Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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      »Du hast viele gestellt in den vergangenen sechsunddreißig Stunden«, erwiderte er wortkarg. »Welche meinst du?«

      Sie blieb vor ihm stehen, sah ihn an.

      »Wo du dich rumgetrieben hast, weil du so ausgehungert warst?«

      »War ich das?«

      »O ja...» sie kicherte. »Und – wo warst du?«

      Keine Antwort.

      Nach einigen Sekunden schien klar, dass auch keine Antwort kommen würde.

      »Verstehe. Was frage ich auch? Interessiert mich doch überhaupt nicht.« Sie ging langsam durch das Zimmer und schlüpfte in ihre Schuhe.

      Damit stöckelte sie zur Tür.

      Dort blickte sie noch einmal zurück, sah ihn an und seufzte. Sie befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen

      »Sehen wir uns wieder?« Die Frage schien berechtigt, von ihrer Seite der Geschichte aus.

      Achselzucken.

      Mehrere Sekunden lang sagte keiner von ihnen etwas.

      Dann seufzte sie erneut.

      Mit einem »Vergiss dein Telefon nicht« ging sie, ohne sich noch einmal umzusehen. Lediglich ihr Geruch im Zimmer erinnerte ihn eine Weile daran, dass sie einmal da gewesen war.

      Conroy schwang die Beine aus dem Bett und meldete sich.

      Es war ein Sichtbildanruf.

      Der Videoschirm erhellte sich.

      »Mort? Hier ist Angus«, sagte Santana mit seiner jungenhaften, unverschämt ausgeschlafen klingenden Stimme. Er verlor kein Wort darüber, dass er lange auf die Verbindung hatte warten müssen.

      »Was willst du so früh, Angus?«

      »Mann, du siehst vielleicht aus... hast du die Nutte noch bei dir?«

      »Nein. Warum?«

      »Gut. Du wirst hier gebraucht. Man will dich sehen.«

      Conroy gähnte.

      »Um die Wahrheit zu sagen, Angus, ich habe keine Lust.«

      »Ha, ha, ha«, machte Santana. »Den Terminus ›Lust‹ hast du genügend strapaziert, nehme ich mal an. Du machst dich besser auf den Weg.«

      »Darf man Einzelheiten erfahren?«

      »Hat sich der Alte vorbehalten. Er wird dich umfassend über alles informieren.«

      »Großartig«, sagte Conroy. »Kann ich mich weigern?«

      »Was sagt man denn dazu?« Santana schüttelte grinsend den Kopf. »Du und Skrupel vor einer Aufgabe! Mal ganz was Neues. Nichts da, alter Freund. Ein Hovercar holt dich ab. Ist schon auf dem Weg.«

      Er unterbrach, noch immer ein Grinsen auf den Lippen, die Verbindung.

      »Danke, Angus«, sagte Conroy mechanisch gegen den dunklen Bildschirm. »Vielen Dank...«

      *

      Die gigantischen Hochhauskathedralen und Kuppeln der Hauptstadt der FSA schienen jetzt ganz nah. Für Conroy begann in dem Moment, als sich der flugtaugliche Hover seinem Bestimmungsort näherte, eines der gefährlichsten Unternehmen seiner Karriere.

      Glücklicherweise hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht die leiseste Ahnung davon, was ihn erwartete.

      Entsprechend gelassen und entspannt verfolgte er die Landung auf jenem Teil des Flughafens New Washingtons, das dem Pentagon zur ausschließlichen Nutzung vorbehalten war.

      An die bevorstehende Unterredung im MILCOM-Hauptquartier verschwendete er im Augenblick nicht allzuviele Gedanken.

      Im verwaschenen Licht des frühen Vormittags setzte der unauffällige Hover im Mittelpunkt der zugewiesenen Landezone auf. In der Tiefe des Landeareals erwachten mächtige Maschinen; der Pilot des Hovers sandte ein kodiertes Signal an den Öffnungsmechanismus. Der Kreisabschnitt senkte sich mitsamt dem Hovercraft in die Tiefe. Wenig später schob sich dröhnend eine massive Decke über die Öffnung und sperrte das Sonnenlicht aus. In den Wänden des Silos aktivierten sich ringförmig angeordnete Leuchtsegmente. Donnernd setzte die Plattform am Boden der stählernen Krypta auf; Staub wirbelte empor, wurde von Batterien übermannsgroßer Ventilatoren abgesaugt.

