Der Malaiische Archipel. Alfred Russel Wallace

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Der Malaiische Archipel - Alfred Russel Wallace


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hat jede Provinz, selbst die im fernsten Inneren, eine bleibende Jesuiten Missionsanstalt, beständig durch frische Aspiranten in Gang gehalten, die in den Sprachen der Länder, welche sie besuchen wollen, unterrichtet werden. In China sollen an eine Million Bekehrte sein; in Tongking und Cochinchina mehr als eine halbe Million. Ein Geheimnis des Erfolges dieser Missionen ist die strenge Sparsamkeit, welch beim Verausgaben der Mittel geübt wird. Ein Missionar darf ungefähr dreißig Pfund das Jahr ausgeben, wofür er lebt, wo es auch sei. Daher können eine große Anzahl Missionare mit sehr beschränkten Mitteln unterhalten werden; und die Eingeborenen, welche sehen, dass ihre Lehrer in Armut und ohne irgendwelchen Luxus leben, sind überzeugt, dass sie es ernst meinen mit dem, was sie lehren, und dass sie wirklich Heimat und Freunde, Bequemlichkeit und Sicherheit für das Wohl anderer aufgegeben haben. Kein Wunder daher, dass sie bekehrt werden, denn es muss eine große Wohltat für die Armen, unter denen sie wirken, sein, einen Mann bei sich zu haben, zu dem sie in Sorge und Unglück gehen können, um sich Trost und Rat zu holen, der sie in Krankheit besucht, der sei in der Not unterstützt und den sie von Tag zu Tag in Gefahr vor Verfolgung und Tod lediglich für ihr Wohl leben sehen.

      Mein Freund in Bukit Timah war wirklich ein Vater für seine Herde. Er predigte ihnen jeden Sonntag chinesisch und hatte in der Woche Abende für die Diskussion und Unterhaltung festgesetzt. Er errichtete eine Schule für ihre Kinder. Sein Haus stand ihnen Tag und Nacht offen. Kam jemand zu ihm und sagte: »Ich habe heute keinen Reis für meine Familie«, so gab er ihm die Hälfte von dem, was er zu Hause hatte, so wenig es auch sein mochte. Sagte ein anderer: »Ich habe kein Geld, meine Schuld einzulösen«, so gab er ihm die Hälfte des Inhaltes seiner Börse, und wenn es sein letzter Dollar gewesen wäre. Ebenso aber schickte er, wenn er selbst Mangel litt, zu einem der Reichsten seiner Herde und sagte: »Ich habe keinen Reis im Hause«, oder: »Ich habe mein Geld weggegeben und habe dieses oder jenes nötig.« Die Folge war, dass seine Herde ihm vertraute und ihn liebte, denn sie fühlte sicherlich, dass er ihr wahrer Freund sei und keine Absichten habe, wenn er unter ihnen lebte.

      Die Insel Singapur besteht aus einer Menge kleiner Hügel von dreihundert bis vierhundert Fuß Höhe, deren Gipfel teilweise noch mit Urwald bedeckt sind. Das Missionshaus zu Bukit Timah war umgeben von mehreren dieser waldgekrönten Hügel, welche viel von Holzschlägern und Sägern besucht wurden, und sie boten mir vortreffliche Gelegenheit zum Sammeln von Insekten. Hier und da waren auch Tigerfallen aufgestellt, sorgfältig überdeckt mit Stöcken und Blättern und so gut versteckt, dass ich mehrere Male kaum dem Hineinfallen entging. Sie sind wie ein Schmelzofen gebaut, unten weiter als oben und vielleicht fünfzehn bis zwanzig Fuß tief, sodass man ohne Hilfe unmöglich wieder herauskann. Früher wurde ein scharf zugespitzter Pfahl auf den Boden gesteckt; aber seitdem ein unglücklicher Reisender durch Hinabfallen umgekommen, wurde dieser Brauch untersagt. Es gibt um Singapur stets einige Tiger, und sie töten durchschnittlich täglich einen Chinesen, besonders jene, welche in den immer in neu gelichtetem Dschungel angelegten Gambir-Pflanzungen arbeiten. Wir hörten einen Tiger ein- oder zweimal des Abends brüllen, und es war immerhin ein etwas nervöses Arbeiten, unter gefallenen Baumstämmen und in alten Sägegruben nach Insekten zu jagen, wenn eines dieser wilden Tiere vielleicht nahebei auf der Lauer lag, auf eine Gelegenheit zum Sprung wartend.

