Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd
Читать онлайн книгу.ein kreisförmiger Bau von nicht mehr als fünfzig Meter im Durchmesser. Vom Umfeld selbst erhebt sich das Gebäude kaum mehr als drei Meter; es ist nichts anderes der Zugang zum Komplex, das obere Ende des Zentralschachtes. Die Forschungsstation selbst liegt unter der Erde. Wie weit sie sich heute in die Tiefe erstreckt, kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden, da vermutlich Umbauten stattgefunden haben. Als sie errichtet wurde, führte der Schacht von der Kuppel aus 200 Meter weit hinab. Ab der 50-Meter-Marke war er von insgesamt zwanzig ringförmigen Ebenen umgeben. Dichtemessungen durch ›Watchdog‹ haben ergeben, dass zumindest Wohn- und Arbeitsräume intakt sein müssen. Aber was sich in Wahrheit dort abgespielt haben könnte, ließ sich so nicht nachprüfen.«
»Gibt es denn keine andere Möglichkeit«, erkundigte sich Conroy, »herauszufinden, ob Basis Alpha tatsächlich zerstört worden ist?«
Sheehy nickte.
»Die gibt es«, sagte er bedeutungsschwer. »Wir wissen durch bestimmte Informationen, die wir kürzlich bekommen haben, dass der Laborkomplex intakt ist und die Mitglieder der geheimen Forschungsgruppe noch arbeiten. Allerdings steht das Labor jetzt unter der Kontrolle des Pan-Pazifischen Blocks beziehungsweise der Chinesen, die einen dichten Kordon um das Gebiet gezogen haben.«
»Wie gelangten Sie zu diesem Wissen?«
»Über einen Waffenschieber und Abenteurer namens Ray Haan. Der hatte vor vierzehn Tagen in der kleinen Stadt Tschangu, etwa zweihundertfünfzig Kilometer nordöstlich von Kaschmir, einen jungen, schwerverletzten Tibetaner vom Stamm der Dolpo-Pa aufgelesen. Er flog ihn mit seinem Lastenhover zurück nach Schrinagar ins Hospital und rettete ihm vermutlich das Leben. Unser dortiger Kontakt, der sich Haans Können und Wissen manchmal zunutze macht, hat sich um den jungen Mann gekümmert. Der Dolpo-Pa konnte nicht nur mit Informationen über den augenblicklichen Stand der Dinge in Tibet dienen, sondern hatte auch eine Nachricht für Professor Coulson. Diese Nachricht stammte von Chris Auborn.«
»Wie gelangte der Dolpo-Pa daran?«, fragte Conroy, der langsam zu ahnen begann, welcher Job ihn erwartete.
»Es muss Auborn gelungen sein, die Nachricht über einen der Zulieferer herauszuschmuggeln, die von den Chinesen für die Versorgung des Laborkomplexes eingesetzt werden.«
»Welche Nachricht? Und warum gerade an Sie?«, wandte sich Conroy an den Professor.
»Chris Auborn und ich haben zusammen studiert und während dieser Zeit so manchen Streich ausgeheckt, bis wir uns aus den Augen verloren. Während ich eine militärische Laufbahn einschlug, ging Chris zurück nach England und arbeitete in der Forschung.«
Professor Coulson seufzte nachdenklich. »Er ist wirklich einer der großen Köpfe dieses Jahrhunderts, Oberleutnant Conroy.«
»Kann man den Inhalt der Mitteilung erfahren?«
»Sie ist sehr persönlich«, meinte Coulson. »Sie enthält nichts darüber, an was in Basis Alpha gearbeitet wird.«
»Aber was ist dann so interessant an dieser Nachricht?«
»Verstehen Sie nicht?« Oberst Sheehy lehnte sich vor. »Sie ist von ungeheurer Brisanz. Denn jetzt wissen wir definitiv, dass der Laborkomplex in Betrieb ist und die Wissenschaftler offenbar Gefangene des Pan-Pazifischen Blocks sind, zumindest unsere Leute.« Er schwieg einen Moment, ehe er fortfuhr: »Sie, Oberleutnant, haben sich während der russisch-chinesischen Aufstände wochenlang im Hochland von Tibet aufgehalten. Sie kennen das Terrain. Sie kennen die Sprache. Sie werden in Basis Alpha eindringen und herausfinden, was dort tatsächlich vor sich geht. Von unseren Agenten sind Sie vermutlich der einzige, der diese Aufgabe schaffen könnte.«
»Das klingt alles recht schmeichelhaft«, erwiderte Conroy. »Aber wie in drei Teufels Namen ich dieses Kunststück fertigbringen soll, ist mir noch schleierhaft.«
»Darüber haben wir uns, wie Sie sich bestimmt denken können, schon längere Zeit Gedanken gemacht. Die entsprechenden Vorbereitungen waren schon für Brett Foss getroffen worden. Sie übernehmen jetzt an seiner Stelle.« Oberst Sheehy tastete eine Kontrolle auf seinem Schreibtisch.
