... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz
Читать онлайн книгу.könnte?« Tina schüttelte den Kopf. Sie kannte zwar eine Menge Leute und mochte diese auch gerne, aber sie wollte sie doch ungern in ihre Wohnung lassen.
»Ich habe vor einigen Tagen die Sachen meiner verstorbenen Freundin zum DRK gebracht. Vielleicht haben sie die ja noch. Die würde ich gerne haben wollen. Ich kann ja dort gleich mal anrufen und fragen, ob die Sachen noch dort sind.« Dr. Bergheim fasste sich an die Nase.
»Bitte warten Sie einen Moment. Ich habe da eine Idee.«
Der Schwester, die gerade mit einigen Kleidungsstücken auf dem Arm zurück kam, sagte er: »Ja, das ist gut, ziehen Sie ihr zunächst die Sachen an. Wir sehen dann weiter.«
Er zeigte mit dem Zeigefinger auf Tina und sagte: »Ich komme später wieder. Es kann etwas dauern, vielleicht geht es erst heute Nachmittag. Aber ich komme. Schön hierbleiben.« Tina lächelte ihn mit ihrem schönsten Lächeln an.
»Eigentlich wollte ich ja gleich die Treppe hinauf flitzen, aber wenn Sie mich so nett bitten, dann bleibe ich natürlich hier.« Beide lachten und Andreas Bergheim ging mit dem Lächeln auf den Lippen in sein Sprechzimmer. Eine tolle Frau!
Dr. Bergheim ging zunächst in die Visite. Dieses dauerte fast 2 Stunden. Danach besprach er alles Wichtige mit seinen Kollegen und der Chefarzt der orthopädischen Chirurgie stellte den OP-Plan für die nächsten drei Tage vor.
Tina war am Montag mit dabei. Kurz vor Mittag fand er endlich Zeit, sich wieder um Tinas Angelegenheit zu kümmern. Er machte sich auf den Weg zu seinem Freund Peter Weber. Als er dessen Sprechzimmer betrat, stand Peter am Fenster und schaute gedankenverloren hinaus.
»Hallo Andreas,« sagte er, als er seinen Freund sah.
»Hallo«, sagte auch Andy.
»Hast du Langeweile oder schaust du dir deine Patienten an, wie sie spazieren gehen?«
Peter Weber verzog das Gesicht: »Wieso machst du alles so lächerlich?«, fragte er verständnislos.
»Hier war heute der Bär los. Gerade geht das letzte Ehepaar raus.« Andy nickte. Er kannte das.
»Wollen wir zusammen in die Kantine zum Mittagessen?«, fragte er. Peter nickte.
»Ja, das ist eine gute Idee. Schnell weg, sonst kommt gleich wieder jemand oder es gibt einen Notfall, und wir kommen wieder nicht zum essen.«
Die beiden Ärzte gingen zum Fahrstuhl und drückten den Knopf für die Kantine.
»Was möchtest du?«, fragte Andy, als sie den Essensraum betreten hatten.
»Mir egal, nur eine Suppe«, sagte Peter.
»Nix da. Suppe! Du siehst schon aus wie ein Suppenkasper. Bitte zwei Mal Menü 1 und 2 Wasser.«
Das Essen war köstlich, was meistens in dieser Klinik der Fall war. Sogar Peter hatte alles aufgegessen, und Andy brachte das Gespräch wieder auf Tina Braune.
»Hast du deinen Schützling schon besucht?«, fragte er vorsichtig.
»Ja, gestern Abend noch. Aber da schlief sie. Ich habe ihr Blumen schicken lassen.«
»Oh, das ist aber nett von dir«, meinte Andy sarkastisch.
»Das wird sie sehr freuen.«
»Ja«, nickte Peter zufrieden. »Das denke ich auch.«
Und damit hast du alles wieder ins Lot gebracht, dachte Andy. Wie einfältig er doch manchmal war. Andy legte seine Hand auf den Arm seines Freundes.
»Du Peter, diese Frau hat keine Nachtwäsche und auch keinen Jogginganzug, wenn sie zur MTT muss. Du musst es ihr kaufen.« Peter schmiss den Löffel in das Dessert, dass es schepperte.
»Nein, nein«, sagte er in lautem Ton, das werde ich nicht tun! Ich habe schon Blumen gekauft. Was bildet sich diese Person bloß ein? Ich lasse mich doch nicht ausnehmen!«
»Peter, bitte beruhige dich. Sie hat gar nichts gefordert. Sie hat niemanden, der ihr die Sachen bringen könnte. Und sie hat mir heute früh gesagt, dass sie beim DRK anrufen wollte, ob die Kleidung ihrer verstorbenen Freundin noch da wäre. Das geht doch nun wohl gar nicht. Die Kleiderkammer soll die Sachen wieder rausrücken? Wie peinlich.
