loch in den Bauch. Ob er die richtige Kleidung für eine Wintertour dabeihat, ob er Angst vor Wölfen haben muss, ob es schwer ist, auf Schneeschuhen zu laufen, was Touristen so fragen. Wäre nett, wenn du mich ablösen könntest, während ich das Essen fertig koche. Den Tisch hab ich schon gedeckt.«

      Julie verspürte keine große Lust, sich mit einem Fremden zu unterhalten, sie hätte lieber ihren Koffer gepackt und den Schlitten auf ihrem Pick-up festgeschnallt, konnte ihrer Wirtin aber schlecht einen Wunsch abschlagen. »Mache ich«, versprach sie. »Sobald ich mit den Huskys fertig bin, nehme ich mir den Knaben vor.« Sie verwöhnte Chuck mit einem freundschaftlichen Klaps und befreite die Hunde von ihren Geschirren. »Gibt’s heute wieder Elcheintopf?«

      Elizabeth lachte. »Mit viel Fleisch und wenig Kartoffeln, wie du ihn magst. Und gegen ein Glas Limonade hast du sicher auch nichts einzuwenden.« Auf ihre selbst gemachte Limonade war die Wirtin besonders stolz.

      »Ganz nach meinem Geschmack.«

      Die Aussicht auf ein schmackhaftes Abendessen ließ sie noch schneller arbeiten. Sie fütterte die Hunde mit dem Futtermix, den sie am liebsten mochten, mischte ordentlich Wasser unter den getrockneten Lachs und den Reis, damit sie genug Flüssigkeit bekamen, und redete ihnen gut zu, bevor sie ins Haus ging: »Dass ihr mir keinen Ärger macht! Keine Streitereien und keine Jaulkonzerte, hört ihr? Wir müssen morgen früh um vier Uhr los, und wer weiß, was uns im Nationalpark noch alles erwartet.«

      Nachdem sie ihren Parka, die Mütze und die Handschuhe ausgezogen und sich ein wenig frisch gemacht hatte, ging sie ins Esszimmer und begrüßte den Gast. Er stand mit einem Glas Limonade am Fenster und stellte sich als Scott Jacobsen vor, ein schlanker Mann um die dreißig, in dessen Augen eine wilde Entschlossenheit zu erkennen war. Aber vielleicht sahen alle Männer in Chicago so aus, dachte Julie. Er trug Jeans, Sweatshirt und Laufschuhe und sprach mit jenem nasalen Dialekt, den sie aus alten Gangsterfilmen kannte.

      »Sie sind eine … wie sagt man? Eine Musherin?«, begann er die Unterhaltung.

      »Ich fahre einen Hundeschlitten«, bestätigte sie, »das tun einige Frauen hier oben im Norden.« Sie lächelte. »Wir sind nicht so zart besaitet wie die Frauen in Chicago, und zum Shoppen gibt es hier auch wenig Gelegenheit.«

      Jacobsen lächelte, und für einen Moment verschwand sogar die Entschlossenheit aus seinen Augen. »Die Frauen in Chicago sind auch nicht gerade zimperlich, weder im Büro noch im Einkaufscenter, aber wenn es


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