Die Luft flimmerte.
Eine topographische Landkarte erschien zwischen den Männern.
»Sehen Sie her, Oberleutnant! Das ist die fragliche Gegend: Kaschmir und das westliche Tibet.« Sheehy berührte das Holo, und eine Ausschnittvergrößerung hob sich daraus empor. »Tschangu liegt ungefähr zweihundertfünfzig Kilometer von der ehemaligen Grenze entfernt. Hier«, der Oberst berührte wieder das Holo, und der Ausschnitt wurde erneut kleiner, »kaum neunzig Kilometer hinter dieser Grenze, liegt das tibetanische Dorf Lhakpa. Unser Kontakt teilte uns in seinem gestrigen Bericht mit, dass nach Angabe des jungen Dolpo-Pa die Herrschaft der Chinesen über diese Gegend nur auf dem Papier besteht. Weiter sagte er aus, dass sich in einem Kloster bei Lhakpa ein Widerstandszentrum der Rebellen befinde. Wenn wir Sie dorthin schaffen können, dann besitzen Sie wenigstens eine Operationsbasis. Ab dem Kloster sind Sie allerdings auf sich allein gestellt.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, versetzte Conroy trocken.
Sheehy runzelte die Stirn, während Major Santana ein Grinsen nicht verbergen konnte.
»Zwei Fragen«, fuhr Conroy fort. »Erstens: Wie komme ich hinein? Zweitens: Was habe ich zu tun, damit die Rebellen mich unterstützen?«
»Soweit ist schon alles vorbereitet«, erklärte der Oberst. »Unser Kontakt in Schrinagar hat dafür gesorgt, dass der Dolpo-Pa Sie zum Kloster begleiten wird.«
»Auf welchem Weg?«
»Man wird Sie hinfliegen.«
»Glauben Sie, das wird von Kaschmir aus gehen? Das Ladakh-Gebirge ist verflucht hoch. Wer traut sich da rüber?«
Jetzt war es an Sheehy, Belustigung zu zeigen. »Ray Haan natürlich, der Waffenschmuggler. Er hat in der Nähe von Thilen eine Startbasis, wo seine Maschinen untergebracht sind. Von dort aus sind es nur noch hundertsechzig oder hundertachtzig Kilometer bis nach Tibet hinein. Wir haben ihm Zehntausend dafür geboten, dass er Sie in der Nähe des Klosters von Lhakpa absetzt, und weitere Zehntausend, wenn er Sie zu einem von Ihnen noch zu bestimmenden Zeitpunkt wieder abholt. Und die Rebellen werden Ihnen insofern vertrauen, weil der Dolpo-Pa bei Ihnen ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, er ist so etwas wie ein Adeliger unter den Tibetanern.«
»Dieser Haan. Ist er der Meinung, dass er es schaffen wird?«
Sheehy nickte. »Er sagt, dass es zu machen ist.«
»Und wo genau liegt Basis Alpha?«
»Noch einmal etwa fünfzig Kilometer weiter im Westen, in einem unzugänglichen Hochtal. Der einzige Pass, der hineinführt, wird von starken Einheiten der Chikoms abgeschirmt, wie wir von der Satellitenüberwachung wissen. Außerdem finden in der ganzen Gegend ständig Manöver statt, angeblich wegen der Rebellen. Natürlich dienen die nur zur bequemen Vertuschung des wahren Sachverhalts.«
»Kann ich die Basis mal sehen?«, bat Conroy.
Das Holo geriet erneut in Bewegung. Immer wieder hoben sich Vergrößerungen hervor, drehten sich, dehnten sich aus und wurden durch neue ersetzt. Es war wie eine Kamerafahrt aus dem Weltraum hinab in das Hochtal.
Dann war keine weitere Vergrößerung mehr möglich.
Conroy runzelte die Brauen.
Das Standbild zeigte ein Areal von etwa zwei mal zwei Kilometern, eingerahmt von hohen Bergen, die das schon über Alpengipfelniveau liegende Tal noch einmal um zwei- bis dreitausend Meter überragten.
Nachdenklich blickte er auf die Holographie.
Auf dem virtuellen Talgrund umrahmten mehrere konzentrische Energiezäune das Forschungslabor, vielmehr das, was davon an der Oberfläche zu sehen war.
»Schwierig, da reinzukommen. Die Berge scheinen unüberwindlich. Und es über den Pass zu versuchen, dazu müsste ich unsichtbar sein. Na, mal sehen. Wahrscheinlich werde ich eine gute Portion Glück mitbringen müssen«, murrte