Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd
Читать онлайн книгу.Frosch triumphierend seine Leute anstachelte, stellte sich der Riese für einen weiteren Schlag in Conroys Bauch in Positur. Wenn er traf, war er ein toter Mann. Das wusste der Soldat genau. Also lehnte er sich zurück und trat mit voller Wucht zu. In den Unterleib des Fäusteschwingers. Ein gutturales Stöhnen übertönte die Kampfgeräusche. Vor ihm klatschte Mister Universums Körper auf die Fliesen, musikalisch untermalt von einem schmerzgepeinigtem Heulen. Der hinter ihm stehende Würger schraubte seine Finger noch fester zusammen; fast hatte Conroy verloren. Sein Blick verschleierte sich. Er griff nach oben, packte die beiden kleinen Finger und brach sie mit einem wilden Ruck. Ein gepeinigtes Jaulen. Der Griff löste sich. Der dritte Typ stampfte näher, drosch wilde Schwinger gegen Conroys Arme und Brust. Beim nächsten Ausholen tat Conroy einen schnellen Schritt auf seinen Angreifer zu und rammte ihm die abgespreizten Zeige- und Mittelfinger in die Augen. Der völlig Überraschte schrie wie ein abgestochenes Schwein und ging geblendet in die Knie, Blut quoll aus den Augenhöhlen und lief ihm über das Gesicht.
Dann geisterten die anderen heran.
Conroy sah vom Dampf glitzernde Gesichter vor sich. Fäuste bewegten sich auf ihn zu. Er wich aus, pendelte nach links und rechts. Schlug zurück. Ein Fußtritt in die Hoden katapultierte einen hinweg. Einen beidhändig geführten Karatestoß, der sein Schlüsselbein zertrümmert hätte, wehrte Conroy mit einem hochschnellenden Unterarm ab.
Der Bodybuilder hatte sich wieder aufgerappelt. Conroy trat ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Der Muskelprotz ging erneut zu Boden. Mit zertrümmerter Nase; er würde einen Gesichtsklempner brauchen, um keine Schreikrämpfe bei Frauen zu provozieren.
Conroy drehte sich aus dem Kreis der Fäuste heraus. Sah Frosch zur Tür rennen mit jenen grotesken Bewegungen, die übergroße Hast in reduzierter Schwerkraft hervorrief. Es sah aus, als ob er von einem Gummiband an schnellerem Voranstreben gehindert würde. Sein Kumpan mit den gebrochenen Fingern tat es ihm nach. Der mit den verletzten Augen kroch wimmernd ziellos wie eine überdimensionale Schabe über den Boden davon.
Sirenen heulten auf.
Erneut wurde Conroy von hinten angegriffen. Er riss sich los. Starrte in schwarze Gesichter. Vier von ihnen. Er erkannte sie. Sarge hatte mit ihnen diskutiert, als der Zwischenfall mit Frosch in der Messe passierte. So etwas wie Hoffnungslosigkeit machte sich in Conroy breit. Der Kampf schien verloren. Zwei von ihnen packten ihn erneut. Ein schweißtriefendes, ebenholzfarbenes Gesicht schob sich heran und eine Stimme stieß hervor: »Verschwinde hier. Das ist jetzt unser Spiel, weißer Mann! Kapiert?«
Die Sirenen hörten nicht auf zu wimmern.
Wärter drängten sich durch die Menge an der Tür. Geschrei und Geheul. Elektrische Entladungen aus den Neuropeitschen knisterten und zuckten und schufen eine Stimmung wie bei einem Gewitter. Rufe und Befehle übertönten den Lärm des heillosen Durcheinanders.
»Was, zum...«
Conroy kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden.
Die beiden Schwarzen schleuderten ihn durch die Dampfschwaden in eine Ecke des Duschraumes. Er konnte sich auf dem vor Nässe glitschigen Boden nicht halten, stürzte auf die Knie, rutschte weiter, schlug mit dem Kopf gegen die Wand, drehte sich und saß halb nach vorn gekauert auf den Fliesen. Neben ihm klaffte eine Öffnung in der Wand.
Und Sarges Stimme sagte: »Schnell jetzt...! Herein!«
Eine Hand krallte sich in seinen Arm und zog ihn durch die schmale Öffnung in der Wand, weg von dem im Duschraum ausbrechenden Tohuwabohu, das Spoczynskis Wärter mit den schwarzen Häftlingen veranstalteten. Er hörte ein metallenes Knirschen, ganz so, als würde eine Platte vor die Öffnung gezogen, und absolute Dunkelheit umgab ihn. Die Luft war abgestanden, roch schal und auf eine ekelhafte Weise verbraucht; auf den Lippen schmeckte Conroy den Staub korrodierten Metalls. Dann flammte in der Hand des alten Kalfaktors eine Lampe auf; ein enger Gang öffnete sich vor ihnen. Dicke Kabelstränge an Decke und Seiten machten seine Funktion deutlich: Es handelte sich um einen der unzähligen Wartungsstollen, die wie ein Aderngeflecht die Haupträume der Strafanstalt umschlossen und sie mit Energie versorgten. Der Strahlenkegel setzte harte Akzente aus Licht und Schatten in die Düsternis. Es war heiß und eng; die schwache Handlampe ließ einen gerade noch erkennen, wogegen man rannte, falls man nicht aufpasste.
