Krimi & Thriller Sammelband 1101 Montagskiller. Earl Warren
Читать онлайн книгу.sind die ersten vor Ort. Sie sind bereits da, bevor irgendeiner die Zuschauer kontrolliert!"
"Verstehe", murmelte Milo.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und Agent Fred LaRocca betrat den Raum.
"Hallo, ich hoffe, ich störe nicht..."
"Nie!", meinte Milo, während ich wohl etwas angestrengt dreinschaute. Ich versuchte die Teile dieses Puzzles endlich zusammenzusetzen. Die Mitarbeiter-Listen der beiden Wrestling-Veranstaltungen mussten uns jetzt weiterbringen! Ich war gespannt, wie weit unsere Innendienstlicher bei der Auswertung waren.
Fred sagte: "Jesse, in deinem Sportwagen war keine Bombe."
"Er hat geblufft?", wunderte ich mich.
Fred nickte. "Daran kann es wohl keinen Zweifel geben. Es war alles einwandfrei. Nirgends auch nur die Spur von Sprengstoff..."
Unser Gegner schien das Spiel mit der Angst zu lieben.
Das mit der eigenen und mit der jener Menschen, die er zu seinen Opfern erkoren hatte.
Unglücklicherweise hatte er mich erwählt.
26
In unserem Hauptquartier an der Federal Plaza checkten wir zusammen mit Agent Carter ab, ob es einen gewissen Ron Miller unter dem Personal gegeben hatte, das für den Catch-Abend in der Thomas Jefferson Hall eingestellt worden war.
Es gab ihn tatsächlich.
Er war Packer, so wie er gesagt hatte.
Und damit nicht genug: Auch unter den Packern, die im Madison Square Garden aufgebaut hatten, war ein Ron Miller gewesen.
Er hatte eine Adresse in Hoboken angegeben.
"Bingo", meinte Milo. "Das scheint unser Mann zu sein."
"Mich wundert, dass er es uns so leicht macht", sagte ich nachdenklich und lehnte mich in meinem Bürostuhl zurück.
"Schließlich hat er sich mir ja gewissermaßen vorgestellt..."
"Dieser Mann scheint ein Spieler zu sein, Jesse", meinte Max Carter.
"Offensichtlich etwas risikoreicher, als wir bisher dachten!", kommentierte Milo.
"Oder er führt uns in die Irre", warf ich ein.
Carter deutete auf eines der Fahndungsfotos, die inzwischen von dem Mann mit der SHARKS-Mütze vorlagen. "Ich hoffe, dass wir ihn bald selbst fragen können."
Zehn Minuten später waren auf dem Weg nach Hoboken. Milo und ich fuhren mit meinem Sportwagen. Orry und Clive folgten uns in einem blauen Chevy der Fahrbereitschaft. Wir rasten mit Blaulicht durch den Holland-Tunnel auf die östliche Seite des Hudson. Hoboken lag ein paar Kilometer weiter nördlich.
Auf Milos Knien lag ein Stadtplan. Es war nicht so einfach, die Adresse zu finden, die Ron Miller angegeben hatte.
Sie gehörte zu einem fünfstöckigen Mietshaus, das in einem erbärmlichen Zustand war. Der Putz blätterte von den Wänden, die Feuerleitern waren teilweise aus ihren Halterungen herausgerissen worden. Graffitis verunzierten die bröckelnde Fassade an manchen Stellen. Ein Teil der Wohnungen schienen leerzustehen. Man konnte durch die gardinenlosen Fenster in die kahlen Räume blicken. In manchen Fenstern fehlte das Glas, so dass man sie mit Spanplatten vernagelt hatte.
Wir stellten den Sportwagen am Straßenrand ab und stiegen aus.
Orry und Clive hatten ein paar Meter entfernt geparkt und stiegen ebenfalls aus dem Wagen.
"Ich weiß nicht, ob das ein guter Ort ist, um sein Auto längere Zeit abzustellen", sagte Milo.
"Wir werden es riskieren müssen", meinte ich.
Mir machte etwas ganz anderes Sorge.
Die Tatsache nämlich, dass DIE FLIEGE uns vielleicht genau hier, an diesem Ort haben wollte. Anders war es mir nicht erklärlich, dass er seine Spuren derart offen gelegt hatte.
