Im gleißenden Licht der Sonne. Clare Clark

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Im gleißenden Licht der Sonne - Clare  Clark


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ist aber schon klar, dass sie sich einen Ehemann angeln will.«

      Julius runzelte die Stirn. »Also, wirklich …«

      »Ist aber so. Die Inflation hat uns ruiniert, uns den letzten Pfennig genommen. Sie ist nur wegen Ihnen gekommen.«

      »Das reicht.«

      »Sie hat es auf jemand Reichen und Berühmten abgesehen, und Sie sind beides, oder? Jedenfalls reich und berühmt genug für sie. Es würde sie nicht einmal stören, wenn Sie geschieden wären. In dieser Hinsicht ist sie sehr modern.«

      »Ich habe gesagt, das reicht!«, herrschte Julius sie an, schnappte sich seine Zeitung und ging steifbeinig Richtung Tür.

      »Wie Sie wollen«, rief Fräulein Eberhardt ihm nach. »Aber sagen Sie bloß nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Sie tut immer so honigsüß, dabei ist sie das gar nicht. Sie hat überhaupt nichts Liebenswürdiges an sich.«

      Am Nachmittag fuhr Julius zurück nach Berlin. Wegen dringender Geschäfte, wie er Nadine gegenüber angab, als sie Einwände erhob. Kein Friede den Gottlosen. Er war dankbar für die Ablenkung durch die heimkehrende Schlittschuhgesellschaft. Auf einmal waren überall Diener, wuselten mit Whiskygläsern und Glühweinkrügen herum, und der Salon war von lautem Gelächter erfüllt.

      Er stand schon beim Wagen, als jemand seinen Namen rief. Widerstrebend drehte er sich um. Sie hatte ihre Malertracht gegen einen seidigen schwarzen Pullover getauscht, der ihre schmale Taille und die Rundung ihrer Brüste betonte. Julius wandte den Blick ab. Sie war noch ein Kind, tadelte er sich, ein dummes, lästiges Kind. Der Chauffeur öffnete die Wagentür.

      »Fräulein Eberhardt«, sagte er kühl. »Ist noch etwas?«

      »Sie haben sich gar nicht von mir verabschiedet.«

      Sie war viel kleiner, als er gedacht hatte, ihr Kopf reichte ihm kaum bis an die Schulter. Um den Hals trug sie eine Kette, die ihr über die Schlüsselbeine hing, ein goldenes Band mit einem Anhänger in Form eines winzigen Schlüssels.

      »Sie sollten ins Haus gehen«, riet er ihr. »Ohne Mantel ist es zu kalt draußen.«

      »Jetzt klingen Sie wie meine Mutter.«

      »Ach ja? Dann sollten Sie vielleicht auf sie hören.« Er nickte dem Chauffeur zu und kletterte in den Wagen. »Guten Tag, gnädiges Fräulein.«

      »Warten Sie«, hielt sie ihn zurück und legte eine Hand auf die Tür. »Sie müssen nicht abreisen.«

      »Doch, ich muss. Ich bin auch schon spät dran.«

      Fräulein Eberhardt zögerte. Sie zitterte, ihre Lippen waren blau angelaufen. »Aber nicht wegen der Dinge, die ich zu Ihnen gesagt habe, oder?«

      »Sie leiden an bemerkenswerter Selbstüberschätzung, aber nein, Kindchen, ich fahre nicht, weil Sie Ihre Mutter beleidigt haben.«

      »Ich bin kein Kind mehr.«

      »Nicht? Dann hören Sie endlich auf, sich wie eins zu benehmen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich möchte meinen Zug nicht verpassen.«

      Fräulein Eberhardt schwieg. »In Wirklichkeit ist sie gar nicht so«, sagte sie mit leiser Stimme. »Nicht so, wie ich zu Ihnen gesagt habe. Da.«

      Sie zog ein gefaltetes Stück Papier aus der Tasche und hielt es ihm vor die Nase. Verwirrt nahm er es entgegen. Als der Chauffeur die Wagentür zuschlug, lief sie zum Haus. Julius sah, wie sich die Eingangstür öffnete und sich dabei die Silhouette ihrer schlanken Figur vor dem hellen Licht aus dem Haus abzeichnete. Dann fiel die Tür wieder zu, und sie war verschwunden.

      Der Wagen glitt die baumgesäumte Straße entlang, die zum See führte, die Scheinwerfer zwei Lichttunnel in der zunehmenden Dämmerung. Bleiche Bäume tauchten aus dem Dunkel auf und verschwanden wieder. Julius blickte auf den gefalteten Zettel in seiner Hand, dessen Kanten ihn in die Handfläche schnitten, und steckte ihn mit einem Seufzer ungeöffnet in die Tasche.

