Teufelskatz. Kaspar Panizza

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Teufelskatz - Kaspar Panizza


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sind die Schutzhüllen, die kommen aus China und riechen alle so nach Gift. Damit desinfizieren die die Schiffscontainer wegen dem Ungeziefer«, warf Mayer junior ein und schob sich hinter seinen Schreibtisch zurück.

      »Soll das heißen, dass ich Grubers Foto veröffentlichen kann?«

      »Was wollen Sie denn damit? ›Toter auf Couch, Sabine Husup sprach mit dem Kissen‹?«

      »Wurde Gruber ermordet?«, fragte sie, ohne auf Steinböck einzugehen.

      »Warum hat der Gruber Sie zu sich bestellt?«

      »Sie zuerst.«

      »Jetzt reicht’s!«, polterte Steinböck. »Legen Sie sich nicht mit einem alten Mann an.«

      »Nun kokettieren Sie bloß nicht mit Ihrem Alter. Sie sehen doch noch ganz gut aus. Man könnte sogar sagen, ziemlich sexy«, dabei blickte sie fragend zu Ilona Hasleitner. Diese nickte und sagte grinsend: »Genau, ziemlich sexy.«

      »Also, was wollte Gruber von Ihnen?«, zischte er.

      Husup überlegte kurz, ob sie das Spiel noch weitertreiben sollte, entschloss sich dann aber dagegen.

      »Ich weiß es wirklich nicht. Er tat sehr geheimnisvoll. Wie Sie vielleicht wissen, wollte er für ein Jahr durch die USA und Südamerika reisen. Er hatte einfach nicht mehr die Zeit, die Sache aufzuklären. Er sprach von einem ungeheuren Skandal und prophezeite mir Schwierigkeiten ohne Ende. Das hat mich natürlich gereizt. Hätte ich gestern nur meinen Frisörtermin verschoben und wäre zwei Stunden eher gekommen.«

      »Den Frisör hätt sie sich auch sparen können«, schnurrte Frau Merkel vom Fensterbrett.

      »Dann wären Sie jetzt vermutlich tot«, warf Steinböck ein.

      »Also ist Gruber ermordet worden?«

      »Wir wissen es noch nicht, wir haben keinerlei Motiv. Also, halten Sie noch ein paar Tage die Beine still, und ich versprech Ihnen die Story exklusiv.«

      »Okay Steinböck, aber verarschen Sie mich nicht.« Genau so schnell, wie sie gekommen war, hatte sie das Büro wieder verlassen.

      *

      »Leute, ich fang mal mit Grubers Nachbarn an«, sagte Emil Mayer junior, während er versuchte, seinen Rolli zurück hinter seinen Schreibtisch zu manövrieren. »Der Mann ist Elektroingenieur und arbeitet bei Siemens. Er verdient mehr als wir drei zusammen. Er gilt zwar als etwas eigenbrötlerisch, aber auch als hochintelligent. Außerdem gehört er zu einer Gruppe, die sich ›Pastafari‹ nennen, und jetzt wird’s wirklich toll. Da treffen sich erwachsene Frauen und Männer, verkleiden sich als Piraten, geben sich Namen wie ›Bruder Spaghetti‹ oder ›Schwester Tortellini‹ und huldigen dabei ›Seiner Nudligkeit‹, dem fliegenden Spaghettimonster. Auf den ersten Blick ein Haufen Spinner, sollte man meinen. Aber je mehr ich darüber gelesen habe, desto mehr hat die Sache mich fasziniert.«

      Emil genoss es, dass die anderen förmlich an seinen Lippen hingen. Selbst die Katze beobachtete ihn mit ihren bernsteinfarbenen Augen. »Also, im Jahr 2005 gründete der amerikanische Physiker Bob Henderson diese Religionsparodie. Der Anlass für die Gründung dieser Religion war die öffentliche Diskussion um die Unterrichtung von ›Intelligent Design‹ an US-amerikanischen Schulen.«

      »Geht’s a bisserl einfacher?«

      »Also gut, ich versuch des Ganze mal zusammenzufassen. Bei den Amis ist das Unterrichten von religiösen Inhalten an Schulen nicht erlaubt. Nun gibt’s da diese Kreationisten. Die findet man vor allem unter den Republikanern. Sie sind Vertreter der Schöpfungsgeschichte, wie sie in der Bibel steht.«

      »Ah, davon hab ich schon gehört. Die sagen, dass die Erde vor ein paar Tausend Jahren, so wie’s im Alten Testament steht, erschaffen worden ist und vorher war nix«, warf Hasleitner ein.

      »So ungefähr. Jetzt wird an den amerikanischen Schulen im Biologieunterricht, wie auch bei uns, die Evolutionstheorie nach Darwin gelehrt …«

      »Mensch, Emil, komm zur Sache«, brummte Steinböck ungeduldig.

