... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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... denn alles ist Vorherbestimmt - Elisabeth Schmitz


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      Der primäre Hirntumor war zwar noch sichtbar, aber die Metastasen waren nicht mehr zu sehen. Zwar deutete alles auf einen bösen Tumor hin, aber Peter wollte nun sicher gehen. Es war nach dieser Behandlung möglich, eine Biopsie vorzunehmen, so dass man eine ganz genaue Diagnose hatte. Er teilte dieses der Familie mit, und ein freudiges Ausatmen bei beiden erstaunte den Neurologen.

      Er sagte: »Herr Meyzer, dies ist keine Entfernung des Tumors. Wir holen nur etwas aus Ihrem Kopf um zu sehen, wie böse der überhaupt ist. Den Tumor können wir nicht entfernen. Sie würden vielleicht überleben, aber Sie wären schwerst behindert. Mit absoluter Sicherheit.«

      Er drehte den Bildschirm und zeigte ihnen den Tumor, der an den wichtigsten Stellen im Gehirn angewachsen war. Die einzige Methode war, ihn mit Strahlen klein zu halten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt war eine Strahlentherapie undenkbar. Herr Meyzer musste sich erst einmal erholen.

      Peter teilte ihm mit, dass er morgen stationär aufgenommen werde und dann noch mal alle Untersuchungen gemacht würden. PET, die Biopsie, und alles andere. Die Belastung der Untersuchungen wären zum jetzigen Zeitpunkt ambulant fatal. Und allein schon wegen der Psyche dieses Mannes sollte man noch was tun.

      Frau Meyzer stand auf und bat inständig, ob es nicht doch möglich wäre, ihren Mann zu operieren. Vielleicht gäbe es ja irgendeine Möglichkeit.

      Peter versprach, sich noch einmal ganz intensiv mit dem Tumor zu befassen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dann würde er sie auch finden, sagte er. Aber er war sich nun schon sicher, dass es nicht gehen würde.

      Frau Meyzer wollte schon wieder aufbrausen, aber Peter sagte ihr, dass er im Moment noch gar nichts sagen könne. Er hasste solche Situationen, wenn er die Leute auch verstehen konnte. Er verabschiedete sich und sagte seinem Patienten, dass er ihn in der Klinik aufsuchen werde, und dann wollte er alles mit ihm besprechen. Die PET würde ihm alles ganz genau zeigen, und darauf wolle er nun erst einmal warten.

      Peter schaute noch eine Weile das Krankheitsbild seines Patienten an. Man durfte diesen Mann nicht operieren. Aber auf der anderen Seite: Dieses Leben ist vielleicht schlimmer als der Tod. Der Tumor würde wieder nachwachsen, das stand fest. Und irgendwann wären auch wieder Metastasen da, und dann würden seine Körperfunktionen ohnehin nachlassen. Heute um 16 Uhr war wieder eine Teambesprechung. Mal sehen, ob seine Kollegen auch seiner Meinung wären.

      Mitten in seinen Gedanken klingelte sein Telefon und Andy meinte, wenn er nicht gleich käme, würde er eine kalte Suppe bekommen.

      »Es passt nun«, sagte Peter. »Der letzte Patient ist gerade gegangen. Eine wirklich schwierige Sache. Ich bin auf dem Weg. Bis gleich. Bestell mir bitte schon mal etwas. Egal was, ich habe einen Bärenhunger. Außer einem Brötchen und einer Tasse Kaffee habe ich noch nichts gehabt.«

      Er steckte das Handy in die Brusttasche seines Kittels und ging zum Fahrstuhl. Bea kam gerade von der Mittagspause zurück. Peter wechselte noch ein paar Worte mit ihr und sagte, dass er gegen 15 Uhr wieder da sei. Dann wäre er im Besprechungsraum.

      Er bestieg den Fahrstuhl und ging in die Mensa, die nur für das Personal zugänglich war. Andy war nicht zu sehen. Peter ging zur Essenstheke und sah seinen Freund mit einem Tablett auf ihn zukommen, auf dem beide Menüs Platz hatten.

      »Hast du es auf meine Karte setzen lassen?«, fragte er.

      Andy lächelte ihn schelmisch an und meinte: »Ich muss mich mit meinem Vermieter gut stellen. Geht auf mich.«

      Peter nahm ihm das Tablett aus den Händen und meinte, dass er es dann doch wenigstens tragen würde.

      Die Mensa war um kurz vor zwei bereits ziemlich leer. Nachdem sie sich einen schönen Fensterplatz gesucht hatten, erzählte Peter seinem Freund von dem Stress, der heute da war und erfuhr, dass es in der Orthopädie nicht viel anders war.