      VII

      In den Wochen nach Julius’ Rückkehr aus München war Matthias häufig in Berlin. In Geschäften, wie er vage angab, und Julius bohrte nicht nach. Er freute sich, dass der junge Mann ihn regelmäßig besuchte. Inzwischen meldete er sich gar nicht mehr an, sondern schaute einfach auf dem Weg von einer Besprechung oder zu einem Abendessen vorbei, und auch wenn Frau Lang kein Geheimnis aus ihrer Missbilligung machte, gefiel Julius gerade das Spontane daran. Er kam selten ungelegen. Im Gegenteil, er schien einen untrüglichen Instinkt für den richtigen Moment zu besitzen und wählte stets jene Abende für seine Besuche, an denen Julius’ Termine früh endeten oder er allein zu Abend aß. Gelegentlich brachte er ihm ein Gemälde zur Echtheitsprüfung mit. Oft auch nicht. Er hatte die Angewohnheit, sich beim Zuhören vorzubeugen, als würde er die Worte durch die Haut absorbieren.

      »Versprich mir, mich in die Wüste zu schicken, sobald du meiner überdrüssig wirst«, verlangte er, und auch wenn Julius es ihm lachend versicherte, gab es keinen einzigen Abend, an dem sich Julius beim Abschied nicht wünschte, der junge Mann würde noch ein bisschen länger bleiben. Er dachte an all die geistlosen Kreaturen auf Luisas Feiern, die meisten in Matthias’ Alter, wie sie herumgehüpft waren und gekreischt hatten und besoffen umgefallen waren; sie kreischten aus Angst vor der Stille, wie Kinder, die Reise nach Jerusalem spielen. In seiner Jugend hatte natürlich auch Julius mit seinen Freunden nächtelang gezecht und dabei endlos geredet, doch es war kein fieberhaftes, inhaltsloses Koksgeschwafel, sondern ein wunderbares, ausführliches Spinnen von Ideen über Literatur, Philosophie und Kunst gewesen. Sie hatten alles durchdringen, alles fühlen wollen. Matthias war genauso.

      Im gelben Haus in Arles hatte van Gogh davon geträumt, eine Künstlerkolonie zu gründen. Wenn man doch nur zehn Menschen in jedem Land finden würde, die sich zusammentun mit der einfachen Absicht, für das Gute zu arbeiten, würde die Welt aufblühen wie eine Blume, schrieb van Gogh an Theo. Seine Kräfte schwanden, aber seine Kunst würde fortdauern. Bis zum Horizont, eine Unendlichkeit schöner Dinge. Obwohl, Letzteres stammte vielleicht auch von Julius. Er wusste gar nicht mehr so genau, wo Vincent aufhörte und seine eigene Phantasie anfing.

      Er war gerade dabei, seine Manschettenknöpfe zu befestigen, als Frau Lang an die Tür zum Ankleidezimmer klopfte, empört und atemlos.

      »Herr Rachmann ist da. Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass Sie ausgehen, aber er hat sich nicht abwimmeln lassen. Es ist angeblich sehr dringend, obwohl ich nicht wüsste, was so dringend sein sollte.«

      Julius schnappte sich seinen Mantel und eilte nach unten. Matthias stand vor dem Kaminfeuer. Als Julius ins Zimmer trat, drehte er sich um, sein Gesicht strahlte vor Aufregung.

      »Es tut mir leid, Julius, ich komme ungelegen, ich weiß, ich hätte anrufen sollen, aber ich muss gleich morgen früh nach Düsseldorf, und ich konnte nicht fahren, ohne es dir zu sagen.«

      »Ohne mir was zu sagen?«

      »Wir eröffnen eine Galerie.« Sein Grinsen war so breit, dass es sein Gesicht in zwei Hälften teilte. »Mein Bruder und ich, hier in Berlin. Man kann es kaum Galerie nennen, es ist nur ein einziger Raum. Ein Kabuff. Ein Kabuff im dritten Stock eines Hauses ohne Aufzug, das nicht gerade im Galerieviertel liegt. Neue Grünstraße 98. Heute Nachmittag haben wir den Mietvertrag unterschrieben.«

      »Das sind ja wundervolle Neuigkeiten«, entgegnete Julius. »Gratuliere.«

      »Danke. Ich kann es selbst noch nicht so recht fassen. Ich weiß nur, dass ich das alles dir zu verdanken habe.«

      »Wohl kaum.«

      »Doch, wirklich. Erinnerst du dich nicht mehr, bei einer unserer ersten Begegnungen habe ich zu dir gesagt, ich möchte einfach nur ernst genommen werden, und du hast geantwortet, wenn es mir mit der Kunst ernst ist, muss ich nach Berlin. Und hier bin ich.« »Dann freut es mich, dass ich es gesagt habe. Woran ich mich erinnere, ist, dass du dir ein glückliches Leben erhofft hast.«

      »Und dank dir werde ich vielleicht eines haben. Wo außer hier kann man wirklich glücklich sein?«


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