Grantlkatz. Kaspar Panizza

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Grantlkatz - Kaspar Panizza


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hatte er extra für diese Übung eine Stange angebracht.

      Das Klappern der Katzentür schreckte ihn auf.

      »Hallo, schwarze Schwester, was treibt dich so früh zu mir? Sollst du mich abholen? Sag bloß, der Sklaventreiber ist schon wach. Egal, ich hab eh keinen Kaffee im Haus. Lass uns schauen, was der ›große Vorsitzende‹ treibt.«

      Frau Merkel sprang auf Emils Knie, legte die Ohren an, Blick nach vorne und gab damit unmissverständlich zu verstehen, dass er losfahren konnte. Emil verzog das Gesicht, öffnete die Balkontür und rollte nach draußen.

      »Du, Merkel, mit deine Krallen musst a bisserl aufpassen. Ich hab jetzt a Gefühl in die Oberschenkel.«

      Augenblicklich spürte er, wie der Schmerz nachließ.

      »Bist halt doch a g’scheide Katz.«

      »Aber hallo, man steigt ja auch nicht auf die Bremse, wenn man losfahren will. Schließlich halt ich mir einen Rollifahrer als Chauffeur.«

      Als die beiden durch Steinböcks Wintergartentür rollten, schlurfte dieser gerade, nur mit einer Blümchen-Boxershorts bekleidet, in Richtung Bad.

      »Servus, Emil, geh sei so gut und mach uns zwei Kaffee. Du kennst dich ja aus. Ich geh mich schnell duschen.« Dann verschwand er am Ende des Ganges.

      Emil rollte inzwischen in die Küche, holte zwei Kaffeepads aus der Dose und schaltete die Maschine an. Frau Merkel sprang vorsorglich von seinem Schoß, sie wollte nicht mit heißem Kaffee übergossen werden. In Steinböcks Kühlschrank fand er außer drei vertrockneten Tortellini, die einsam auf einem Teller lagen, nichts Essbares. Es war wohl besser, im Büro zu frühstücken. Ilona hatte sicherlich schon für frische Butterbrezen gesorgt. Mayer junior nahm sich vor, heute nach Dienstschluss Einkaufen zu fahren, um seine Vorräte wieder aufzufüllen. Sechs Wochen Abwesenheit waren ganz schön lange. Die Tassen machte er nicht voll, trotzdem musste er jede gesondert in den Wintergarten bringen. Steinböck hatte Wort gehalten. Als Emil mit der zweiten Tasse anrollte, kam er, ein Handtuch um den Hals gelegt und jetzt mit groß karierten Boxershorts bekleidet, aus dem Badezimmer und nahm seinen Kaffee in Empfang.

      »Mit diesen Unterhosen bekomm ich dich nie unter die Haube. Ich befürchte, ich werde dich auch in Zukunft alleine ertragen müssen«, stichelte Frau Merkel. Nachdem die Gefahr, mit heißem Kaffee überschüttet zu werden, gebannt war, machte sie es sich erneut auf Emils Knien bequem.

      »Schön, dass du wieder da bist, jetzt werd ich die Nervensäge von Katz wenigstens ab und zu mal los.«

      »Ich seh schon, es hat sich nix geändert. Ihr zwei seids immer noch ziemlich beste Freunde«, erwiderte Emil grinsend. »Sag mal, der Mord heut Nacht, weißt du da schon Näheres?«

      Steinböck streifte sich ein Poloshirt über, nahm seinen Kaffeehafen wieder auf und setzte sich auf die Kante des Korbsessels. »Sieht nach Raubmord aus. Der Mann, Renato Maucher, wurde regelrecht abgeschlachtet. Seine Frau Silke hatte mehr Glück. Sie liegt zwar im Krankenhaus, wird aber durchkommen. Wir sollten sie heute noch vernehmen, sobald es die Ärzte zulassen.«

      »Gut, ich fahr dann gleich los, Ilona sitzt bestimmt schon im Büro«, sagte Emil, schubste die Katz von den Knien und stellte seine leere Tasse auf dem Korbtisch ab. »Auf geht’s, Katz. Du fahrst mit deinem Chef.«

      »Das glaub ich auch. Wir sollten nicht zu spät kommen, der Fall ist ziemlich heikel. So wie unser Opfer gekleidet war, kommt der aus den besseren Kreisen. Da wird sich die Presse drauf stürzen. Wahrscheinlich scharrt die Husup vor unserm Büro bereits mit den Hufen und geht der armen Ilona auf die Nerven.«

      »Die Frau Hasleitner kann sich schon wehren. Und übrigens, a fesche Unterhosen hast an«, stellte Mayer junior feixend fest und rollte aus der Tür.

