Das Erbe der Macht - Band 23: Engelsfall. Andreas Suchanek

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Das Erbe der Macht - Band 23: Engelsfall - Andreas Suchanek


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erwartet uns zweifellos eine interessante Geschichte.« Tomoe legte ihre Finger auf das Glas. »Memorum Excitare.« Ihre Lider schlossen sich.

      Clara und Leonardo taten es ihr gleich.

      Sie sprachen die magischen Worte – und die Vergangenheit wurde lebendig.

      Der Hexenholzkrieger zersplitterte in tausend winzige Teile, die scharfkantig durch den Raum flogen. Einige Splitter rissen Wunden in Kevins Haut. Der Schmerz tat gut. Er konnte allerdings auch die vorwurfsvollen Blicke von Jen spüren, was ihm weniger gefiel.

      »Du übertreibst!«

      Er ignorierte sie. Gekleidet in eine schwarze Trekkinghose, ein ärmelloses Shirt und Boots hatte er den Trainingsraum betreten, doch mittlerweile hing das Shirt in Fetzen von seinem Körper. Mit einer schnellen Armbewegung riss er es weg.

      »Wunden kann man heilen.«

      Jen stand am Rand des Trainingsfeldes.

      Kevin selbst hatte den Raum aufgebaut, die Hexenholzkrieger aus zerstörten Artefakten konstruiert. So hatte es auch etwas Gutes, dass sie alle paar Tage ein Relikt vom Anbeginn in den Trichter warfen, um Noxanithpulver zu gewinnen. Dabei fielen zusätzlich Himmelsglas und Hexenholz ab. Mittlerweile genug, um daraus die Krieger zu bauen, wenn auch nur eine Handvoll.

      Nach jedem Kampf wurden sie magisch wieder zusammengesetzt. Sie lernten von den Attacken und verbesserten ihre Angriffsmethoden. Seit einigen Tagen war es eine echte Herausforderung, sie zu besiegen.

      Er tauchte unter dem Kraftschlag eines Angreifers hindurch und schleuderte seinerseits einen. Doch der Krieger hatte eine Contego-Sphäre errichtet.

      »Der Rat …«

      »Hör mir auf mit dem Rat«, unterbrach Kevin. »Es wird ewig debattiert und was kommt am Ende dabei heraus? Moriarty spinnt Intrigen, Granny versucht alles zusammenzuhalten, Artus will vielleicht doch wieder König werden … und so geht das weiter.«

      »Hättest du mich aussprechen lassen, wüsstest du, dass es im Gegenteil sogar gut vorangeht.«

      Kevin ließ den Krieger in die Höhe steigen, nur um kurz darauf die Schwerkraft zu verkehren. Er zerbarst am Boden. Ein weiterer Gegner erledigt. »Ach?«

      »Nachdem das neue Regelwerk von allen angenommen wurde, kommt es bald zur Abstimmung.« Jen lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. »Und obendrein hat von Thunebeck endlich die Uhr verbessert. Wir wissen jetzt immer genau, wie lange es noch bis zum nächsten Sprung dauert.«

      Es waren zweifellos wichtige Entscheidungen und Vorgänge, doch Kevin interessierten sie nicht. Die Flucht aus dem untergehenden Splitterreich, das knappe Überleben der Aquarianer, hatte Spuren hinterlassen. Er schämte sich bei dem Gedanken, dass er sich so hatte gehen lassen. Tagelang hatte er wimmernd auf einem Bett gelegen, der Verlust seines Bruders hatte wie Säure jeden Gedanken vergiftet. Stattdessen hätte er aufstehen und Merlin erledigen sollen. Logisch, rational, ohne Emotionen.

      »Potesta Maxima!«

      Der Kraftschlag durchbrach eine Contego-Sphäre und zerstörte den vorletzten Hexenholzkrieger. Wut war zugegebenermaßen eine ausgezeichnete Unterstützung für Kraftschläge.

      In den letzten Wochen hatte Kevin Gewichte gestemmt, Zauber geradezu inhaliert und Kampftechniken trainiert. Da ein Großteil des Unterrichts aktuell auf der Traumebene stattfand, hatte er sich das ebenfalls zunutze gemacht. Dort gab es jetzt Trainingssimulationen, die er entwickelt hatte. Erst nach einigen Tagen hatte er bemerkt, dass die Neuerweckten sie auch benutzten und in einer seltsamen Verklärung zu ihm aufblickten.

      Kurzerhand hatte er sein Training in die echte Welt verlagert. Er wollte kein Lehrer sein und ein Vorbild noch weniger.

