Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband. G. S. Friebel

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Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband - G. S. Friebel


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Sonntagskleidchen richtig schäbig vor.

      »Hallo Elvira!«, sagte Roger. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und wurde dann plötzlich sehr wütend.

      »Du hast schon wieder getrunken!«, zischte er sie an.

      »Und?«, sagte Elvira gleichgültig. »Geht dich das einen Dreck an?«

      »Verdammt noch mal! Ich hab dir schon oft genug gesagt, du sollst damit aufhören! Zumindest am Tage, kapiert.«

      »Du kannst mir gar nichts sagen, Kleiner. Und jetzt lass mich in Ruhe.«

      »Du bleibst!«, donnerte er.

      Helga wurde ängstlich, weil er plötzlich so böse war.

      In diesem Augenblick bemerkte Elvira Helga, und schlagartig wurde ihr hochmütiges Gesicht zart, weich und anschmiegsam. Als sie jetzt auf sie zukam, hatte Helga das Gefühl, sie würde wie eine Katze gehen. Genauso, ja, damit kannte sie sich aus. Auf dem Lande gab es genug davon.

      »Du hast mir eine Freundin mitgebracht?«, gurrte sie und strich Helga übers Haar.

      Die hatte auf einmal ganz komische Gefühle, sie konnte sich das nicht erklären. Bevor sie aber überhaupt etwas sagen konnte, riss Roger sie fort.

      »Lass das sein!«, herrschte er sie an.

      Helga starrte von einem zum andern und machte einen verstörten Eindruck.

      Roger sagte: »Komm, du gehst erst mal auf dein Zimmer. Ich muss mit Elvira reden. Sie ist betrunken. Nachher kümmere ich mich wieder um dich. Los, komm schon!«

      Mit Riesenschritten rannte er zu ihrem Zimmer. Als sie es betreten hatte, schloss er die Tür zu, und sie hörte, wie er ins Wohnzimmer zurückging.

      4

      Inzwischen hatte sich Elvira an der Bar breitgemacht und hielt schon wieder ein Glas in ihren Händen.

      »Prächtig!«, höhnte sie. »Bald holst du dir auch noch Mädchen aus dem Kindergarten.«

      »Stell das Glas hin, oder ich schlag dir mitten in die Fresse!«, keuchte der Zuhälter.

      »Das, mein liebes Brüderchen, wagst du ja gar nicht. Du hast doch Angst vor deiner großen Schwester. Nicht wahr, das hast du doch? Und jetzt halt deine dreckige Schnauze und lass mich trinken, oder…« Sie machte eine Pause.

      »Vielleicht hast du doch recht. Vielleicht sollte ich heute damit aufhören. Du hast mir ja ein prächtiges Vögelchen mitgebracht. Es ist nicht zu verachten. Sie ist doch noch unschuldig?«

      »Wenn du sie mit deinen dreckigen Fingern anrührst, dann schlage ich dir den Schädel ein!«

      Elvira legte den Kopf schief und lachte gurrend. »Du bist ja heute wirklich ein spaßiger Kunde, Roger. Was hast du nur, warum bist du so schlecht aufgelegt?«

      Er kochte vor Wut. Immer wenn seine Schwester getrunken hatte, wurde er schrecklich wütend. Er hatte einfach Angst, dass sie zu viel trank. Und wenn einer stockbetrunken war, wusste er oft nicht mehr, was er sagte. Und das war in seinem Beruf sehr gefährlich. Er hasste sie über die Maßen. Am liebsten hätte er sie auf dem Grunde des Rheins gesehen, dort, wo er am tiefsten war.

      Elvira war wirklich seine Schwester. Sie war mit einem der größten und gemeinsten Bosse aus ihrem Syndikat verheiratet. Da der aber im Augenblick untertauchen musste – die Kripo war wegen eines Mordes hinter ihm her – war Elvira zu ihm gekommen, um hier so lange zu warten, bis sie wieder zu ihrem Herrn und Gemahl gehen konnte. Die Polizei wusste nichts davon. Schon sie im Hause zu haben, war eine Gefahr. Aber Roger konnte nichts machen, gar nichts; denn die Bosse waren noch stärker. Und lehnte er sich dagegen auf, würde ihm ein kleiner Unfall passieren. Und dieser Unfall würde sich in die Länge ziehen. Er wusste ganz genau, dass sie vorher ihre Opfer unmenschlich quälten und sie dann ganz langsam umbrachten. Sie sollten nämlich etwas von ihrem Tode haben. Man starb ja nur einmal.

