Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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schütteln. Es war eine Geste, die Conroy nicht erwartet hatte, weshalb er schon allein aus Überraschung darüber schwieg.

      Der vor ihm Stehende knallte ihm noch einmal die flache Hand ins Gesicht. Conroy hätte den gnadenlos hart geführten Schlag abwehren können. Er tat es nicht. Ließ den brennenden Schmerz gewähren, der in seinem Gesicht explodierte.

      »Na, wie fühlt man sich, wenn man so etwas einstecken muss, du Flasche?«, kam erneut die hämische Stimme.

      Conroy schwieg auch dazu. Er kannte die Merkmale. Der Clown vor ihm hatte noch mit seiner Niederlage zu kämpfen und durfte jetzt um keinen Preis noch weiter gereizt werden.

      »Was ist denn los? Hast du gar nichts zu sagen, Klugscheißer?«

      Er hob erneut die Hand, schlug wieder zu. Doch diesmal erreichte der Schlag sein Ziel nicht. Conroy fand, dass es genug war, wich in einem blitzartig schnellen Reflex aus. Und der Hieb fuhr ins Leere.

      Der Militärpolizist stolperte fast.

      Conroy verkniff sich das Grinsen; ihm reichte der hämische Ausdruck auf dem Gesicht des zweiten vollauf.

      Zorn flammte in den Augen des Schlägers auf wie die Glutpunkte einer brennenden Zigarette.

      »Das war ein Fehler«, knurrte er wutentbrannt und schüttelte strafend den Kopf. »Vielleicht sollte ich dich der Einfachheit halber wegen Fluchtversuchs abknallen, was?«

      »Genug!«, rief der andere. »Schluss jetzt!«

      Sein Partner wirbelte herum und fauchte ihn an: »Wer sagt, dass es genug ist?«

      »Ich. Und ich führe hier das Kommando, falls du das vergessen haben solltest. Wir haben nun mal unsere Anweisungen. Reiß dich am Riemen, oder du hast ein echtes Problem, Mann.«

      Sie maßen sich mit Blicken.

      Sekundenlang.

      Dann gab der andere klein bei.

      »Schon gut – schon gut. Aber ich wüsste genau, was ich mit diesem Bastard anfangen würde...«

      Er starrte einen Moment überlegend seine Waffe an. Dann knurrte er: »Los, liefern wir den Hundesohn ab.« Er stieß Conroy vorwärts hinein in die Halle.

      »Beweg' die Hufe, Mann! Man wartet bereits sehnsüchtig auf dich.«

      Sie durchquerten den Hangar in Richtung auf die Röhren eines weiteren Turbolifts.

      Während Conroy zwischen den beiden Wachhunden zum Lift ging, überlegte er angestrengt, was wohl hinter den »Anweisungen« stecken mochte. Hoffentlich nicht das, was er befürchtete: seine endgültige Verurteilung.

      Sie erreichten den Lift, ehe er den Gedanken zu Ende verfolgen konnte und fuhren weiter hinauf.

      Es war wie der Schritt in eine andere Welt, als sich diesmal die Lifttüren vor ihm und seinen Bewachern öffneten. Nur dass Conroy diese Welt ebensowenig zusagte wie die, welche er vor wenigen Minuten verlassen hatte. Vor ihm lag ein großer, hell erleuchteter Raum, der aussah wie die Hightech-Zentrale eines Softwarekonzerns. Er war mit Reihen halbrunder, abgeschrägter Systemkonsolen und unzähligen kleinen und großen Monitoren ausgestattet und hätte genauso gut in einer der Megastädte auf der Erde stehen können. Überall flimmerte und blinkte es. In dem Tohuwabohu von Rechnern, Bildgebern und Arbeitstischen wirkten die uniformierten Techs der Gefängnisverwaltung irgendwie verloren. Dominiert wurde der Raum jedoch von einer etwas erhöht angebrachten, kreisförmigen Plattform in der ungefähren Mitte, zu der eine flache Stufe hinaufführte. In der Mitte der Plattform ein drehbarer, schwerer Gliedersessel, von dem aus man einen Rundumblick auf sämtliche Überwachungseinheiten hatte. Im Augenblick war er unbesetzt.

      Weiter im Hintergrund der Überwachungszentrale, von einer Wand aus zentimeterdickem, transparentem Plastik vom Monitorraum getrennt, ein weiteres Büro.

      Zwei Personen waren darin zu erkennen.

