Die Zuckermeister (1). Der magische Pakt. tanja Voosen
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Gegen Ende der vierten Stunde bekam die Klasse ihren Geografietest wieder. Elina war furchtbar nervös.
Hoffentlich hatte sich das viele Pauken gelohnt!
Hinter ihr stöhnte Jonas auf. »Schon wieder eine Fünf!«
»Du musst dich mehr anstrengen, Jonas!«, sagte Herr Ziegel prompt, den Jonas und ein paar andere Jungs immer Herr Ziegenbock nannten, weil er so streng war. »Ein paar von euch könnten mit ihren Noten den ›Club der hoffnungslosen Fälle‹ gründen.«
»Voll unfair!«, rief Jonas. »Das Zeug kann sich niemand merken!«
Herr Ziegel blieb neben Elinas Tisch stehen. Ihre Sitznachbarin Anna war heute krank und deshalb überreichte er nur ihr den Test. »Anscheinend schon, denn Elina hat eine Eins geschafft!« Hastig schob Elina das Blatt in ihren Hefter. Musste er denn ihre Note durch die ganze Klasse posaunen?
»Du solltest besser Elina Streber statt Pfeffer heißen!«, zischte Charlie, die sie von der anderen Seite des Raums finster anstarrte. Klar, dass sie sich einen Kommentar nicht verkneifen konnte.
»Danke für das Kompliment!«, erwiderte Elina cool. Sie wunderte sich kurz, dass ihr der Spruch nicht so viel ausmachte wie sonst. Aber Charlies Sprüche waren eben nichts Neues. Elina konnte das karamellige Glücksgefühl noch auf der Zunge schmecken und es ließ Charlies Worte einfach verpuffen wie heiße Luft.
Charlie und Juliane steckten prompt die Köpfe zusammen und begannen zu tuscheln. Sollten sie doch! Nichts konnte Elina den Tag verderben!
Das Klingeln zur großen Pause ertönte und Elina holte ihre Brotbox und ihr Getränk heraus. Auf dem Weg nach draußen nahm sie den Umweg am Sekretariat vorbei. Vielleicht hatte ihre Trainerin etwas wegen eines neuen Hockeyspiels am Schwarzen Brett angepinnt. Leider nicht.
Plötzlich hörte sie ein Schluchzen. Es kam aus einem der offenen Klassenräume, nur ein paar Meter entfernt. Besorgt trat sie näher.
»Das wird schon wieder«, hörte sie jemanden sagen.
Elina hatte die Stimme erst vor ein paar Stunden gehört … Juna?
Was sie noch sagte, konnte Elina nicht verstehen. Aber das Schluchzen ebbte langsam ab. Elinas Neugier zog sie zu dem Klassenzimmer.
Juna reichte gerade einem Jungen aus der Unterstufe, den Elina vom Sehen aus dem Bus kannte, ein Bonbon.
»Hier, nimm«, sagte Juna. »Die wirken Wunder.«
Er rieb sich über die roten Augen. »Danke.«
Der Arme! Ob es in seiner Klasse auch eine Charlie gab?
Elina sah fasziniert zu, wie der Junge auf dem Bonbon herumkaute und sich sein Gesicht schlagartig aufhellte.
»Mir geht’s schon besser!«, sagte er.
Juna tätschelte seine Schulter. »Na, siehst du.«
Die beiden standen auf und gingen Richtung Tür. Schnell huschte Elina um die Ecke. Der Junge verabschiedete sich überschwänglich von Juna, dann wurde es still.
»Whaaa!« Erschrocken stolperte sie rückwärts.
Wie ein Ninja war Juna neben ihr im Gang aufgetaucht. Mensch, die war vielleicht gut im Anschleichen!
»Wir kennen uns doch«, bemerkte Juna.
Elina spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. »Es tut mir leid! Ich wollte nicht …«
»Heimlich zuhören? Ich drücke mal beide Augen zu. Verbotene Dinge sind eben verlockend.« Juna strahlte sie an. »Ich weiß noch gar nicht, wie du heißt.«
»Oh, sorry … ich bin, ähm, Elina Pfeffer. Also nur Elina.«
Juna schmunzelte. »Ah, nur Elina, schön, dich wiederzusehen!«
»Sag mal … dieses Bonbon, das du mir gegeben hast, das war echt … lecker. Woher hast du das?«, fragte Elina. Verflixt auch! Fiel ihr denn nichts Besseres ein? Das klang ja fast so, als hätte ihr das Karamellbonbon heute Morgen nicht nur die Zähne verklebt, sondern auch das Hirn verknotet! Dabei war das die Chance, vielleicht eine Freundin zu finden!
