Realpräsenz Jesu Christi - Band 1: "Dies (ist mein Leib" ... "Dies ist mein Blut". Christoph Göttert

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Realpräsenz Jesu Christi - Band 1:


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und zu allererst in der Liturgie des christlichen Einsetzungssakramentes (Katechumenat, Taufliturgie) besitzt.

      Die Liturgie war auch eine entscheidende Quelle der Theologie. In dem aus der Zeit der Patristik stammenden „adagium lex orandi - lex credendi“, das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens, wird die Koexistenz, das Zueinander von Liturgie und Glaube, verbal zum Ausdruck gebracht. Das Adagium geht auf Prosper Tiro von Aquitanien (gest. nach 455) zurück. Die ungekürzte Fassung lautet legem credendi lex statuat supplicandi - das Gesetz des Betens stellt ein Gesetz des Glaubens dar.78

      Der historische Hintergrund des Adagium lex orandi - lex credendi ist die Frage nach der Bedeutung des fürbittenden Gebets der Messliturgie für das rechte Verständnis des Zueinanders von Freiheit und Gnade. Die Fürbitten des Litaneigebets, das von Prosper auf apostolische Überlieferung zurückgeführt wird, lehren, angemessen über die Gnade Gottes und die Freiheit des Menschen zu denken79. So wird im Fürbitten-Gebet des Priesters, das dieser stellvertretend für die Gläubigen vor dem eucharistischen Opfer spricht (und in dem er um die Gnade des Glaubens für jene bittet, die noch nicht zur Erkenntnis Christi gelangt sind), kommt für Prosper die Überzeugung der Kirche zum Ausdruck, dass auch der Glaube von Gott als Geschenk empfangen wird.

      Gemäß 1 Tim 2,1-4, demzufolge für alle und alles zu beten ist, auch für den Glauben jener, die noch nicht zu Christus gefunden haben, macht deutlich, dass selbst der Anfang des Glaubens als Geschenk Gottes zu betrachten ist.80 Denn was haben wir, so fragt Prosper mit dem Apostel Paulus, was wir nicht von Gott empfangen hätten (vgl. 1 Kor 4,7)?

      Dem Adagium (Hinbringen der Gaben wie die gesamte eucharistische Messe) wuchs im Laufe der Zeit eine grundsätzliche Bedeutung für das Verhältnis von Liturgie und Theologie zu. Es kristallisierte sich heraus, dass die Liturgie die primäre Voraussetzung der theologischen Reflexion ist oder doch zumindest sein sollte.81 Auf der anderen Seite erschließt sich die Feier der Eucharistie in ihrer ganzen Wirklichkeit sowie in ihrem diachronen und synchronen Verständnis nur dort, wo auch die authentische Lehrtradition der Kirche, die mit der Liturgieentwicklung in Verbindung steht, berücksichtigt wird. Liturgie und Dogma gehören untrennbar zusammen.

      Prosper Gueranger (1805-1875) sah in der Liturgie die „Tradition in ihrer machtvollsten und feierlichsten Gestalt"82 Die dogmatische Konstitution „Dei Verbum" (1965) über die Offenbarung des Zweiten Vatikanischen Konzils zählt den öffentlichen Kult der Kirche zur sacra traditio, zur heiligen Überlieferung der Kirche. 83 Als Quelle und zugleich Höhepunkt des kirchlichen Lebens verdient die Eucharistie die ganze Aufmerksamkeit der Theologie. Dies gilt nicht nur für die Frage der sakramentalen Feier, sondern ebenso für das Verstehen derselben. Eine theologische Betrachtung und Analyse des Inhalts der Messe darf nicht nur ihren auch historischtheologiegeschichtlichen geprägten Sinn erheben und klarstellen, sie muss auch ihre Feiergestalt in den Blick nehmen. Da Sakramente ihrem Wesen zufolge liturgische Feiern sind, kann die Eucharistie nicht ohne die Elemente ihrer Feiergestalt verstanden werden. Die Erschließung und theologische Reflexion der Sakramente hat immer den „Kontext der gefeierten Handlung"84 zu berücksichtigen. Oft ist in der akademischen Theologie bis heute ein trennender Abgrund zwischen liturgiewissenschaftlicher und dogmatischer Hermeneutik der Eucharistie zu beklagen.85

      So werden bei der Darstellung von Geschichte und Theologie der Eucharistie Fragestellungen der historischen und der systematischen Liturgiewissenschaft aufgegriffen. Der römische Ritus, in dem ich Messe feiere, bildet die Grundlage der vorliegenden Geschichte und Theologie der Eucharistie. Andere Liturgiefamilien werden dort, wo dies geboten scheint, einbezogen. Es geht im Folgenden nicht um eine Geschichte der römischen Messe, wie sie Josef Andreas Jungmann (1889-1975) meisterhaft in seinem Werk „Missarum Sollernnia" (1948 u. ö.) vorgelegt hat, auch nicht um eine Erläuterung des Messritus in der Tradition der systematisierenden Messkommentare, in der Johannes Brinktrine (1889-1965) mit seinem Buch „Die heilige Messe"86 steht. Das Interesse an der klassischen Form des römischen Ritus besteht weiterhin. Und eine „Reform der Reform", die auf der Grundlage von „Sacrosanctum Concilium" zu erfolgen hätte, bleibt ein wichtiges Anliegen, mag die Liturgiefrage im Pontifikat von Papst Franziskus auch vorerst in den Hintergrund getreten sein.