Kauf ihr zumindest Unterwäsche und zwei Nachthemden. Und eine Zahnbürste.« Peter wurde rot im Gesicht.
»Ich soll ihr Unterwäsche kaufen?‘«
Andy legte seinen Zeigefinger auf den Mund.
»Peter, schrei doch nicht so!«
»Ich schreie so viel ich will. Impertinent das Ganze! Okay, du hörst ja doch nicht auf. Hier sind 50 Euro. Gib sie einer Praktikantin, damit sie was einkauft. Und nenne diesen Namen Braune nie wieder in meiner Gegenwart!« Die anderen Kollegen und Schwestern, die sich in der Kantine befanden, achteten schon gar nicht mehr auf die lauten Ausbrüche von Dr. Weber. Sie kannten es schon.
Andy nahm die 50 Euro und sah ihn über den Rand seiner Brille an: »Mein lieber Freund, du hast Frau Braune in diese Lage gebracht. Du! Und du hast dich um sie zu kümmern, bis sie wieder vollkommen gesund ist.«
Schnell hielt er mit beiden Händen den Pudding seines Freundes fest. Er riskierte, dass der Chefarzt Dr. Weber so außer Kontrolle geriet und ihn den Pudding samt Schale ins Gesicht schleudern würde.
Als sich Tina, frisch gewaschen, das letzte Stückchen Brötchen in den Mund steckte, schaltete sie den Fernseher an. Sie wählte alle Programme durch, aber es war nichts dabei, was sie interessieren könnte. Sie war ohnehin kein großer Fernseh-Fan. Ein Mädel kam, räumte das Tablett ab und stellte Tina eine Karaffe Wasser und ein Glas hin.
Und was nun?, dachte Tina. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und wollte ein wenig schlafen. Was sollte man sonst hier tun? Aber es klappte nicht.
Sie nahm ihre Handtasche und stöberte darin. Die müsste wohl mal aufgeräumt werden! Also kippte sie den gesamten Inhalt auf ihre Bettdecke. Einige Geldmünzen sammelte sie ein und steckte sie in die Geldbörse. Dann waren da diverse trockene Kräuter, die sie einsammelte, noch einmal betrachtete und dann wegwarf.
Und dann war da ein Foto von ihr und Marie. Arm in Arm saßen die beiden auf einer Wiese unter einem Apfelbaum. Sie hatten dort ein Picknick gemacht. Tina konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Marie, sieh doch nur, ich brauche dich nun. Ich bin so alleine. Warum musste das denn bloß passieren? Wenn ich dich doch nur noch hätte! Sieh nur, ich liege hier in einem Totenhemd. Hinten ist es offen. Mit langweiligen blauen Blüten, immer dieselben Blüten.
Und der Slip! Ein Netzhöschen! Ich will zu dir, Marie. Bitte hole mich doch. Bitte Marie. Oder besorge mir Klamotten. Ich mag einfach nicht mehr. Dieser blöde Kerl ist an allem schuld. Gib mir doch ein Zeichen, meine Marie. Zeige mir, dass du bei mir bist.«
Tina schnäuzte sich die Nase wischte sich die Augen. So unglücklich wie heute war sie noch nie.
Es klopfte an der Tür. Tina schaute erstaunt, als sie sich öffnete. Eine Krankenschwester stand dort mit Blumen. Sie waren in Papier eingewickelt, aber Tina erkannte es sofort. Meine Firma, dachte sie. Die schicken mir Blumen. Woher wissen die es nur?
Die Schwester holte eine Vase und verließ das Zimmer. Marie packte die Orchideen aus. Sie nahm den kleinen Umschlag und las »Zimmer 8« auf der Vorderseite. Dann öffnete sie ihn und schmiss ihn umgehend in die Ecke des Zimmers. So ein Schuft! Schickte der ihr Maries Kinder!
So nannte sie ihre Züchtungen immer, weil sie ihnen ja das Leben geschenkt hatte. Diese hier waren besonders schön, weil sie neben der roten Lippe zwei Augen hatten. Marie war so stolz auf sie. Nein, diese Blumen wollte sie nicht. Sie wollte sie gerade in den Mülleimer werfen, als sie innehielt.
Sie hatte um ein Zeichen gebeten, und just in diesem Moment wurden ihr die Kinder von Marie gebracht. Die sind gar nicht von ihm, die sind von Marie. Er ist nur der Vermittler. Liebevoll stellte sie die schönen Blüten ins Wasser.
Allein der Gedanke daran, dass Marie sie einmal in ihren Händen