      Mehrere Stunden mitten am Tag verbrachte ich auf diesen Waldplätzen, die entzückend kühl und schattig waren im Gegensatz zu dem nackten offenen Land, das man durchwandern musste, um dorthin zu gelangen. Die Vegetation war äußerst üppig und bestand aus enormen Waldbäumen, aus den verschiedenartigsten Farnkräutern, Wasserbrotwurzeln und anderem Unterholz und aus einer Unmasse von kletternden Rotangpalmen. Insekten gab es außerordentlich viele und sehr interessante, und jeder Tag brachte uns eine Unzahl neuer und merkwürdiger Formen. In ungefähr zwei Monaten erhielt ich nicht weniger als siebenhundert Käferarten, von denen ein großer Teil ganz neu; darunter waren hundertunddreißig verschiedene Arten der eleganten von Sammlern so sehr geschätzten Bockkäfer (Cerambycidae). Fast alle diese wurden auf einem Fleck im Dschungel gesammelt, der nicht größer war als eine Quadratmeile, und auf allen meinen folgenden Reisen im Osten traf ich selten, wenn je, einen so ergiebigen Ort wieder. Diese außerordentliche Ergiebigkeit hatte zweifellos teilweise ihren Grund in einigen begünstigenden Bedingungen des Bodens, des Klimas, der Vegetation und der Jahreszeit, die sehr hell und sonnig war mit genügenden Regenschauern, um alles frisch zu erhalten. Aber es war auch nach meiner Überzeugung zum großen Teil abhängig von der Arbeit der chinesischen Holzfäller. Sie hatten hier mehrere Jahre schon gewirtschaftet und während der ganzen Zeit einen beständigen Vorrat an trockenen, toten und zerfallenden Blättern und Rinden mit vielem Holz und Sägespänen aufgehäuft, was eine gute Nahrung für die Insekten und ihre Larven abgibt. Das hatte zur Ansammlung einer großen Menge von verschiedenen Arten auf einem begrenzten Raum Grund gegeben, und ich war der erste Naturforscher, der kam, um die Ernte, welche sie bereitet, einzuheimsen. Auf demselben Platz und auf meinen Wanderungen nach anderen Richtungen hin erhielt ich eine schöne Sammlung von Schmetterlingen und anderen Insektenordnungen, sodass ich im Ganzen sehr befriedigt war von diesen meinen ersten Versuchen, die Naturgeschichte des Malaiischen Archipels kennenzulernen.

      6Eine mit Bambusrohr und kleinen Bäumen bestandene Fläche. A. d. Übers.

      DRITTES KAPITEL

      MALAKKA UND DER BERG OPHIR

       (Juli bis September 1854)

      Da Vögel und die meisten anderen Tierarten auf Singapur selten waren, so verließ ich es im Juli und ging nach Malakka, wo ich mehr als zwei Monate im Inneren zubrachte und einen Ausflug nach dem Berg Ophir machte. Die alte und pittoreske Stadt Malakka zieht sich längs dem Ufer eines schmalen Flusses hin und hat enge Straßen mit Läden und Häusern, bewohnt von den Abkommen der Portugiesen und von Chinesen. In den Vorstädten sind die Häuser der englischen Offizianten und einiger portugiesischer Kaufleute, versteckt in Hainen von Palmen und Fruchtbäumen, deren verschiedenartiges und schönes Laubwerk dem Auge wohltut und erquickenden Schatten spendet.

      Das alte Fort, das große Regierungsgebäude und die Ruinen einer Kathedrale zeugen von dem früheren Reichtum und der Bedeutung des Ortes, der einst ebenso der Mittelpunkt des östlichen Handels war, wie es jetzt Singapur ist. Die folgende Beschreibung von Linschott von vor 270 Jahren gibt ein schlagendes Bild der Veränderung, die hier Platz gegriffen.

      »Malakka ist von den Portugiesen und von Eingeborenen, Malaien genannt, bewohnt. Die Portugiesen haben hier eine Festung wie in Mosambik und es gibt in ganz Indien nächst denen von Mosambik und Hormus keine Festung, in welcher die Befehlshaber ihrer Pflicht mehr nachkommen, als in dieser. Dieser Ort ist der Markt von ganz Indien, China, den Molukken und anderen Inseln im Umkreis und sowohl von allen diesen Gegenden als auch von Banda, Java, Sumatra, Siam, Pegu, Bengalen, Koromandel und Indien kommen mit allen möglichen Waren beladene Schiffe an, welche beständig ein- und auslaufen. Es würde hier eine größere Anzahl Portugiesen leben, wenn nicht die schädliche und ungesunde Luft sowohl Fremde als auch Eingeborene zugrunde richtete. Daher zahlen alle, die in diesem Land wohnen, einen Tribut mit ihrer Gesundheit; sie leiden an einer gewissen Krankheit, infolge welcher sie entweder Haut oder Haar verlieren. Und diejenigen, welche dem entgehen, betrachten es als ein Wunder, das viele veranlasst, das Land zu meiden, während andere die verzehrende Sucht nach Gewinn dazu verleitet, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen und den Versuch zu wagen, eine solche Atmosphäre zu ertragen. Nach der Erzählung der Eingeborenen war der Ursprung der Stadt sehr klein; sie wurde anfangs wegen der Ungesundheit der Luft nur von sechs oder sieben Fischern bewohnt. Aber die Zahl vergrößerte sich durch das Zusammentreffen von Fischern aus Siam, Pegu und Bengalen, die dann eine Stadt bauten und eine besondere Sprache sich aneigneten, die gebildet wurde aus den elegantesten Sprechweisen anderer Völker, sodass jetzt in der Tat die Sprache der Malaien die feinste, ausgebildetste und berühmteste Sprache des ganzen Ostens ist. Dieser Stadt wurde der Name Malakka gegeben und sie wuchs vermöge ihrer günstigen Lage in kurzer Zeit zu solchem Reichtum an, dass sie den mächtigsten Städten und Gegenden rundherum nicht nachsteht. Die Eingeborenen, Männer und Frauen, sind sehr wohlgesittet; sie werden zu den im Komplimentemachen Geschicktesten der Welt gezählt und beeifern sich sehr, Verse und Liebeslieder zu dichten und zu zitieren. Ihre Sprache ist


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