... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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... denn alles ist Vorherbestimmt - Elisabeth Schmitz


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bewegte sich die Gardine. Seltsam. Aber ja, es wird die Nachtschwester mit der Decke sein, die einen Luftzug bewirkt hatte. Peter stieg ein und fuhr los.

       11.

      

      

      

      

      Als Peter in Negnil ankam, regnete es bereits heftig. Aber er konnte direkt von der Garage ins Haus und wurde somit nicht nass.

      Er zog sich seine Schuhe und die Jacke aus, die er einfach auf einen Stuhl in der Küche warf.

      Wenn Martha doch nur noch einmal schimpfen würde, dass er so achtlos alles rumliegen ließ. Früher hatte er sich über das Gekeife geärgert, und heute fehlte es ihm sehr. Er ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an, um eine Ton- und Geräuschkulisse zu haben. Er goss sich einen Rotwein ein, stellte das Glas auf den Tisch und ging in Marthas Ankleideraum, um nach den Schlafanzügen zu sehen. Wieso hatte Martha so viele von diesen Dingern. Man konnte doch nur einen tragen!

      Es klingelte an der Tür, und Peter ging hin, um sie zu öffnen. Auf dem Monitor sah er, dass sein Freund Andreas vor der Tür stand. Schnell öffnete er die Tür, weil Andy bereits pitschnass war.

      »Hallo Peter«, sagte er.

      »Ich war vorhin schon mal da. Warst du so lange im Klinikum?« Peter antwortete nicht auf seine Frage, sondern zog ihn mit sich.

      »Gut, dass du kommst. Ich weiß nicht, welche Schlafanzüge ich Frau Braune mitnehmen soll. Sieh mal, da liegt ja alles voll. Der blaue ist ganz schön, oder? Ach, ich weiß es nicht.«

      Andy sah sich die Sachen an und entschied sich für einen dunkelroten und einen grauen.

      »Du musst darauf schauen, dass sie ihn über das Bein bekommt. Kann ich mal mit dir reden, Peter?«

      Erst nun sah Dr. Weber, dass Andy ein ganz betretenes Gesicht machte.

      »Was ist passiert? Komm mit ins Wohnzimmer, da können wir besser reden.« Andy sah das Glas mit dem Rotwein und kippte es ex hinunter. Er setzte sich auf das Sofa und schaute in das leere Rotweinglas.

      »Ich bin heute früher nach Hause gegangen, wie du weißt. Und bereits als ich in den Flur kam, merkte ich, dass jemand da war, aber ich konnte niemanden sehen. Ich ging durch alle Räume, und dann sah ich es: Jörg lag mit einem anderen im Bett.

      Peter, ich dachte, es zieht mir jemand den Boden unter den Füßen weg. Ich habe diesem Mann alles gegeben. Er hatte seine Arbeit verloren und konnte bei mir wohnen. Er durfte mein Auto fahren und Freunde einladen, wann immer er wollte. Ich kann es noch gar nicht fassen. Kann ich heute Nacht bei dir bleiben?«

      Peter nickte.

      »Natürlich. Bleib, solange du willst. Ich habe ja die Gästesuite. Zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein eigenes Bad stehen dir zur Verfügung.«

      Martha saß auf der Sofakante und legte ihre unsichtbare Hand auf den Arm ihres Freundes.

      Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: »Dieser Hallodri hat dich doch gar nicht verdient. Ich habe ihn nie gemocht und habe ihn nur geduldet, weil du ihn so sehr geliebt hast. Ich bin froh, dass du ihn los bist und traurig, dass du nun so leidest.«

      Marie setzte sich zu Martha und meinte: »Es ist fast dieselbe Situation wie bei Tina. Sie hat die beiden damals auch in flagranti erwischt. Er soll sich mal mit ihr darüber unterhalten, das wird ihm ein wenig helfen. Sag ihm das, Martha.«

      Martha tat, wie Marie es ihr gesagt hatte und flüsterte dieses in sein Ohr.

      Er stand nun auf und fühlte sich ein klein wenig besser, seit er mit Peter geredet hatte. Andy ging zur Tür, öffnete sie und holte seine Tasche aus dem Auto. Der Regen hatte aufgehört, aber überall standen Pfützen.

      Als Peter am nächsten Morgen auf den Parkplatz des Klinikums fuhr, sah er den gelben Sportwagen seines Freundes bereits auf einem der für die Ärzte reservierten Plätze stehen. Er parkte seinen Wagen ebenfalls dort und betrat die Klinik. Die beiden Schlafanzüge hatte er in eine Jutetasche gesteckt und kam sich damit recht lächerlich vor.