In Junas Augen trat ein seltsames Funkeln. »Ich denke, für einen Tag war das genug magischer Zucker.«
Magischer Zucker? Was hieß das denn?
»Ahh, Elinaaaaa! Da bist du jaaaaa!«
Plötzlich war Charlie neben ihr und hakte sich bei ihr ein.
»Die anderen warten schon. Du trödelst immer so.«
Ohne Juna zu beachten, zerrte Charlie Elina mit sich.
Elina war so verdattert, dass sie gar nicht reagierte. Etwas hilflos drehte sie den Kopf nach Juna um. Deren Miene nach zu urteilen, war sie völlig verwirrt über die Aktion – da waren sie schon zwei. Wieso spazierte Charlotte Sommerfeld öffentlich Arm in Arm mit ihr durch die Schule? Hatten Aliens sie in der Pause gegen eine nettere Version ausgetauscht? Pah, als ob! Elina riss sich los. »Was sollte das?!«
»Ich habe dich nur vor einer aus der Freak-Familie gerettet.« Charlie verdrehte die Augen. »Ich wollte nur nett sein, wo dein Ruf doch eh schon ziemlich im Eimer ist.«
»Gerettet? Nett sein? Total unhöflich war das!«
»Pauline geht mit der in eine Klasse und sagt, die würde ständig nur vor sich hin träumen und seltsames Zeug faseln«, erwiderte Charlie hochnäsig.
Elina war fassungslos. »Ich finde sie echt cool! Versprüh dein Gift einfach woanders!«
Charlie schob sich ein paar ihrer braunen Locken hinters Ohr. »Kein Wunder, dass du keine richtigen Freunde hast, wenn du solche Leute cool findest! Spaß verstehst du auch keinen!«
Elina umklammerte ihre Brotbox und Flasche vor Wut so fest, dass ihr die Finger wehtaten. Charlie war kein Stück besser als die Leute, die komische Gerüchte über die Zuckerhuts in der Schule erzählten!
»Auf solche Art von Spaß verzichte ich!«, erwiderte Elina.
Sie funkelte Charlie böse an, drehte sich um und stampfte davon.
Auf dem Heimweg nahm Elina nicht den Bus, sondern ging zu Fuß. Von der Schule war es zwar ein Stück bis zu ihr, aber ihre Wut über Charlie war noch nicht ganz verpufft und beim Spazieren bekam sie gut den Kopf frei. Die Runde entlang des kleinen Wäldchens vorbei an den Schrebergärten war perfekt dafür. Ihr Magen grummelte ein bisschen vor Hunger und beim Gedanken an Essen kam Elina wieder Junas komische Aussage in den Kopf: »Für einen Tag war das genug magischer Zucker.«
Es ärgerte sie noch immer, dass Charlie ihr keine Gelegenheit gegeben hatte, Juna nach der Bedeutung dieser Worte zu fragen oder sie besser kennenzulernen. Ein paar der Zuckerhut-Kinder hatte Elina hin und wieder mal in den Schulfluren oder bei Veranstaltungen in der Aula gesehen. Wenn sie genau darüber nachdachte, ließen die sich aber sonst echt nicht viel blicken. Am meisten wurde über den Bruder ein paar Stufen über Elina geredet, weil einige Mädchen ihn »sooooo süß« fanden.
Doch auch außerhalb der Schule redeten die Leute über die Zuckerhuts. Es war kaum zwei Wochen her, da hatte Elina sonntags mit ihrem Opa Brötchen geholt und mitbekommen, wie zwei ältere Frauen lautstark über die Familie getratscht hatten.
»Jaja! Die kennt man! Seltsame Leute sind das.«
»Die haben eine ganze Bande an Kindern!«
Opa hatte die Augen verdreht und auch Elina hatte nicht verstanden, was daran so schlimm sein sollte. Das Gerede in der Schlange beim Bäcker hatte kein Ende gefunden.
»Hast du gewusst, dass die in der alten Mühle leben? Unfassbar!«
»Das ist doch kein Ort