      Der letzte Hexenholzkrieger erwies sich als hartnäckig. Er arbeitete mit Illusionierungen, um Kevin zu verwirren. Mehrere Schläge kamen durch. Einer davon hätte ihm beinahe das Bewusstsein geraubt.

      Jen starrte mit geweiteten Augen auf den Krieger, den Essenzstab längst gezogen. »Hast du keine Sicherung verankert?«

      »Es soll echt sein«, stellte Kevin klar. »Nicht einmischen.«

      Kevin nutzte die bereits zerstörten Gegner, wob einen Tornado aus Hexenholzsplittern und vernichtete so auch den letzten Hexenholzkrieger.

      »Bist du wahnsinnig?!«, brüllte Jen.

      »Ich hatte alles unter Kontrolle.«

      »Ach ja?« Sie deutete mit dem Essenzstab auf eine Stelle vor ihm. »Generate Mirage.«

      Magentafarbene Essenz waberte.

      Vor Kevin erschien sein Spiegelbild. Er blickte auf einen breitschultrigen Mann, an dessen Oberkörper kein Gramm Fett mehr zu finden war, stattdessen aber dicke Muskeln. Seine Augen funkelten energiegeladen, das Haar war durch den Kampf zerzaust. Sein Oberkörper war von Schweiß, Schrammen und Blut bedeckt.

      »Und?«

      »Kev, du machst dich kaputt.«

      »Ich kämpfe besser als vorher, habe mehr Muskelkraft und beherrsche dreimal so viele Kampfzauber.«

      »Du hättest verletzt werden können.«

      Er lachte auf. »Es war ein Kampf, Jen. Wenn Merlin uns in die Finger bekommt, geht es um alles oder nichts. Er würde eine Atombombe auf die Zuflucht werfen, könnte er nur. Hör auf, dir Gedanken über ein paar Wunden zu machen.« Kurzerhand zeichnete Kevin auf seine eigene Haut ein magisches Symbol und rezitierte: »Sanitatem Corpus.«

      Er spürte das Sigil in seinem Inneren auflodern, stärker als zuvor. Ohne Chris gehörte die erzeugte Essenz ihm allein. Der Schmerz über den Verlust war immer präsent, doch Kevin hatte gelernt, ihn beiseitezuschieben. Die Wunden schlossen sich, das Blut trocknete und fiel von ihm ab.

      Jetzt, wo der Kampf vorbei war, geschah es von allein. Seine Emotionen schienen nicht länger Teil seines Ichs zu sein, als gäbe es eine Glaswand zwischen ihnen und ihm. Alles wirkte fern, erreichte sein Innerstes nicht mehr.

      »Siehst du. Eine Dusche, und ich bin wieder wie neu.«

      »Wenn du so weitermachst, wirst du noch durch eine Trainingseinheit sterben!«

      »Jetzt übertreibst du.« Kevin nahm sich ein Handtuch, das an der Seite auf seiner Trainingstasche lag, und trocknete sich ab.

      Bevor Jen etwas erwidern konnte, wurde die Tür mit einem lauten Knall geöffnet. Alex stürmte herein. »Dieser elende Mistkerl!«

      Jen seufzte. »Nils?«

      »Wer denn sonst? Seit er entdeckt hat, wie viel Spaß es macht, als Springer Streiche zu spielen, lebt er das voll aus.«

      »Und hast du ihm nicht genau das beigebracht?«, fragte Jen. »Ich erinnere mich da noch an: Nils, wäre es nicht lustig, wenn du die Schuhe von Paul mit denen von Rebeca vertauschst?«

      »Darum geht es jetzt nicht«, trotzte Alex. »Dieser Winzling ist völlig außer Kontrolle.«

      »Was hat er getan?«

      Alex stapfte heran, hauchte Jen mit geröteten Wangen einen Kuss auf den Mund und nickte Kevin kurz zu. »Er hat mein Bier geklaut und stattdessen Orangensaft hingestellt.«

      Jen brach in schallendes Gelächter aus.

      »Das ist nicht lustig, es war meine letzte Flasche«, ereiferte er sich. »Und er hat mir nicht verraten, wer sie bekommen hat. Vermutlich ist sie längst ausgetrunken.«

      Zwischen Alex und Jen begann eine der typischen Neckereien. Kevin betrachtete seine Freunde eingehend. Innerlich konnte er nur den Kopf schütteln. Sie alle befanden sich in Lebensgefahr. Merlin mochte jeden Augenblick zu einer neuen Attacke ansetzen. Und die beiden kabbelten einander, stritten über Bier oder Kekse.

      Es war so bedeutungslos.

      »Du bist schuld!«


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