      Beate Müller, seine Sekretärin, war bereits an ihrem Arbeitsplatz und hatte das Chefbüro schon aufgeschlossen.

      »Kaffee Chef?« fragte sie.

      »Ja, danke Beate, das wäre nun gut.«

      Bea wusste, dass Peter am Morgen zu Hause nie frühstücken würde und hatte schon alles geordert. Als die Praktikantin mit dem Kaffee und dem belegten Brötchen kam, nahm Bea es ihr ab und brachte ihn wie immer zu Peter ins Büro.

      »Waren Sie heute Morgen schon einkaufen?«, meinte sie schmunzelnd und zeigte auf den Beutel mit den Schlafanzügen.

      »Das geht Sie gar nichts an«, brummelte der Chefarzt und betrachtete das Gespräch als beendet.

      Ein knappes »Danke« kam noch über seine Lippen, und dann wandte er sich dem Stapel Akten auf seinem Schreibtisch zu. Das würde heute wieder ein harter Tag werden, aber eigentlich war es ja immer so.

      Er unterschrieb einige Briefe, die Bea ihm am Morgen schon hingelegt hatte und nahm dann die erste Kartei der Patienten zur Hand, die heute in seiner Sprechstunde sein würden. Ein 54-jähriger Mann, der an Morbus Parkinson litt, sollte überprüft werden, ob das neue Medikament angeschlagen hatte. Es war ein neues Präparat, das in Amerika gute Erfolge hatte.

      Dann waren noch drei Patienten da, die an schwerer Torticollis litten und eine Botulinum-Injektion benötigten. Dr. Peter Weber war auf dem Gebiet des Schiefhals-Syndroms, wie der Torticollis auch genannt wurde, eine Kapazität und deshalb kamen die Patienten teilweise von weit her, um ihre Schmerzen und ihre schiefe Körperhaltung hier behandeln zu lassen.

      Die einzige Medikation, die hier hilft, ist die Behandlung mit Botulinum, kurz auch Botox genannt. All seinen Patienten hat er bei dieser Diagnose helfen können. Sie hielten nun ihren Kopf gerade und waren so gut wie schmerzfrei. Gut, dass es dieses Gift gibt, dachte Peter bei sich.

      Eine 59-jährige Frau brauchte vor der Injektion immer eine psychologische Zuwendung, denn sie hatte eine Panik vor Spritzen. Hier war Ruhe und Feingefühl gefragt.

      Der nächste Patient kam zu einer Nachkontrolle. Peter hatte ihm vor einem Jahr einen Tumor aus dem Kopf operiert. Als er die CT betrachtete, war er stolz. Er hatte gute Arbeit gemacht, denn es war nicht einmal eine Narbe zu sehen. Der 42-jährige Mann hatte keinerlei Beschwerden mehr und konnte seine Arbeit als Grafiker wieder aufnehmen.

      Dann war noch ein Schlaganfallpatient da, eine MS-Kranke, zwei Demenzerkrankte und Patienten mit Nerven- oder Muskelerkrankungen. Und als letzter Patient war Herr Meyzer dran.

      Noch zwei Patienten, und dann konnte Peter Weber durchatmen. Eine Stunde würde es wohl noch dauern, zumal bei Herrn Meyzer eine längere Untersuchung anstand. Er rief Andy an und sagte ihm, dass die Mittagsstunde bei ihm wohl noch etwas ausstehen würde, und dieser sagte ihm, dass auch bei ihm viel los sei und es ihm auch gut passen würde. Um 14 Uhr würde die Kantine schließen, aber bis dahin müsste es klappen.

      Herrn Moser, dem vorletzten Patienten mit einem Bulbärsyndrom, ging es glücklicherweise nicht schlechter, als bei der letzten Untersuchung. Die Sprache war fast weg und das Schlucken wurde auch immer schlechter, aber die körperliche Verfassung war gut. Peter sprach ihn auf eine Magensonde an und erklärte ihm die Vorteile, aber davon wollte Herr Moser nichts wissen. Nun denn, er ist der Patient, dachte Peter und sagte ihm, dass er zu jeder Zeit kommen könne, egal wie wichtig es ihm scheine. Peter schluckte. Eine schlimme Sache mit wenig Lebensqualität.

      Peter hatte im Laufe seiner Berufstätigkeit viel Leid gesehen, aber als die Tür aufging und Herr Meyzer eintrat, erschrak er. Drastisch abgemagert, keine Haare, zermartertes Gesicht! Peter stand auf und traute sich nicht zu fragen, wie es ihm gehe. Er bat das Ehepaar, doch bitte Platz zu nehmen und Frau Meyzer gab ihm eine CD, die man ihr bei der letzten


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