      »Was macht denn mein Schützling? Ich werde heute Abend zeitig Schluss machen und dann noch zu ihr gehen. Sie wartet sicherlich schon auf die Schlafanzüge.«

      Andy nickte.

      »Ich habe gleich meine Sprechstunde, und Frau Braune ist mit dabei. Ich denke, es sieht gut aus. Sie übt schon tüchtig, aber klappen will es noch nicht so recht mit den Stöcken. Sie lief heute mit dem Gehwagen, sagte mir der Therapeut. Damit soll es besser gehen. Ich schau mir das gleich mal an, ob der Wagen für sie was ist.«

      Die beiden hingen nun jeder seinen Gedanken nach und aßen ruhig weiter.

       12.

      

      

      

      

      Als Tina am Nachmittag in ihrem grünen Jogginganzug den Aufzug betrat, kam eine Schwester dazu, die einen kleinen Jungen im Rollstuhl fuhr. Die beiden schienen viel Spaß zu haben, denn sie lachten, bis die Tränen kamen. Dabei passte die Krankenschwester wohl nicht auf, so dass der Rollstuhl gegen Tinas Gehwagen stieß, und sie ins Wanken kam. Im letzten Moment konnte sie sich noch halten. Der Junge hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, und auch die Krankenschwester war sichtlich erschrocken.

      »Verpetzt du uns?«, fragte der Knirps und sah sie mit großen Augen an. Tina hatte sich zwar auch erschrocken, aber es war ja nichts passiert.

      »Nee, aber das kostet was. Du gehst nachher mit mir ein Eis essen. Ich bezahle, okay? Wie heißt du denn?«

      »Nils. Ich heiße Nils, und wie heißt du?«

      »Ich bin Tina. Musst du auch zu Dr. Bergheim?« Nils nickte.

      »Ja. Und danach gehen wir Eis essen. Muss ich ja wohl, oder?« Er zog ein Gesicht, als ob es für ihn eine große Strafe wäre.

      »Ja«, sagte Tina, »das hast du dir selber eingebrockt. Aber wenn ich es so richtig bedenke, ist ja Schwester Marianne Schuld. Sie muss mit mir zum Eis essen. Du konntest ja nichts dafür.« Da stützte er sich auf die Lehne des Rollstuhls und wurde hektisch.

      »Nein, nein, das kommt nicht in Frage. Ich gehe mit. Das ist nun abgemacht. Marianne mag gar kein Eis, glaub ich. Ist doch so, oder Marianne?«

      Die Schwester lächelte und meinte: »Das hast du richtig erkannt. Für ein Eis ist es viel zu kalt für mich. Geh du ruhig mit.«

      Der kleine Junge bekam rote Wangen und freute sich.

      Er schaute Tina an und sagte: »Ich mag so gerne Eis. Haben die hier sowas? Auch mit Schokolade?« Tina nickte.

      Der Fahrstuhl hielt, die drei stiegen aus und gingen zum Behandlungszimmer von Dr. Bergheim.

      Schwester Anna nahm Nils schon in Empfang und meinte zu ihrer Kollegin: »Danke Marianne. Ich übernehme ihn. Ich rufe dich an, wenn er fertig ist. Bis nachher.«

      Sie wollte mit Nils in das Zimmer gehen, aber er rief: »Halt! Tina, gehst du wirklich nicht weg? Bitte bleib hier. Ich bin gleich fertig. Versprochen ist versprochen.« Und dann erzählte er Anna, dass er gleich ein Eis bekäme.

      Tina versprach, dazubleiben. Sie konnte ja gar nicht fort, sagte sie, weil sie doch auch noch untersucht werden müsse.

      Das sah er ein und meinte zu Anna: »Dann fahr jetzt los. Tina wartet auf mich. Wir müssen uns beeilen.«

      Und es dauerte auch wirklich nicht lange, als er mit Dr. Bergheim im Schlepptau in der Tür erschien.

      »So, Frau Braune, dann kommen Sie mal. Nils wartet hier. Klar, Sportsfreund?«

      »Klar Boss.«

      Und zu Tina meinte Andy: »Da sind Sie wohl zur rechten Zeit am rechten Ort. Der Kleine hat schon eine Menge mitgemacht und soll am Freitag noch mal unters Messer. Aber er ist sehr tapfer. Und wie ist es nun mit Ihnen? Mit dem Wagen klappt das Laufen etwas besser, oder?«

      »So richtig gut geht es auch nicht, aber ich übe. Ich soll am Wochenende entlassen werden und bin ja alleine. Also muss es bis dahin gehen mit dem Gehen.«


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