»Wo sind wir?«
»Keine Zeit für lange Erklärungen, Mann«, keuchte Sarge und hüpfte wie ein Eichhörnchen mit einer für sein Alter bemerkenswerten Schnelligkeit vor Conroy her. »Müssen uns beeilen, bevor Spoczynski auf die Idee kommt, in deiner Zelle nachzusehen, Mann.«
Conroy sputete sich, um nicht den Anschluss zu verlieren. Sarge kannte diesen Fluchtweg – oder als was immer er ihn bezeichnen mochte – scheinbar im Schlaf, hatte den Grundriss wahrscheinlich im Kopf; er hingegen bewegte sich auf völlig unbekanntem Terrain und stieß immer wieder gegen unvermutet auftauchende Hindernisse.
Nach ungefähr hundert Schritten wandte sich der Wartungsstollen scharf nach links. Plötzlich war Sarge verschwunden. Conroy fühlte für einen winzigen Moment Verunsicherung. Dann hatte er zu Sarge, der nur die Lampe ausgeknipst hatte, aufgeschlossen, erkannte den engen Spalt, durch den Licht fiel. Helles Licht.
»Wo sind wir?«
»Noch immer auf deiner Ebene, Soldat!«
Etwas knirschte. Die Wand klaffte, und Sarge schob ihn durch die Öffnung. Es stank penetrant nach Desinfektions- und anderen Reinigungsmitteln.
Conroy war versucht zu lachen.
Sarges Reich!
Der Kalfaktor schloss den Durchschlupf zur lunaren Unterwelt sorgfältig und drapierte eine paar Besen und Feudel davor.
Dann ging er zum Ausgang, linste um die Ecke und winkte Conroy mit seiner mageren Krallenhand zu.
»Raus mit dir, Soldat! Die Luft ist rein.«
Conroy trat hinaus. Stand auf dem Katzensteg am entgegengesetzten Ende seiner Ebene. Vor sich die fast endlose Reihe der Käfige. Er grinste vor sich hin; am anderen Ende herrschte noch immer Tumult vor dem Eingang zum Duschraum. Minuten, dachte er, während er sich auf seine Zelle zu in Bewegung setzte. Nur ein paar verdammte Minuten sind vergangen.
Noch immer heulten die Sirenen.
Und Conroy hastete zu seinem Käfig.
Unbeobachtet.
Die Käfige links und rechts waren leer. Alles drängte sich um den Duschraum. Die Sträflinge genossen sicher das Schauspiel.
Er warf die Gittertür hinter sich zu. Klirrend schnappte das Schloss ein. Dann ließ er sich aufs Bett fallen, starrte an die Decke und dachte scharf nach.
Was zum Teufel hat sich da abgespielt?, fragte er sich. Was passiert hier?
Irgendjemand hatte etwas gegen ihn. Das, was heute geschehen war, zuerst die Provokation beim Frühstück, dann die Vorkommnisse im Duschraum, ging weit über Statusspiele oder Auseinandersetzungen um Territorien und vermeintliche Machtansprüche im verquasten Hierarchiedenken von Gefängnisinsassen hinaus. Erst hatte man versucht, ihn massiv einzuschüchtern. Dann zu erwürgen. Hätte nicht Sarge ein Auge auf ihn gehabt und seine schwarzen Brüder dazu überredet, einzugreifen, hätte ihn Spoczynski tot im Duschraum vorgefunden. Aber warum? Wer steckte dahinter? Was war das Motiv? Warum, zum Teufel, hatte jemand einen Plan entwickelt, ihn umzubringen? Er hatte nicht die geringste Ahnung.
*
Das Restaurant des Barbizon-Plaza war vom Feinsten, trug aber den Stempel seiner Stammgäste – durchweg hohes Militär. Es befand sich im Dunstkreis des Pentagon. Nichtsdestoweniger wurde es von überraschend vielen Frauen frequentiert.
Vielleicht auch gerade deswegen...
General Stryker und Oberst Richard Sheehy saßen in einer der durch Säulen abgeteilten Nischen der VIP-Lounge des Restaurants, das trotz der späten Stunde noch gut besucht war.
Vor