Die Kreuzfahrer - milites diaboli. Jens - Uwe Nebauer

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Die Kreuzfahrer - milites diaboli - Jens - Uwe Nebauer


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Frau bis auf einige Galoppsprünge genähert hatte, wandte sie ihm ihr Gesicht zu, und in ihrer Miene las Gerold die flehentliche Bitte um Hilfe. Nun sah er auch, dass die Reiterin noch recht jung war, jünger vermutlich als er selbst, der doch auch gerade erst siebzehn Sommer gesehen hatte.

      Mit einem kurzen Blick stellte er fest, dass die Entschlossenheit der drei Bewaffneten durch sein Erscheinen nicht im Mindesten erschüttert worden war. Darauf hatte er auch nicht ernsthaft gehofft, denn die Verfolger waren in der Überzahl, bewaffnet und sicher kampferprobt. So blieb ihm, wenn er dem Fräulein helfen wollte, keine andere Wahl, als sich ihren Verfolgern zum Kampf zu stellen.

      In dem Augenblick, in dem er dies erkannte, wurde der junge Falkenburger ganz ruhig. Zwar besaß er keine Erfahrung im ernsthaften Kampf, doch die harte Ausbildung, die er durchlaufen hatte, hatte ihn zu einem beachtlichen Streiter gemacht. Bei fast allen der vielfältigen, alltäglich durchgeführten Übungen mit den verschiedenartigsten Waffen konnte er es mit jedem der Knechte auf der heimischen Burg und selbst mit seinen Brüdern aufnehmen. Erst am Tag zuvor hatte er in einen Kampf mit den Übungsschwertern seinen älteren Bruder Gottfried tüchtig in die Enge getrieben. Er war schnell und gewandt wie kein Zweiter und in seinen Hieben lag die Kraft eines Bären.

      Doch trotz der recht guten Meinung, die Gerold von seiner Waffengewandtheit hatte, wusste er, dass er einen Kampf mit drei erfahrenen Kriegern gleichzeitig, nur schwerlich bestehen konnte. Er musste also danach trachten, die Zahl seiner Gegner schon vor dem Nahkampf zu verringern. Da er keinen Bogen mit sich führte, griff er nach der Wurfaxt, die an seinem Sattel hing, und zog sie aus der Halterung.

      Mit einem energischen Zug an den Zügeln brachte er seinen Hengst zum Stehen, richtete sich auf, holte weit aus und ließ die Wurfaxt fliegen. Die blitzende Waffe beschrieb einen eleganten Bogen, flog auf den Vordersten der Verfolger zu und senkte sich auf ihn herab, noch ehe der Überraschte sich schirmen oder ausweichen konnte. Begleitet von einem lauten Dröhnen schmetterte die Axt zwei Fingerbreit über der Nasenwurzel auf den spitzkegligen Helm des Mannes. Der Getroffene stieß einen Schmerzensschrei aus, dann sackte er in sich zusammen und fiel vom Pferd.

      Mit einem Jubelschrei riss Gerold sein Schwert aus der Scheide, gab seinem Hengst die Sporen und sprengte mit hochgeschwungener Klinge auf die beiden übrig gebliebenen Reisigen zu. Die hatten gerade noch so viel Zeit ihre Schwerter zu zücken, bevor der so unerwartet aufgetauchte Angreifer über sie kam.

      Dann ging alles sehr schnell.

      Gleich mit dem ersten Schlag traf der junge Falkenburger den einen seiner Gegner in der Mitte des Halses und schlitzte ihm die Kehle in voller Breite auf. Noch während der Waffenknecht blutüberströmt aus dem Sattel rutschte, wandte sich Gerold dem letzten Verfolger zu und traktierte ihn mit einem Hagel von Hieben, deren sich dieser nur mit größter Mühe erwehren konnte. Schon nach wenigen Augenblicken erkannte der Mann seine Unterlegenheit, und da er gegen einen Streiter - der bereits zwei seiner Gefährten niedergestreckt hatte - allein nichts ausrichten konnte, riss er seinen Gaul herum und machte sich eiligst davon.

      Gerold verfolgte ihn nicht. Er ließ das Schwert sinken und atmete tief durch. Ein Gefühl des Triumphs, gemischt mit einem Schwall nachträglicher Angst, überkam ihn und machte ihn für kurze Zeit zu jeder Bewegung unfähig. Erst als er hinter seinem Rücken das leise Stampfen eines sich langsam nähernden Pferdes hörte, löste sich seine Erstarrung. Er wandte sich um und begegnete einem Blick aus den vor Aufregung funkelnden, Augen der dunkelblonden Reiterin.

      Nachdem ihn das adlige Fräulein einige Atemzüge lang neugierig gemustert hatte, verzogen sich ihre vollen, sinnlichen Lippen zu einem schüchternen Lächeln.

      „Mein Herr“, sagte sie, während sie sich die schweißnassen Haare aus der Stirn strich, „wer auch immer Ihr seid, Euch hat mir der Himmel geschickt!“

      Sie war nicht sehr groß, nur etwas mehr als fünf Fuß, doch von stattlichem Körperbau. Schon nach dem ersten Blick befand Gerold, dass sie eine sehr ansehnliche Person war. Ihre großen, braunen Augen, die kurze, gerade Nase und die hohe Stirn, fügten sich mit der sanft geschwungenen Rundung von Wangen und Kinn in ein harmonisches Ganzes, welches von den lang gewachsenen Haaren trefflich eingerahmt wurde.

