NADIA. Roman Spritzendorfer

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NADIA - Roman Spritzendorfer


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erregte. Das könnte ein Wildpferd sein. Wie hat dieses Pferd den Weg hierher gefunden? Joseph ging zu diesem Teil der Koppel und blieb nahe der Umzäunung stehen. Das Pferd kümmerte sich nicht um ihn. Es sucht sich gemächlich die Grasbüschel und genoss den Frieden. Joseph blieb ruhig und bewegte sich nicht. Er spürte einen Lufthauch in seinem Nacken. Plötzlich hob das Pferd seinen Kopf und zog den ihm unbekannten Geruch des Fremdlings ein. Es blickte zu ihm und kam langsam näher. Joseph blieb dort stehen, wo er vorhin angekommen war. Der Kopf des Pferdes kam über die Abgrenzung. Vorsichtig bewegte nun Joseph seine Hände in die Nähe der Nüstern. Das wurde geduldet. Lange verweilten seine Hände in dieser Stellung. Dann wagte Joseph da Pferd zu berühren. Auch das wurde akzeptiert. Joseph begann es zu streicheln. Joseph wagte es auf seine Nüstern zu küssen. Es ließ sich auch das gefallen. Er wiederholte das Streicheln. Joseph merkte, es wollte zurück. Josephs Hände entfernten sich langsam vom Hals des Tieres. Er blieb aber noch an der Koppel stehen. Das Pferd wendete und kehrte zu dem Platz zurück, von dem es gekommen war.

      Das war von einem Indianer beobachtet worden, zu dem Jim großes Vertrauen hatte. Jim hatte diesem den Auftrag erteilt, alles zu beobachten, was dieser Fremde tun würde und darüber zu berichten. Davon wusste Joseph nichts. Er kehrte zu seinem Schlafplatz zurück und schlief bis zum Morgengrauen.

      Jim bekam die Information vom Indianer, was er gesehen hatte. Er konnte es nicht glauben. Niemand konnte sich diesem Pferd nähern. Auch der Boss hatte seine Schwierigkeiten. Jim wälzte sich in der darauffolgenden Nacht von einer Seite auf die andere und konnte keinen Schlaf finden. Diese Information war nahezu unglaubwürdig. Für die Farm aber von großer Bedeutung. Joseph könnte über die Umzäunung klettern, ohne Zaumzeug und Sattel das Pferd besteigen und reiten wohin er wollte.

      Würde Joseph auf die im Tresor lagernden Papiere wirklich verzichten? Womöglich hat er noch einen anderen Platz gefunden, wo er geheimes Material versteckt hatte.

      Wie war sein richtiger Name? Als er endlich eingeschlafen war, folgte ein unruhiger Traum dem anderen. Im Traum erlebte er Joseph, wie er einen aus einer weiten Entfernung anstürmenden Puma näherkommen ließ und durch einen Kopfschuss tötete. Anschließend seelenruhig sein Pferd wendete und die ihm anvertrauten Pferde zur Koppel geleitete. Schweißgebadet wachte er auf und konnte lange Zeit nicht wieder Schlaf finden.

      Als die Dämmerung wich und es heller wurde, war Jim auf seinen Beinen. Beim Frühstück brannten ihm bereits zahlreiche Fragen auf seiner Zunge. Nur mühsam konnte er sich beherrschen. Er gab Joseph schriftliche Aufzeichnungen und ersuchte um Verbesserung. Bald bekam er sie mit der Bemerkung zurück, eine Verbesserung war nicht notwendig. Aber die Fragen, die nicht ausgesprochen worden waren, die sollten geklärt werden. Daraufhin erzählte er Joseph, was er vom Indianer erfahren hatte. Joseph bestätigte die Aussage.

      »Wie ist das möglich? Auch der Boss darf sich dem Pferd nur vorsichtig nähern.«

      »Ich weiß es selbst nicht. Wo ich einst gearbeitet habe, wurden eingefangene Wildpferde zugeritten. Viele von der Mannschaft wurden abgeworfen und erlitten schwere Verletzungen. Es war ein alter Mann, der mir einiges verriet. Er bedauerte auch mein Ausscheiden aus dieser Gemeinschaft und die ungerechte Handlungsweises des Bosses. Zum Abschied gab er mir den bekannten Ratschlag, was ein Mensch einmal gelernt hat, wird nicht in Vergessenheit geraten und wird im weiteren Leben weiterhelfen.«

      »Hätten sie Lust, diese Tier zu reiten?«

      »Wenn ich die Erlaubnis bekommen könnte, würde ich es versuchen. «

      »Ich habe noch eine heikle, sehr persönliche Frage?«

      »Ja?«

      »Arbeiten sie für die Versicherung?«

      »Ich muss darauf keine Antwort geben.« sagte Joseph mit einem Lächeln.

      Jim atmete schwer. Leise entwich Luft aus seinem Mund. Vor ihm stand ein Mann, der hatte offensichtlich vor nichts Angst. Er trug auch keine Waffen. Wie gibt es so etwas? Joseph ließ ihm Zeit. Er merkte, Jim hatte allmählich begriffen, wie er Joseph einschätzen sollte.

