Teufelskatz. Kaspar Panizza
Читать онлайн книгу.Montag
Nachdem Steinböck sich eine Zigarette gedreht hatte, setzte er sich mit einer Tasse Kaffee in den Korbstuhl und stellte fest, dass er Maxi Müllers Marihuanapflanzen unbedingt gießen musste. Nachdem Maxi Müller wegen zweifachen Totschlags zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden war, hatte Steinböck auf ihren Wunsch die Wohnung gewechselt, um sich besser der Pflanzen in ihrem Wintergarten annehmen zu können. Dazu hatte man ihre Möbel in seiner ehemaligen Wohnung abgestellt, und er war dafür mit seinen Sachen bei ihr eingezogen. Dafür hatte er versprochen, sich um ihre Pflanzen zu kümmern.
Während er seinen Gedanken und Tagträumen nachhing, war die Katze durch die offene Gewächshaustür hereingekommen, sprang auf den wackeligen Korbtisch und platzierte sich vor Steinböcks Kaffeetasse.
»Verdammt, du sollst nicht immer mit deinen dreckigen Pfoten auf den Tisch springen«, knurrte er und zündete dabei die Selbstgedrehte an.
»Ich hab es heute Nacht getroffen«, sagte sie, ohne auf Steinböcks Vorwurf einzugehen.
»Wen hast du getroffen?«
»Na, es, das fliegende Spaghettimonster.«
»Aha«, sagte er grinsend und nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette.
»Ja, es bestand nur aus einem großen Haufen Spaghetti mit Stielaugen, und dazwischen waren kleine Fleischpflanzerl. Ungefähr wie diese ekligen Köttbullar, die du dir bei IKEA immer reinziehst.«
Steinböck gluckste, verschluckte sich am Rauch der Zigarette und hustete wild.
»Du nimmst mich wohl nicht ernst, und außerdem solltest du nicht so viel rauchen, wenn du es nicht verträgst.«
Steinböck versuchte wieder zu Atem zu kommen, griff sein Feuerzeug und warf es nach der Katze, die aber bereits blitzschnell durch die Tür verschwunden war.
»Gewalt ist auch keine Lösung«, hörte er sie noch rufen.
Steinböcks anfängliche gute Laune war auf den Nullpunkt gesunken. Für einen kurzen Moment dachte er wieder daran, den Polizeipsychologen aufzusuchen.
Spaghetti mit kleinen Fleischpflanzerln, das kann nicht aus meinem Hirn kommen, überlegte er, und somit verwarf er den Gedanken, mit dem Psychologen zu sprechen, zum wiederholten Male. Solange es danach aussah, dass die Katze wirklich mit ihm sprach, sah er keine Veranlassung, an seinem Geisteszustand zu zweifeln.
Pünktlich um 8.30 Uhr verließ er mit seinem alten Käfer, begleitet von einigen Fehlzündungen, den Hof in der Fallmerayerstraße. Er hatte versprochen, seine Kollegin Ilona Hasleitner abzuholen und sie mit ins Kommissariat zu nehmen. Die Katze saß wie immer, wenn sie nicht schlief, vorne auf der Ablage, von wo sie in der Regel ihre Kommentare zu Steinböcks Fahrstil oder dem der anderen Verkehrsteilnehmer zum Besten geben konnte. Diesmal blieb sie still und es hatte auch nicht den Anschein, als ob sie den Verkehr beobachten würde. In der Schellingstraße stieg Ilona Hasleitner zu.
»Morgen, Chef, morgen, Katze, gut geschlafen?«, sagte sie munter und ließ sich in den Beifahrersitz plumpsen. Hasleitner hatte im letzten halben Jahr deutlich abgenommen, so passte inzwischen auch der Sicherheitsgurt des alten Käfers. Steinböck brummte ein kaum verständliches »Guten Morgen«, und Frau Merkel, die Ilona Hasleitner sonst freudig begrüßte, starrte weiterhin schweigend auf die Straße.
»Auweia, dicke Luft bei der Familie Steinböck. Soll ich aussteigen und mit der Tram fahren?«
»Awo, die Katz hat bloß schlecht g’schlafen. Sie hat eine Erscheinung g’habt und jetzt hat sie Bauchweh«, sagte Steinböck feixend.
»So, eine Erscheinung, und was ist ihr erschienen?«
»Ein großer Haufen Spaghetti mit kleinen Fleischpflanzerl.«
»Auweia, und davon hat’s zu viel gefressen?«
Jetzt lachte Steinböck laut.
