Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt. tanja Voosen

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Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt - tanja Voosen


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Zögerlich nahm sie Platz.

      »Hey. Wie geht es dir denn heute?«

      »Sieht man das nicht?«, nuschelte Charlie.

      »Du sprichst wieder normal!«

      »Tja, dafür kommt umso mehr Blödsinn aus meinem Mund, wenn ich ihn öffne.«

      »Wie meinst du das? Und fährst du echt Bus?«

      »Da meine Familie mich nun hasst, ja.« Charlie pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Wenn ich jemanden zu lange anschaue, sprudeln gemeine Dinge aus mir raus.«

      »Das ist aber nichts Neues«, bemerkte Elina.

      Charlies Schultern sackten herunter. »Mach dich nur lustig über mich.«

      »Ich mache mich nicht über dich lustig, aber es stimmt doch. Du klopfst oft echt blöde Sprüche.«

      Charlie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin halt nicht so wie du!«

      Elina dachte an die Worte ihrer Mutter. »Das musst du auch nicht. Du hast doch Freundinnen, die dich genau so mögen, wie du bist«, sagte sie aufmunternd.

      »Wir sind aber keine Freundinnen«, erwiderte Charlie.

      Elina schwieg. Es hatte fast geklungen, als fände Charlie es schade, dass sie beide keine Freundinnen waren, doch das bildete sie sich bestimmt nur ein. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus, aber Elina wollte es nicht noch schlimmer machen, also schwieg sie.

      »Es tut mir leid, okay?«, nuschelte Charlie plötzlich. »Alles.«

      Elina glotzte sie perplex an. »Was?«

      Der Bus kam mit einem Zischen zum Stehen, Charlie sprang auf und stieg ein. Elina folgte ihr und suchte sich einen freien Platz. Sie hätte Charlie gerne gefragt, wieso sie sich entschuldigt hatte. Was sollte das bedeuten: Alles? Erst war Charlie wütend, dann traurig, dann entschuldigte sie sich. Ging es noch verwirrender?

      Nachmittags durffen sich alle frei beschäftigen, weil ihr Mathelehrer sich kurzfristig krankgemeldet hatte. Für die meisten hieß das Musik hören, herumalbern oder am Handy spielen. Elina kritzelte neue Feldhockeystrategien auf ihren Block und überlegte, wie man die am besten umsetzen konnte. Doch das blöde Getratsche von Juliane und Katja, die ihre Stühle zusammengeschoben hatten, nervte dabei tierisch.

      »Sind Steckdosenhaare jetzt modisch, Charlie?«, fragte Juliane extralaut.

      »Hast wohl heute Morgen die Bürste nicht gefunden!«, kicherte Katja.

      So was störte auch nur die! Charlie hatte schon ein, zwei schräge Blicke wegen des chaotischen Aufzugs zugeworfen bekommen, aber niemand sonst interessierte sich weiter dafür. Besorgt schaute Elina zum Fenster. Charlie hatte sich dorthin verzogen und schwieg.

      »Ob sie jetzt jeden Tag so furchtbar aussieht?«, rätselte Juliane.

      Jetzt reichte es aber mit den Lästereien! Elina drehte sich auf dem Stuhl herum und warf ihren Radiergummi nach Juliane. »Ups! Wie furchtbar! Tut mir so leid.«

      Juliane plusterte die Wangen wie ein Frosch auf. »Das war Absicht!«

      »Ach, du meinst, so wie eure fiesen Sprüche?«, erwiderte Elina.

      »Das einzige Fiese sind deine Klamotten, du Fashion-Opfer!« Juliane deutete auf Elinas Jeansjacke, die über ihrem Stuhl hing. »Deine Mutter vermisst die sicher.«

      »Halt die Klappe, Juliane.« Charlie war neben die Tische der Mädchen getreten. »Du machst alles deiner großen Schwester nach und hast selbst gar keine Ahnung von Mode. Von Freundschaft auch nicht, sonst würdest du nicht über mich reden, als wäre ich gar nicht da. Amüsiert euch mal schön. Ich bin raus aus der Clique!«

      Juliane und Katja standen die Münder offen.

      Elina war auch ganz überrascht. Charlie hatte sie verteidigt! Das kurze Gespräch an der Bushaltestelle hatte was verändert! Elina freute sich so sehr, dass sie lächeln musste.