      »Also kurz, die Kreationisten klagen seit Jahren vergeblich vor amerikanischen Gerichten, dass die Schöpfungsgeschichte als Wissenschaft anerkannt wird und somit auch in den Schulen gelehrt werden darf. So, dem Henderson ist des auf den Sack gegangen und er hat einen offenen Brief an die Schulbehörde von Kansas geschrieben und darin verlangt, dass sein Glaube an das fliegende Spaghettimonster dann ebenfalls als gleichberechtigte Lehre anerkannt wird. Tja, und dieser Brief verbreitete sich dann im Netz mit so einer Geschwindigkeit, dass es nach Angaben der Ersten Vereinigten Kirche des fliegenden Spaghettimonsters in Deutschland weltweit inzwischen mehr als 10 Millionen Anhänger bei steigender Tendenz gibt«, sagte Mayer junior und freute sich offensichtlich diebisch.

      »Und was ist jetzt daran so lustig?«, fragte Ilona verwirrt.

      »Mei, Ilona, dazu müsstest du mal a bisserl im Internet nachlesen. Aber für dich, Chef, hab ich da was Schönes.« Er überflog ein Blatt murmelte vor sich hin und las dann laut vor: »Nach dem Tod stehen den Gläubigen im ›Himmel‹ unter anderem ein Biervulkan und eine Stripper- und Stripperinnen-Fabrik zur Verfügung. Im Buch ›Das Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters‹ werden unter anderem analog den zehn Geboten des Christentums die acht ›Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht …‹ beschrieben, die vom Spaghettimonster gepredigt werden. Diese sprechen sich unter anderem gegen Diskriminierung, Vorurteile, religiöse Dogmen, Nötigung und Frauenfeindlichkeit aus. Zum Beispiel das sechste Gebot: ›Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht Multimillionendollar-Kirchen, Moscheen, Tempel, Schreine für Meine Nudlige Güte erbauen. Das Geld kann man nun wirklich sinnvoller anlegen. Sucht euch etwas aus: Zum Beispiel, Armut zu beenden, Krankheiten zu heilen, in Frieden zu leben, mit Leidenschaft zu lieben und die Kosten von Kabelfernsehen zu senken. Mag ja sein, dass ich ein komplexes, allwissendes Kohlenwasserstoffwesen bin, aber ich mag die einfachen Dinge im Leben. Ich muss es wissen, ich bin der Schöpfer.‹«

      »Ich glaub, da muss ich heut Abend a bisserl googeln«, sagte Steinböck wobei er sich mit dem Finger durch seinen Dreitagebart strich und dabei die Katze musterte. »Sag mal, Emil, gibt’s irgendwo eine Beschreibung, wie des Spaghettimonster aussieht?«

      »Hier steht, wie eine große Portion Spaghetti mit Fleischbällchen und Stielaugen.«

      »Mit Fleischbällchen?«, murmelte Steinböck.

      »Na ja, bei uns sagt man kleine Fleischpflanzerl.«

      Steinböck versuchte das triumphale, hämische Grinsen der Katze zu ignorieren, und nahm sich erneut vor, nächste Woche den Polizeipsychologen aufzusuchen.

      *

      Der Mann kam aus der Gemeinschaftstoilette und blickte vorsichtig nach beiden Seiten. Zwischen den Zimmertüren zu den Schlafräumen reihten sich die Kleiderschränke der Internatsschüler, glücklicherweise übersah er den Jungen, der sich tief in den Schatten zwischen Schrank und Tür kauerte. Eigentlich suchte der Junge nach seinem Bettnachbarn, doch der vermummte Mann ängstigte ihn. Das Mondlicht war so hell, dass der Mann den ganzen Gang übersehen konnte. Noch einmal ließ er seinen Blick herumschweifen dann zog er sich die Kapuze vom Kopf und steckte sie in die Hosentasche. Er stellte dabei fest, dass sein Hosenstall noch offen war. Zufrieden lächelte er, als er den Reißverschluss mit einem kurzen Ruck zuzog. Dann fiel das Mondlicht auf sein Gesicht. Der Junge drückte sich noch tiefer in die Ecke und wagte kaum zu atmen. Der Mann verschwand eilig den Gang hinunter.

      Warum schleicht einer der Erwachsenen nachts mit einer Maske vor dem Gesicht durchs Haus?, überlegte er. Der Junge wusste nicht, wie lange er reglos in der Ecke gekauert hatte, als sich die Klinke der Toilettentür bewegte und er den Freund schluchzend auf allen vieren hinter der Tür hervorkriechen sah. Er nannte ihn immer seinen kleinen Bruder. Er hatte sich stets einen Bruder gewünscht. Vorsichtig bückte er sich zu ihm hinunter und flüsterte wiederholt seinen Namen. Er sah in dessen verzerrtes Gesicht.

      »Es tut so weh!«, wimmerte er.

      Der Junge brachte den Freund zurück zu seinem Bett, verstört blickte er auf dessen blutigen Pyjama.


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