      Mit dieser Viper im Haus musste er also leben und noch sehen, dass er seine Geschäfte zustande brachte. Elvira war außerdem lesbisch. Das wusste ihr Mann nicht, aber Roger. Und er hatte nicht die geringste Lust, es ihm zu hinterbringen. Außerdem war Elvira ein so falsches Luder und fuhr zweigleisig, dass sie bestimmt alles geleugnet hätte.

      Früher hatte er es nur vermutet, nichts Genaues gewusst, doch seit sie in seinem Haushalt lebte, musste er es sogar mit ansehen. Das machte ihn ja so wütend. Elvira hatte sich ein neues Glas geholt und wollte es wieder vollgießen. Aber Roger nahm es ihr fort.

      »Wenn du jetzt noch mehr trinkst, dann schließe ich dich in dein Zimmer ein. Und da kannst du toben, so viel du willst, da hört dich keiner. Ich hab wirklich keine Lust, mir durch dich Scherereien auf den Hals zu holen.«

      Sie grinste ihn hämisch an.

      »So weiß die Kleine also noch gar nichts von dir, mein schöner Täuberich? Für was hält sie dich denn?«

      »Für einen Schauspieler!«

      Wieder lachte sie gurgelnd.

      »Allerhand«, sagte sie nach einer Weile. »Das ist wirklich einsame Spitze! Das muss man ja unseren Alten sagen: Als sie uns machten, da haben sie alles reingelegt. Wir sehen wirklich nicht übel aus, was meinst du?«

      Wider Willen musste er lachen.

      »Es hätte schlimmer sein können.«

      »Ist es aber nicht«, sagte Elvira und steckte sich eine Zigarette an. »Und wenn ich diesen Bastard von Bob nicht kennengelernt hätte, vielleicht wäre ich wirklich ein Filmstar geworden.«

      »Aber bestimmt hättest du dann nicht so in Geld geschwommen, wie du es jetzt tust. Von deiner Sorte laufen beim Film genug herum. Geh mal nach München, da kriegst du sie dutzendweise.«

      »Möglich«, antwortete sie kühl. »Aber dann wäre ich nicht so verdorben wie jetzt.«

      »Von wegen! Wenn du da was werden willst, dann musst du dich durch die richtigen Betten huren, sonst wirst du nichts. Nur mit dem Unterschied, dass sie es Liebe nennen und dich nicht mal entsprechend bezahlen. Aber jetzt hör endlich auf, von diesem Quatsch zu reden. Ich hab was anderes vor.«

      »Ach so ja, die Kleine! Hab ich schon wieder vergessen. Wo hast du sie denn aufgegabelt?«

      Mit wenigen Worten berichtete er ihr, wo er sie gefunden und was sie ihm von ihrem Elternhaus erzählt hatte.

      »Was hast du mit ihr vor?«

      »Ich will mal wieder ganz groß raus, du weißt doch. Jungfrauen gibt es nicht wie Sand am Meer. Und die hat außerdem noch den unschuldigen Blick. Wenn die nicht ankommt!«

      Elvira grinste und steckte sich eine neue Zigarette an.

      »Was kriege ich, wenn ich die Finger von ihr lasse und aus ihr eine perfekte Nutte mache?«

      Roger hielt für einen Augenblick die Luft an.

      »Was willst du?«

      »Du sollst mich an deinem Geschäft beteiligen«, sagte sie eiskalt.

      Roger glaubte, nicht recht gehört zu haben. »Wie bitte?«, keuchte er. »Du schwimmst doch in Geld.«

      »Und? Das hindert mich nicht daran, selbst kleine Geschäfte zu machen. Von Geld kann man nie genug bekommen. Ich will mit der Kleinen sozusagen üben, verstehst du? Und wenn es klappt, ziehe ich vielleicht mal selbst so ein Geschäft auf. Wer sagt mir denn, dass dieser Halunke von Bob je wieder auftauchen darf? Im Untergrund zu leben, ehrlich, dazu hab ich nun wirklich keine Lust.«

      »Solange dich Bob noch liebt, bleibt dir keine andere Wahl«, sagte er gehässig. »Der lässt sich nicht gefallen, dass man ihn betrügt.«

      »Das lass nur meine Sorge sein, darum brauchst du dich nicht zu kümmern. Also, ich krieg die Hälfte davon, und du wirst sehen, wie perfekt sie ist.«

      Roger starrte sie wütend an. »Andere Wünsche hast du wohl nicht, wie?«

      »Nein.


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