      »Angst zu haben ist natürlich, es hat aber auch Grenzen. Sie müssen nicht alles ihrem Chef erzählen, was sie nun über mich wissen. Mit der Zeit wird er einiges besser verstehen können.«

      »Er kommt morgen.«

      »An der Koppel ist einiges auszubessern. Wenn sie es mir auftragen, werde ich es durchführen. Und der eine Indianer, dessen Namen ich nicht kenne, muss sich geschickter verhalten.«

      »Wie ist ihr wirklicher Name?«

      »Wenn sie den nächsten Feuersturm hinter sich haben und ich noch am Leben bin, werden sie es erfahren.«

      Joseph hatte diese Worte freundlich, aber in einem unmissverständlichem Ton gesprochen. Um seine Stellung als Vorarbeiter musste sich Jim keine Gedanken machen. Joseph war sogar bereit gewesen, das Pferd abzuarbeiten. Was er aber wirklich vorhatte, darüber hat er nichts verraten. Was hat er damals mit dem Gouverneur ausgehandelt? Wieso ist er nicht im Gefängnis gewesen? Warum hat er als Cowboy gearbeitet? Vielleicht arbeitet er für die Regierung. Er muss mächtige Partner haben, lebt aber dennoch in ständiger Gefahr. Vermutlich hat er das alles schon vergessen. Ich werde meinem Boss nur das Notwendigste erzählen, nahm sich Jim vor. Es fielen ihm die Worte ein „der eine Indianer, dessen Namen ich nicht kenne, soll sich geschickter verhalten.“ Womöglich versteht Joseph noch einige Worte der Sioux. Das muss ich alles noch überdenken, aber er soll die Koppel ausbessern.

      Damit begann Joseph an der Koppel zu arbeiten. Gegen Abend kam der Boss.

      Die Staubfahne, die er hinter sich herzog, war nicht zu übersehen. Sam, so war sein Name, übergab seine beiden Pferde den Indianern. Das Packpferd wurde von seiner Last befreit. Es folgte ein Begrüßungstrunk auf der Terrasse. Joseph wurde vorgestellt. Bald zog Jim seinen Boss zur Seite und berichtete, wie er zu Joseph gestoßen war, der nun sein Pferd abarbeiten musste. Es folgte der Bericht über die Dachreparatur, die Säuberung des Hauses und die Ausbesserung der Koppel. Damit war Joseph ein Mann, den man für viele Arbeiten einsetzen konnte. Für den Anfang war dies mehr als genug Information. Sam erzählte ,was er über das Zugsunglück wusste. Die Weigerung der Versicherungsgesellschaft für den Schaden aufzukommen und den bevorstehenden Prozess. Er war auch bei den Sioux gewesen, jenen Indianern, zu denen Tara zurückgekehrt war. Ihre Behandlung durch einen freundlichen Bahnangestellten, der ihr zu ihrem Bündel verholfen hatte, welches für sie von großer Bedeutung war. Die Sioux würden beim Einfangen von Wildpferden behilflich sein, aber als Gegenleistung moderne Gewehre und Munition verlangen. Die Gewehre müsste man in der nächsten größeren Stadt kaufen. Doch dorthin waren es mindestens drei Tagesritte. Jim hatte dichtgehalten. Joseph war als ehemaliger Bahnangestellter vorgestellt worden. Über seine Vergangenheit hatte Jim nichts verraten. Auch nicht, was er über ihn dachte. Sam hatte in den Bergen einen Platz gefunden, der ihm zur Aufzucht von Pferden als geeignet erschien. Der Hengst, der in der Koppel stand, sollte dabei helfen. Das Problem war seine Wildheit.

      »Darüber werden wir uns morgen unterhalten, heute möchte ich nur mehr ins Bett.«

      Kaum war er im Haus, bemerkte er die saubere Stube. Vermutlich befindet sich auch das Schlafzimmer in einem aufgeräumten und netten Zustand. Er kam zurück, verlangte nach Seife und begab sich zu einem aus einem ausgehöhlten Baumstamm verfertigten Trog, der gespeist von einer Quelle, unermüdlich frisches Wasser anbot. Es war die einzige Quelle weit und breit und alle, die vorbeikamen, waren hier willkommen. Daneben stand eine uralte hohe Eiche. Sie diente als Orientierung für diejenigen, die in dieser Prärie nach Wasser suchten.

      Beim Trog entledigter er sich seinen Kleidungen, ließ sie liegen und begann sich zu reinigen. Einer der Indianer brachte ihm ein Handtuch und die Pantoffel. Sam winkte den Umstehenden und begab sich zu Bett.

      Das hat er seit dem Tode seiner Frau nie getan, dachte sich Jim. Oft war er mit allen verschmutzten Kleidungen ins Bett gefallen. Die Reinigung von Joseph hat auch seine guten Seiten. Sam wird sich noch wundern, wenn er Näheres über Joseph erfahren wird.

      Tags darauf trug Joseph wieder jene Kleidung mit der er angekommen war. Diese war nun trocken. Beim Frühstück wurden keine Worte gewechselt.

      Joseph


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