      Gerold neigte artig das Haupt. „Mein Fräulein, was wollten die Kerle von euch?“

      „Wir sind überfallen worden“, sprudelte die Jungfrau hervor. „Ich heiße Mathilde von Konradsburg und war mit Mechthild, der künftigen Gemahlin meines Bruders Otto, von der Heimburg unterwegs nach Quedlinburg, um dort ein paar Sachen für die Hochzeit einzukaufen. Eine gute Meile von hier, auf der Straße nach Westerhusen, überfiel uns eine Schar dieser Männer. Sie haben …“, schluchzte sie auf, „die Mechthild entführt und ich weiß nicht … ich weiß nicht wohin … ich konnte ihnen entkommen, aber wenn Ihr mir nicht geholfen hättet …“ Sie verstummte für die Zeit, die sie brauchte, um tief Luft zu holen. Dann fragte sie ihren Helfer in der Not: „Darf ich wissen, welchem erprobten Miles ich meine Rettung zu verdanken habe?“

      „Ich heiße Gerold, Gerold von Falkenburg“, antwortete der Gefragte und fügte nach einem kurzen, ungläubigem Kopfschütteln hinzu: „und dies war mein erster Kampf auf Leben und Tod.“

      „Aber jetzt“, befand er dann, „sollten wir besser von hier verschwinden, denn wenn der dritte Kerl, der geflohen ist, Verstärkung holt, dann bringen sie euch doch noch in ihre Gewalt. Ich hole nur noch meine Franziska, wer weiß, ob ich sie nicht bald noch einmal brauche.“ Er ließ seinen Braunen zu dem von seiner Wurfaxt getroffenen Reisigen laufen und sprang aus dem Sattel. Als er sich bückte, um die Franziska genannte Waffe aufzuheben, bemerkte er, dass der niedergestreckte Mann plötzlich die Augen öffnete und sich unsicher umsah. Schnell zog er seinen Dolch und setzte ihn dem Liegenden an die Gurgel.

      „Gnade“, stöhnte der Waffenknecht. „Tötet mich nicht, seid ein Christenmensch.“

      „Was sind das für Christen, die eine wehrlose Jungfrau verfolgen?“, versetzte der Falkenburger und drücke die Schneide des Dolches gegen die heftig pochende Halsschlagader des Mannes. Zwei, drei Atemzüge lang gab er dem Entsetzen in dem Liegenden Zeit, sich zu entfalten, dann besann er sich scheinbar. „Hör zu, du Lump, sag mir, wessen Mann du bist und ich lasse dich leben!“

      Das Zögern des Knechtes währte nur kurz, dann stieß er keuchend hervor: „Mein Herr ist der edle Poppo von Regenstein. Wir führten nur seine Befehle aus.“

      „Warum ließ er die Jungfrauen überfallen? Was ist mit dem anderen Fräulein geschehen?“, herrschte ihn Gerold an.

      „Wir sollten sie auf den Regenstein bringen, mehr weiß ich nicht, edler Herr, wirklich nicht, ich schwör’s beim Leben meiner Mutter!“

      An der Miene des Verängstigten erkannte Gerold, dass er die Wahrheit sprach. Er ließ von dem Regensteiner ab, steckte seinen Dolch ein, nahm seine Wurfaxt an sich und stieg wieder in den Sattel.

      „Dann weiß ich Bescheid“, sprudelte Mathilde hervor, nachdem ihr Gerold von dem Geständnis des Regensteiner Knechtes berichtet hatte, „der Poppo hatte auch um die Hand Mechthilds angehalten, doch sie wies ihn ab. Mit dem Einverständnis ihres Vaters wandte sie sich meinem Bruder zu.“

      „Dann hat er sich jetzt also mit Gewalt geholt, was er nicht bekommen sollte“, warf Gerold ein. „Und wenn sie erst mal auf dem Regenstein ist, dann wird es sehr schwer, sie von dort wieder zu befreien.“

      „Ich muss sofort meine Brüder benachrichtigen!“, rief die kleine Konradsburgerin. „Sie und die Heimburger werden bestimmt Abhilfe zu schaffen wissen.“

      „Ich begleite Euch“, erklärte Gerold entschieden. „Ich kann Euch jetzt nicht allein weiterziehen lassen, nicht in der Gefahr, in der Ihr noch immer schwebt. Und darum lasst uns jetzt reiten, bevor die Kerle kommen, um ihre beiden Gefallenen zu holen.“

      Der Schimmel Mathildes und der Braune Gerolds fielen schnell in Galopp. Sie nahmen den Pfad, der sich am Fuße der eng aneinandergereihten, merkwürdig geformten Felsen der Teufelsmauer entlang schlängelte, und jagten auf ihm in einem halsbrecherischen Tempo dahin. Von Zeit zu Zeit sah Gerold sich um, ob ihnen jemand folgte, doch er konnte niemanden entdecken.


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