Oder hat er es einfach drauf angelegt?, ging es mir durch den Kopf.
Bisher war DIE FLIEGE immer auf Nummer sicher gegangen.
Und ich nahm nicht an, dass es diesmal anders war.
Wir betraten das Treppenhaus. Die Aufzüge waren defekt.
Und die Feuerleitern auch. Wenn Ron Miller also in seiner Wohnung war, dann gab es für ihn keine andere Möglichkeit, das Haus zu verlassen, als uns über den Weg zu laufen. Ich warf einen kurzen Blick zu der verwahrlosten Briefkastenanlage, an der irgendjemand eine Brandbombe ausprobiert zu haben schien. Jedenfalls waren die meisten Briefkästen schwarz angerußt. Manche sahen aus, als hätten sie sich unter Hitzeeinwirkung verformt.
Ein Junkie torkelte uns entgegen. Er sah uns mit weit aufgerissenen Augen und übergroßen Pupillen an. Wir fragten ihn nach Miller. Es hatte keinen Sinn, er war nicht richtig beieinander und murmelte nur irgendwelchen Unsinn vor sich hin.
Schließlich fanden wir Millers Wohnung im dritten Stock.
Es war eine der wenigen, die in diesem Haus überhaupt noch belegt zu sein schienen. Das Namensschild wirkte noch sehr neu...
Wir zogen unsere Waffen.
Orry öffnete mit einem wuchtigen Tritt die Tür. Milo stürmte mit der P226 im Anschlag hinein.
Der Lauf seiner Waffe kreiste.
Dann entspannte sich seine Haltung etwas. Wir folgten ihm in ein kaum möbliertes Appartement. Schimmel kroch die Wände empor. Es roch unangenehm nach Moder.
Es war niemand da.
Mir fiel ein Geräusch auf. Es klang wie ein Ticken, aber ich sah nirgends eine Uhr. Milo sah mich an und schien meine Gedanken zu erraten. Er deutete auf die halboffene Tür, die zum Bad führte. Ich gab ihr einen Stoß. Ein Wasserhahn tropfte. Daher das Geräusch.
Über dem Waschbecken befand sich ein dreitüriger Spiegelschrank. Auf der mittleren Spiegeltür befand sich eine Fliege. Ich brauchte eine Sekunde, um zu erfassen, dass sie angeklebt war.
"Er hat seine Visitenkarte hinterlassen", meinte Milo angewidert.
"Er wusste, dass wir irgendwann hier herkommen würden", stellte ich fest. "Er hat uns erwartet, Milo!"
Im nächsten Moment schrillte mein Handy.
Ich holte den Apparat heraus und ging in Richtung Fenster.
Während ich den Apparat ans Ohr nahm, glitt mein Blick über die heruntergekommenen Bauten in der Umgebung.
"Seien Sie willkommen, Mister Trevellian", wisperte die Stimme an meinem Ohr. Auch diesmal war sie verzerrt. Ein schrilles Kichern folgte. "Es wundert mich, dass Sie so lange gebraucht haben, Trevellian", fügte er dann hinzu. "Offenbar habe ich die Intelligenz eines durchschnittlichen FBI-Beamten überschätzt. Sollte mir tatsächlich ein so großer Fehler unterlaufen sein? Beinahe unverzeihlich..."
"Wo sind Sie jetzt, Miller?", fragte ich.
Er hörte abrupt zu kichern auf. Eine Pause des Schweigens folgte. Ich hörte ein paar Hintergrundgeräusche über das Handy. Eine Art Klopfen. Vielleicht auch Schritte.
Jedenfalls hörte es sich nach einer Raumakustik an.
"Wollen Sie wirklich, dass ich es Ihnen so leicht mache, G-man?", fragte Miller mit einem zynischen Unterton. "Das kann ich nicht glauben... Trevellian, haben Sie den gar keinen Sportsgeist?"
"Nach Sportsgeist sieht mir das bei Ihnen aber auch nicht aus", erklärte ich.
"Was meinen Sie?"
"Menschen abzuknallen, die nicht den Hauch einer Chance haben, sich zu verteidigen, hat doch wohl nichts mit Sport zu tun."
"Das Leben ist ungerecht, Mister Trevellian."
"Zu Ihnen auch?"