      Charlie wandte sich Jonas zu. »Und du! Hör endlich auf, den Klassenclown zu mimen!«

      Elina verging das Lächeln wieder. Mensch, Charlie klang wie ein wandelnder Wortvirus der Gemeinheiten! Sie schien auch gar nicht mehr damit aufhören zu können. Sobald sie jemandem ins Gesicht sah, sprudelte es nur so aus ihr heraus! Dann hatte sie vorhin an der Bushaltestelle gar nicht übertrieben …

      »Simon, du müffelst wie ein Büffel.«

      »Mila, Pink ist echt nicht deine Farbe!«

      »Felix, deine Beine sehen aus wie die eines Flamingos!«

      Wie Hagelkörner regnete es Beschimpfungen und im Klassenzimmer entfaltete sich eine ansteckend finstere Stimmung. Beleidigungen wurden zurückgerufen und plötzlich schienen sich alle in diesen vier Wänden nicht mehr leiden zu können. Elina war ganz starr vor Entsetzen, doch auch sie spürte etwas tief in sich drin brodeln und hatte das Bedürfnis, jemanden anzuschreien. Da rückte ihr Jonas auf die Pelle.

      »Bist so eine Besserwisserin und denkst, ich bin blöde!«, schimpfte er.

      »Stimmt ja auch!«, erwiderte Elina zornig.

      Kurz bevor alle aufeinander losgingen, kam die Lehrerin der Parallelklasse durch die Tür gestampft und brüllte ein energisches »RUHE!«, da erstarb der heftige Wortsturm.

      »Ihr beruhigt euch jetzt. Hinsetzen! Niemand redet mehr!«

      Alle verstummten und niemand wusste, was eigentlich passiert war.

      Doch eines war klar: Hier ging etwas absolut Merkwürdiges vor sich!

      Beim Hockeytraining wurde Charlie von einigen Mädchen in der Umkleide geschnitten. Völlig verkehrte Welt! Normalerweise rissen sich alle darum, etwas vom Charlotte-Sommerfeld-Glitzer abzubekommen. In der Pause mussten ein paar aus der Klasse rumerzählt haben, dass Charlie durchgedreht und die Ursache für den heftigen Streit aller gewesen war. Die Kapitänin Laura runzelte nur die Stirn, sprach das Thema aber nicht an. Sich erst mal aus dem Drama rauszuhalten, fand auch Elina ganz gut.

      Zu Beginn teilte ihre Trainerin Frau Habermann alle in Zweierteams ein und die Mannschaft verstreute sich übers Feld. Welch Ironie! Elina bekam Charlie ab. Sie hatte sonst viel Spaß an den Aufwärmübungen, doch Charlie war nur halbherzig bei der Sache und schoss den Ball nicht mal zu Elina zurück. Stattdessen sah Charlie sie lange an.

      »Das war mutig von dir.

      Die Sache mit Juliane.«

      »Du hast ihr aber auch ordentlich die Meinung gegeigt«, erwiderte Elina. »Das war mal nötig.«

      »So ganz freiwillig war das nicht, aber … es stimmte jedes Wort. Juliane ist aber nicht immer so.«

      »Du … wolltest das alles also echt nicht sagen?«, fragte Elina vorsichtig.

      Charlie schüttelte den Kopf. »Ich bin jetzt bestimmt bei allen unten durch.«

      Elina betrachtete Charlie nachdenklich. So wie in den letzten zwei Tagen hatte sie sich wirklich noch nie aufgeführt. Doch woran konnte das liegen, wenn Charlie selbst ratlos war? Man wachte ja nicht eines Tages auf und war ein völlig anderer Mensch.

      »Hey, hörst du mir noch zu?«, fragte Charlie.

      Elina tauchte wieder aus ihren Gedanken auf. »Ähm, klar.«

      »Ich versteh’s einfach nicht«, sagte Charlie. »Mich hat es plötzlich gepackt. Als müsste ich diese Dinge sagen. Ich wollte sie mir verkneifen und hatte richtig Bauchweh davon.«

      »Das klingt … schrecklich.«

      »Ich bin verflucht!«, stieß Charlie hysterisch aus.

      »Verflucht klingt etwas … übertrieben«, murmelte Elina.

      »Mit Logik lässt sich das jedenfalls


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