      »Sag ich doch«, grinste Steinböck in Richtung Frau Merkel. »Der Bua weiß halt, was grad hip ist.«

      »Bei dem Wort ›hip‹ in deinem Zusammenhang fallen mir eher Babynahrung und Altenheime ein.«

      *

      Steinböck saß schweigend am Steuer seines alten VW Käfers und versuchte sich auf den chaotischen Verkehr zu konzentrieren.

      Berufsverkehr in München, des ist wie Wagenrennen bei Ben Hur, dachte er bei sich.

      »Habe gar nicht gewusst, dass du solche cineastischen Klassiker kennst«, kommentierte Frau Merkel vom Beifahrersitz.

      »Spionierst schon wieder in meinen Gedanken rum?«, schimpfte er.

      »Ach wo, wollte nur wissen, ob du mir das mit dem Altenheim und den pürierten Brokkoligläschen noch nachträgst.«

      Steinböck, der gerade auf den Parkplatz in der Ett­straße einbog, bremste den Käfer ruckartig ab und freute sich diebisch, als die Katze beinahe vom Sitz geschleudert wurde. Es folgte eine der üblichen Fehlzündungen und dann war der Wagen sauber eingeparkt auf seinem Platz. Vor dem Eingang zum Kommissariat stand ein Aufnahmewagen vom Bayerischen Rundfunk, aus dessen Kofferraum ein Mann soeben eine tragbare Kamera hervorzog.

      »Vorsicht, Alarmstufe Rot: Wenn sogar die vom Fernsehen da sind, wird die ganze Eingangshalle voll sein. Ich schleich mich durch den Hintereingang rein. Du kannst dich ja mal umhören, aber machs net so auffällig«, bemerkte er in Richtung Frau Merkel.

      Steinböck umrundete vorsichtig die Mauer und stellte fest, dass ihm niemand folgte. Erleichtert erreichte er einen der Nebeneingänge, zu dem er einen Schlüssel hatte. Plötzlich löste sich aus dem Schatten der Hauswand eine Person, eilte schnell auf ihn zu und erreichte ihn, bevor er die Tür aufgeschlossen hatte.

      »Kommissar Steinböck, Sie wollen mir doch nicht entkommen?«, rief Sabine Husup und schob sich samt ihrer riesigen Umhängetasche zwischen ihn und die rettende Tür.

      »Doch, das hatte ich eigentlich vor.«

      »Zu spät, Sie mussten doch wissen, dass ich Sie erwische.«

      Steinböck zuckte resigniert mit den Schultern und musterte die kleine Reporterin. Sie war mit Jeans und einem überlangen grauen, vermutlich selbst gestrickten Pullover bekleidet. Wie üblich hatte sie die kurzen Haare gegelt. Die glichen dadurch mehr einem Käseigel als einer Frisur. Die runde Nickelbrille hatte ihr hier auf dem Revier den Spitznamen Harry Potter für Arme eingebracht. »Also, was wollen Sie?«

      »Der Mord an Renato Maucher, war es ein Racheakt?«

      »Renato Maucher? Racheakt?«, fragte er sichtlich überrascht.

      »Jetzt kommen Sie schon, Herr Kommissar, der Kerl war ein ganz mieser Hund. Einen auf feinen Pinkel machen und dann die armen Schweine unter der Reichenbachbrücke um ihr Geld betrügen. Also, war das nun ein Rachemord?«

      »Mensch, Husup, dazu kann ich ein paar Stunden nach dem Mord wirklich noch nichts sagen. Melden Sie sich morgen wieder, und ich will schauen, was ich bis dahin an die Presse weitergeben kann. Oder besser: Ich ruf Sie morgen Nachmittag an.«

      »Morgen, morgen, das ist Ihr Lieblingswort. Ich warte auf Ihren Anruf! Wehe, wenn Sie mich dann erneut vertrösten.«

      »Aber Frau Husup«, sagte er scheinheilig. »Das würde mir nie in den Sinn kommen.«

      »Pharisäer«, zischte sie und gab widerwillig den Durchgang frei. »Ach, Kommissar Steinböck, hier mein Artikel, den ich letzte Woche über den Maucher geschrieben habe«, fuhr sie fort und klopfte mit einer zusammengefalteten Zeitung auf seine Brust.

      Erleichtert lehnte sich Steinböck gegen die Tür, die hinter ihm ins Schloss gefallen war, und winkte mit der Zeitung in die an der Decke angebrachte Überwachungskamera. Ihm war klar, dass durch sein Öffnen der Hintertür oben in der Information ein Alarm ausgelöst wurde. Deshalb wartete er noch ein paar Sekunden, bis er sicher war, dass der Kollege Schneehofer ihn erkannt hatte. Es war ihm ein Rätsel, woher Husup all diese Informationen hatte. Und sie wusste schon wieder entschieden mehr als er. Er kramte sein Smartphone aus der Tasche und wählte die Nummer von Peter Obstler, seinem Informanten.

      »Servus, Peter, sagt dir der Name Renato Maucher etwas?«


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