      54 Der Begriff Opfer bzw. Messopfer wird noch näher zur Sprache kommen, ist ein Gegenstand auch gegenwärtiger Diskussion, erschöpfend wird er nur in einem eigenen Buch verhandelt werden können. (Vgl. etwa die Habilitationsschrift von: Veronika Hoffmann, Skizzen zu einer Theologie der Gabe. Rechtfertigung – Opfer – Eucharistie – Gottes- und Nächstenliebe. Freiburg, Basel, Wien 2013, ca570 S.)

      55 Vgl. Rahner, Opfer, 21 (1962), 1174.Einen umfangreichen Beitrag in dieser Hinsicht hat Joachim Negel mit seiner Betrachtung des Opferbegriffs vorelegt. Vgl. Negel, Ambivalentes Opfer (2005).

      56 Nietzsche, Der Antichrist (Werke, ed. Schlechta 1997, 1203.

      57 Ebd., 1204.

      58 Vgl. Girard, Das Heilige und Gewalt (1992); ders, Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz (2002); ders. Das Ende der Gewalt (2009); Vgl. Mauss, Die Die Gabe (3. Aufl. 1996; van der Leeuw, Phänomenologie der Religion (1970); Godolier, das Rätsel der Gabe (1999) Henaff, der Preis der Wahrheit (2009).

      59 Vgl. Baudler, Die Befreiung von einem Gott der Gewalt (1999).

      60 Vgl. Hoping, Einführung in die Christologie 3 (2014), 58-62; 156-159.

      61 Vgl. Angenendt, Die Revolution des geistigen Opfers.(2011).

      62 Vgl. Gestrich, Opfer in systematisch-theologischer Perspektive (2000), 283.293

      63 Vgl. Philo von Alexandrien, De specialibus legibus I 297 (zit. n. Leonhardt-Balzer, Jewisch Worship in Philo of Alexandria; vgl.vgl. Laporte, La doctrine eucharistique chez Philon d’Alexandrie (1972); ders., Theologie liturgique de Philon d’Alexandrie et d’Origene (1995); Brandt, Opfer als Gedächtnis.

      64 SC 7.

      65 SC 10: „Liturgia est culmen ad quod actio Ecclesia tendit et simul fons unde omnis eius virtus emanat.“

      66 LG „Sacrificium eucharisticum, totius vitae christanae et culmen

      67 DH 3847

      68 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika „Ecclesia“ über die Eucharistie in ihrem Verhältnis zur Kirche (2003).

      69 Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Sacramentum

      70 So schon Ignatius von Antiochien, Ad Ephesios XX (PG 755A).

      71 Vgl. Schilson, Theologie der Sakramententheologie (1982), 207-209; Hoping, Die Mysterientheologie Odo Casels und die Liturgiereform, (2. Aufl. 2013) 167 f.. Aus den Schriften Casels ist vor allem seine unvollendet gebliebene „Trilogie" zu nennen. Vgl. ders., Das christliche Kultmysterium (1932); ders., Das christliche Festmysterium (1941); ders., Das christliche Opfermysterium (1968). Zur Bedeutung der Mysterientheologie Casels vgl. Schi/son, Theologie als Sakramententheologie (21987); ders., Die Gegenwart des Ursprungs (1993), 6-29; Meyer, Odo Casels Idee der Mysteriengegenwart in neuer Sicht (1986).

      72 Ebd., 65 (51)

      73 Ebd., 68 (54)

      74 MB (2. Aufl. 1988, 240.241.

      75 Vgl. Guardini, Vom Geist der Liturgie, (20. Aufl. 1997), 71.

      76 Ratzinger, Geist der Liturgie, in: JRGS 11 (2008), 69 (55)

      77MB (2. Aufl. 1988),

      78 Vgl. Capitulum VIII (DH 246).

      79 Vgl. DH 246

      80 Vgl. Federer, Liturgie und Glaube (1950), 15 f.

      81 Vgl. dazu Knop, Ekklesia orans (2012)

      82 Gueranger, Institutions liturgiques I (2. Aufl. 1878) , 3: „La Liturgie est la tradition meme a son plus haut degre et solemnite.“

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