      Ein Leutnant näherte sich ihnen, die Waffe hatte er lässig geschultert. Er winkte ab, als Mortons Wachhunde eine Meldung machen wollten, drehte sich schweigend um und ging quer durch den Saal auf das Büro zu. Conroy fühlte die schwere Hand eines Wärters auf der Schulter, die ihn in die gleiche Richtung schubste.

      Der Leutnant klopfte an, wartete einen Augenblick und betrat dann mit seiner Eskorte den Raum.

      Der STRALAG-Direktor mit den Insignien eines Hauptmanns an den Kragenspiegeln saß hinter seinem Schreibtisch und betrachtete ein paar Datenfolien. Sein Bild wurde von der spiegelnden Oberfläche des Holotech-Tisches zurückgeworfen, auf dem die Benutzer-Interfaces für manuelle Abfragen deaktiviert waren.

      Der auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzende Mann drehte sich beim Näherkommen herum und betrachtete die Neuankömmlinge, aber sein Interesse galt einzig und allein Conroy.

      »Hallo, Conroy«, sagte er schließlich, »wie fühlen Sie sich?«

      »Mir geht es gut, Major«, versicherte Conroy und versuchte, sein Erstaunen, das in ihm hochschoss wie eine heiße Woge, nicht nach außen dringen zu lassen. Er stieß ein freudloses Lachen aus. »Wie Sie sehen, bin ich noch am Leben.«

      Santana gab einen knurrenden Laut von sich.

      »Haben Sie...« Er suchte offensichtlich nach Worten.

      »Ob ich psychische oder physische Schäden davongetragen habe, möchten Sie wissen?« Conroy schüttelte den Kopf. »Bis auf die paar unbedeutenden Blessuren, die ich mir den vergangenen vierundzwanzig Stunden einfing – einfangen sollte? – nein!«

      Der Gefängnisdirektor ließ mit einem unwilligen Laut die Datenfolien sinken. Sein Gesicht nahm einen ärgerlichen Ausdruck an. Er öffnete den Mund, aber eine winzige Handbewegung des Majors ließ ihn verstummen.

      Angus Santana furchte eine Sekunde lang irritiert die Stirn, dann lehnte er sich in seinem Sitz zurück. »Ich glaube, Sie sollten sich besser setzen«, sagte er knapp. »Und Sie, Hauptmann Devore«, wandte er sich an den Direktor, »lassen uns bitte allein. Vergessen Sie nicht beim Hinausgehen, die Wachen mitzunehmen.«

      Als sie allein waren, geschah für Minuten nichts.

      Das gab Conroy Gelegenheit, ein paar Gedanken an den Major zu verwenden.

      Santana hatte sich kaum verändert. Noch immer das gleiche, harmlos wirkende Schuljungengesicht. Doch das war Maskerade, wie Morton aus Erfahrung wusste. Eine Maske, die vor allem dazu diente, Gegner von seinen wahren Absichten abzulenken. Das war schon damals so, als er und Morton sich auf den tristen Schulhöfen diverser Militärstandorte mit anderen prügelten, wie auch später auf der Militärakademie Camp Lejeune als grüne Leutnants. Jetzt trug er die Insignien eines Majors. Hatte inzwischen Karriere gemacht. Und besaß noch immer den gleichen Gesichtsausdruck.

      »Freut mich, dich zu sehen«, sagte er jetzt und bedachte Morton mit einem forschenden Blick. Dann reichte er seine Hand über den Tisch. »Du siehst besser aus, als ich dachte.«

      Morton Conroy lächelte trübe, die vertrauliche Anrede widerspruchslos akzeptierend. »Was hast du erwartet? Einen Leichnam?«

      Santana sagte: »Davon wüsste ich, nein. Aber...«

      Morton wartete auf das, was nach dem »Aber« kommen musste. Doch er wurde enttäuscht.

      Eine neue Erfahrung.

      Angus Santana sagte plötzlich ohne Übergang: »Wir haben einen Job zu vergeben, Morton!«

      Der abrupte Themenwechsel verwirrte Conroy zunächst. Dann begriff er, was Santana da gesagt hatte, begriff, dass da eine Chance war, dem Leben hinter Gittern zu entkommen.

      »Wir?«, dehnte er.

      »Wir!«, bekräftigte der Major.

      »Wer ist ›wir‹? Was soll das heißen?«

      »Frag mich nicht, was sich dahinter verbirgt. Noch nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich dir keine verbindliche Auskunft geben. Solltest du


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