Arlo Finch (3). Im Königreich der Schatten. John August

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Arlo Finch (3). Im Königreich der Schatten - John August


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hatte. Wu könnte die Expedition als Chance begriffen haben, Indra wieder den Rang abzulaufen.

      Arlo fiel ein leuchtend violetter Fleck an seinen Schuhen auf. Die Blumen auf der Wiese hatten ihn dort hinterlassen. Ob man ihn abreiben konnte?

      Er hob das Bein und machte zu seiner völligen Verblüffung unversehens einen Salto rückwärts. Er landete unsanft, kam aber schnell auf die Füße. Seltsamerweise befand sich der Himmel plötzlich an der falschen Stelle: hinter ihm, nicht über ihm. Er stand auf der Klippenwand. Die Gravitation hatte sich irgendwie verlagert, hatte »seitwärts« in »unten« verwandelt.

      Er machte ein paar Schritte. Der weiße Kalkstein unter ihm verhielt sich völlig unauffällig. Wenn er die Augen schloss, war es nicht anders, als auf ebener Erde zu laufen.

      »Das ist so cool!«, schrie Wu, der auf die Klippe zurannte und ungeschickt gegen die senkrechte Kalksteinwand sprangrutschte-fiel.

      Da hockte er eine Weile, bevor er wieder aufstand. Er klopfte sich den weißen Staub von der Jacke.

      »Bring meinen Rucksack!«, rief Arlo Jaycee zu.

      Jaycee stöhnte, holte ihn aber. Vor der Klippenwand blieb sie stehen, da sie nicht so unbeholfen fallen wollte wie Arlo oder Wu. Sie setzte ihren rechten Schuh auf die Wand und verlagerte langsam ihr Gewicht, bis sie waagerecht stand.

      Sie versuchte, es runterzuspielen, als ob es keine große Sache sei. »So. Und wo lang gehen wir jetzt?«

      Arlo zeigte nach rechts. »Es ist nicht mehr weit.« Er ging voran, froh, sich geirrt zu haben.

      Es gab einen Weg. Er verlief nur seitwärts.

      HADRYN

      Alva Hadryn Thomas war vor dreiundvierzig Jahren in einer kleinen Stadt in Texas geboren. Ein paar Wochen nach dem Sommerlager hatte Indra im Internet seine Geburtsanzeige gefunden und damit bewiesen, dass er tatsächlich ein Mensch war.

      Zeitweise hatten sie es für möglich gehalten, dass er ein Gestaltenwandler war. Indem er sein Gesicht, seinen Körper und seine Stimme veränderte, konnte er überzeugend jemand anderen darstellen. Im Camp Rote Feder hatte er sich als beinahe jedes Mitglied des Blauen Trupps ausgegeben, die meiste Zeit über aber als Thomas, der ihrem Trupp bei der Ankunft im Camp zugeteilt worden war.

      Er war vereinnahmend, clever und extrem gefährlich. Nicht nur hatte er den Ranger-Eid gebrochen, er kannte keinerlei Moral. Er rühmte sich der Morde, die er über die Jahre begangen hatte, zumeist im Streben nach mächtiger Magie und mythischem Wissen.

      Soziopath, so nannte man jemanden, der kein Gewissen hatte, und das schien auf ihn zu passen.

      Seit ihrer ersten Begegnung war er von Arlo Finch wie besessen gewesen, neiderfüllt und rachsüchtig zugleich. Bei ihrem letzten Zusammentreffen hatte er gedroht, jeden in Arlos Umfeld zu töten, sollte Arlo ihm nicht bei der Beschaffung weiterer geheimnisvoller Artefakte helfen. Schließlich war Hadryn in die Hände der Magus geraten, die ihn im Reich Eldritch gefangen hielten.

      Bis zu diesem Abend. Hadryn war frei.

      »Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Julie, nachdem Rielle verschwunden war. »Kommt er, um uns zu holen?«

      »Könnte er«, sagte Indra. »Wir müssen uns ein System einfallen lassen, damit er sich nicht als einer von uns ausgeben kann.«

      »Ich mache mir mehr Sorgen, dass er uns umbringt«, sagte Jonas. »Wir können heute Nacht nicht hierbleiben. Wir sollten nach Hause zurück.«

      »Er kann googeln«, sagte Indra höhnisch. »Er kann leicht herausfinden, wo wir wohnen oder wo wir zur Schule gehen.«

      »Für uns ist das ein und derselbe Ort«, sagte Julie, die keine Gelegenheit ausließ, darauf hinzuweisen, dass sie und ihr Bruder zu Hause unterrichtet wurden.