      Die Aggregate deaktivierten sich. Das Schott fuhr hoch. Conroy stand auf, und schon war er draußen.

      Mit einem kurzen Blick orientierte er sich. Dann setzte er sich zielstrebig in Bewegung; seit seinem letzten Besuch hier hatte sich nichts verändert.

      Angus Santana erwartete ihn bereits.

      Nur zehn Minuten später – und nach drei exzessiv durchgeführten Kontrollen durch schwarzgekleidete und schwer bewaffnete Sicherheitsbeamte – verließen sie dreizehn Stockwerke höher einen Lift und gingen die paar Schritte über den Korridor bis zu einer Tür, vor der zwei Wachrobots standen; ihre starken Waffensysteme waren aktiviert.

      Die Tür öffnete sich automatisch, nachdem der Scanner Santanas und Conroys ID-Chips gecheckt und sie als unbedenklich identifiziert hatte.

      Hinter der Tür lag ein kleiner Raum, der nichts anderes als eine Hochsicherheitsschleuse darstellte. Wer hier nicht mit dem richtigen Zutrittskode aufwarten konnte, sah sich binnen Sekundenbruchteilen in einem Energiefeld gefangen, aus dem es kein Entrinnen gab. Von den vielen sonstigen scheußlichen Unannehmlichkeiten ganz zu schweigen, die jedem Unbefugten an dieser Stelle das Leben zur Hölle machen würden.

      Schließlich betraten sie das Vorzimmer zu den Diensträumen Oberst Sheehys.

      »Major Santana, Sir!« Der weibliche Leutnant an der Konsole links neben dem Eingang hob den Arm; ein flüchtiger Blick streifte die mächtige Gestalt Morton Conroys, ehe sie fortfuhr: »Der Chef erwartet Sie schon. Im Besprechungsraum. Sie können gleich rein.«

      Der Major berührte die Sensorleiste, wartete, bis die schwere Platte aus Sicherheitsglas zur Seite schwang. Dann betraten sie die vollklimatisierte Operationszentrale von SY.N.D.I.C.

      Zwei Männer saßen in tiefen Formsesseln hinter einem hufeisenförmig geschwungenen Tisch. Der eine war ein weißhaariger Siebziger. Der andere wirkte auf den ersten Blick wie ein höherer Beamter aus den Ministerien des Pentagon. Daran änderte auch die maßgeschneiderte Uniform nichts; er sah genauso aus, wie man sich einen Beamten in gehobener Position vorstellt. Männer wie ihn fand man auch vorzugsweise in den Vorstandsetagen von Multikonzernen.

      Erst als er den Kopf hob und Conroy ansah, wurde der Unterschied offenbar. Er hatte nicht das Gesicht eines Durchschnittsmannes. Hinter den kalten grauen Augen steckte eine überdurchschnittliche Intelligenz. Es war das Antlitz eines absoluten Realisten.

      Die Insignien am Uniformkragen wiesen ihn als Oberst aus.

      »Major Angus Santana, Sir« sagte Angus laut und nahm eine etwas legere Grundstellung ein.

      Conroy tat es ihm nach.

      »Morton Conroy«, sagte er, und die weitere Formulierung kam etwas ungewohnt über seine Lippen. »Oberleutnant. Ehemals Blackwatch-Regiment.« Was hätte er sonst sagen sollen? Vielleicht: Morton Conroy, zu Unrecht verurteilter Gefangener?

      Der Oberst zeigte auf die Sitzgruppe im Innenbogen des Schreibtisches.

      »Setzen Sie sich, meine Herren.«

      Die beiden nahmen Platz.

      Richard Sheehy lehnte sich in seinem Formsessel zurück und fixierte Conroy mit gerunzelter Stirn.

      »Sie sind also der legendäre Commander des Blackwatch-Regiments.«

      Als ob er das nicht wüsste, dachte Conroy.

      »Ich habe in letzter


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