»Kann scho sein, aber ich glaub’s nicht. Der Haufen Nudeln ist nämlich das fliegende Spaghettimonster und die Gottheit der Pastafari.«
»Du meinst, der Rastafari, Bob Marley und so.«
»Na, na, Pastafari ist schon richtig. Und da des alles mit einem neuen Fall zu tun hat, wirst du im Büro gleich darüber recherchieren.«
»Ein neuer Fall?«
»Ist noch nicht ganz sicher, aber mein Bauch sagt mir, dass es einer wird.«
Ilona Hasleitner schwieg einen Moment und versuchte, das eben Gehörte zu verdauen. Dann schweifte ihr Blick von der Katze zum Kommissar. Der »Chef«, wie sie Steinböck am liebsten nannte, hatte sie vor einem halben Jahr während ihrer Ausbildung zum Streifendienst zur Kripo geholt. Inzwischen hatte sie ihre Prüfung abgelegt und wollte Ermittlerin werden. Steinböck war gemütlich, aber auch genial. Doch sein seltsames Verhältnis zur Katze, die er meist mit ins Büro brachte, stellte sie immer wieder vor neue Rätsel.
»Und woher weißt du, dass dieses Spaghettimonster der Katze erschienen ist? Du kannst also doch mit ihr reden«, stellte sie fest.
»So ein Schmarrn, niemand kann mit Katzen reden«, sagte er energisch. Frau Merkel zog ihre Mundwinkel herunter, und ohne Zweifel schmunzelte sie hämisch. Dann sprang sie von der Ablage auf Ilonas Schoß und rollte sich dort genüsslich zusammen.
*
»Er ist wieder da«, raunte der Beamte an der Information Steinböck zu, wobei er eine geheimnisvolle Miene aufsetzte.
»Wer ist wieder da, Schneehofer?«
»Na, Ihr spezieller Freind«, dabei deutete er mit einem Nicken des Kopfes in Richtung der Katze auf Steinböcks Arm. »Da Staller ist wieder da.«
»Ich dachte, der kommt nicht wieder. Wie lange war der jetzt weg? Vier Monate?«
»Fünf Monat war er in psychiatrischer Behandlung. Aber jetzt soll er wieder in Ordnung sein.«
»Danke für den Hinweis«, murmelte Steinböck und steuerte auf den Aufzug zu.
»Yeah, der Kampf geht weiter«, schnurrte die Katze.
»Untersteh dich, dich ihm auch nur zu nähern«, zischte der Kommissar. Hasleitner, die die ganze Zeit hinter ihm her trottete, äffte Steinböck mit einem breiten Grinsen im Gesicht nach.
»Niemand kann mit Tieren reden.« Dann nahm sie die Treppen, während sich Steinböck mit noch zwei Beamten in den schon vollen Aufzug quetschte.
Im Büro empfing sie Emil Mayer junior, der geschickt mit seinem Rollstuhl zwischen den Schreibtischen herumkurvte.
»Morgen, Chef! Klessel hat angerufen. Er sagte, es war Mord. Du wüsstest schon Bescheid. Der schriftliche Bericht kommt nach. Du könntest auch rüberkommen, wenn du magst.«
»Dacht ich mir doch. Die SpuSi …«
»… hab ich schon losgeschickt«, unterbrach ihn Mayer junior und schob sich in Richtung Kaffeemaschine.
»Seit wann bist du schon da?«
»Seit um sechse«, antwortete Emil Mayer.
»Hast wieder Schmerzen g’habt?«
»Leider ned in die Füß, wenn’s nur endlich wehtun tät, dann wüsst’ ich, dass was passiert. Aber der Arzt hat g’sagt, die Chancen sind gut.«
Dann stützte er sich mit beiden Händen auf die Armlehnen des Rollis, streckte den Kopf nach hinten, bis es hörbar knackte, und ließ sich dann zurück in den Rollstuhl fallen.
»Magst an Kaffee, Chef?«
Steinböck sah ihn an und dachte daran, wie er das erste Mal im Büro aufgetaucht war. Er war mit dem Rollstuhl gegen die Bürotür geknallt. Die Schramme sah man heute noch.
»Emil Mayer junior. Ich bin der neue Kollege. Neger, Rollstuhlfahrer, 60er-Fan«, so hatte er sich damals vorgestellt. Gerade einmal 30, da hatte ihn eine verirrte Kugel in