      Connor versuchte sich als Stimme der Vernunft. »Seht mal, Rielle hat gesagt, dass die Magus Hadryn suchen. Das bedeutet, dass er vorsichtig sein muss. Wahrscheinlich wird er sich vorerst bedeckt halten.«

      »Arlo müssen wir trotzdem warnen«, sagte Indra.

      Alle stimmten zu. Sie beschlossen, eine SMS an Wu zu schicken. Wenn er bei ihrer Ankunft in China sein Handy anmachte, würde er die Nachricht erhalten.

      Alle umringten Connor, während er schrieb:

      Rielle war hier. Sagt, Hadryn ist geflohen.

      Magus wissen nicht, wo er ist. Sie sagt, ihr seid in Gefahr.

      »So kannst du das nicht stehen lassen«, beschwerte sich Julie. »Es ist zu schrecklich. Ein bisschen positiv musst du schon sein.«

      Indra und Jonas gaben ihr recht. Connor schickte noch eine SMS.

      Viel Glück!

      DIE ANDERE SEITE DER WELT

      »Wir sind am falschen Ort!«, sagte Wu. »Das ist schlecht. Das ist echt schlecht.«

      Er zog das ziegelsteinähnliche GPS-Gerät zurate, das er in seinem Rucksack mitgeschleppt hatte. Der Apparat war mindestens zwanzig Jahre alt. Wu hatte ihn am hintersten Ende eines Regals in der Garage seiner Eltern gefunden, die Batterien waren von einer salzigen Kruste überzogen. Im Gegensatz zu den Karten auf einem modernen Handy war es nicht auf eine Datenverbindung angewiesen, sodass es offline verwendet werden konnte.

      Es war allerdings auch nicht selbsterklärend. Mit dabei war ein dickes Handbuch in winziger Schrift.

      »Vielleicht benutzt du es nicht richtig«, sagte Arlo um Freundlichkeit bemüht.

      Tatsächlich war Arlo sicher, dass Wu sich irrte. Dieser sonnige Fleck Wald war genau das, was Arlo im Atlas gesehen hatte. Jeder Baum und jeder Stein waren, wo sie sein sollten. Selbst das Vogelzwitschern stimmte. Es war aufregend – wie aus einem Traum zu erwachen und festzustellen, dass es gar kein Traum war.

      Wu hielt Arlo den winzigen verpixelten Bildschirm hin. »Guck doch, wir sind hier.« Er zeigte auf einen blinkenden Punkt. »Und dort sollten wir sein.« Er zeigte auf ein rotes X.

      »Wie weit ist das weg?«, fragte Jaycee. »Sind wir überhaupt in China?«

      »Ja, wir sind nördlich von Guangzhou, aber es ist der falsche Park. Wir sind zehn Kilometer von der Stelle entfernt, an der wir sein wollten.«

      Arlo musste ein Lachen unterdrücken. »Wir sind elftausend Kilometer unterwegs gewesen und du sorgst dich um zehn?«

      »Wir hatten einen Plan! Wir wussten, welche Busse wir nehmen müssen. Ich weiß nicht, wie wir von hier zu dem Apartment eures Dads kommen.«

      »Das finden wir raus«, sagte Arlo. »Wir kriegen das hin.«

      Wu war nicht überzeugt. »Soll ich mein Handy einschalten? Damit können wir nach Karten und Wegbeschreibungen suchen.«

      Sie alle kannten das Risiko. In dem Moment, in dem Wu oder Jaycee ihre Handys einschalteten, würden sie mit dem lokalen Netzwerk verbunden werden. Sie würden nicht mehr verbergen können, dass sie in China gewesen waren. Nur wenn sie offline blieben, konnten sie unentdeckt bleiben.

      »Schalte dein Handy noch nicht ein«, sagte Arlo. »Es ist kein echter Notfall.«

      Arlo Finch konnte ja nicht ahnen, dass er drei SMS bekommen hatte, die sehr wohl einen Notfall ankündigten. Zwanzig Minuten später fanden sie sich auf einem breiten Feldweg wieder, flankiert von hoch aufragenden Säulen aus grünem Bambus. Der Nachmittag war heiß und unglaublich schwül. Nach einem Jahr in Colorado war Arlo die erstickende Schwere hoher Luftfeuchtigkeit nicht mehr gewohnt. Die Rückseite seines T-Shirts


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