Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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gab die Adresse eines Tanzpalastes in der Innenstadt an; eine von den vielen, die ihm der Rezeptionschef genannt hatte. Er würde noch zweimal das Beförderungsmittel wechseln, um seine Spur zu Skorrow etwas zu verwischen. Irgendwo in seinem Hinterkopf spukte noch immer das Fahrzeug herum, das ihnen vom Hoverport gefolgt war.

      Rund eine halbe Stunde später hielt das dritte Taxi.

      »Die Mahin Road, Sahib.«

      Conroy stieg aus und zahlte. Als er einen Blick in die Runde warf, ging ihm auf, weshalb die Stimme des Fahrers abfällig und auch ein Spur ängstlich geklungen hatte, als er sich weigerte, ihn weiter zu befördern: Vor ihm lag ein Getto-Bezirk!

      Syndikatsgebiet!

      Conroy blieb noch einen Moment stehen, nachdem sich das Citycab entfernt hatte, und betrachtete das Geschehen auf der Straße.

      Der Regen hatte aufgehört.

      Um diese Zeit herrschte in diesem Teil Schrinagars kaum nennenswerter Verkehr, und er sah auch keine gepanzerten Polizeihover. Das beruhigte ihn, denn er wollte sich keine Kontrolle seiner Person leisten. Er wusste um die Zustände in derartigen Bezirken; die überforderten Beamten der städtischen Miliz fackelten nicht lange. Und immer wieder kam es vor, dass sie jemanden in eine Zelle sperrten, um ihn dort für eine ganze Weile einfach zu vergessen.

      Auch der ständige Krieg rivalisierender Syndikatsleute, die sich in sporadisch auflodernden Gewaltausbrüchen gegenseitig umbrachten, schien für den Augenblick eine Atempause zu machen.

      Conroy holte die Nachtsichtbrille von Matrox aus der Brusttasche und setzte sie auf. Die winzigen Dioden im oberen Rand wechselten von Grün auf Rot. Die Gläser passten sich den herrschenden Lichtbedingungen an; die Weitwinkellinsen wirkten wie Spiegel und erfassten alles, was hinter und seitlich von ihm vorging. Dann setzte er sich in Bewegung.

      Nicht zu langsam, als wäre er auf etwas ganz Bestimmtes aus. Aber auch nicht so eilig, um den Argwohn der Syndikatsleute zu erregen, welche die eigentlichen Herren der Stadt waren. Laute Musik kam aus den vielen Bars, an denen er vorüberkam. Zwischen Ladenpassagen und Apartmenthochhäusern duckten sich halbzerstörte Gebäude, wenn auch die Verwahrlosung weit weniger ausgeprägt war als in den Außenbezirken der Slums. Reklamelichter summten und blitzten, und vor den Geschäften und Apartmenthäusern standen unübersehbar schwerbewaffnete Syndikatsleute, die den Schutz dieser Einrichtungen übernommen hatten.

      Die Matrox-Brille verschafften ihm einen Blick nach hinten.

      Niemand hatte sich an seine Fersen geheftet.

      Niemand schien Notiz von ihm zu nehmen.

      Die Straße führte immer tiefer in den Slumbezirk.

      Die wenigen funktionierende Laternen trugen in der feuchten Nachtluft Lichthöfe, die ihren gespenstischen Schein über Gebäude und Straße warfen. Ein Fakir hockte mit seinem Kobrakorb in einem Torbogen und schlief mit auf die Brust gesunkenem Kopf und weit offenem Mund.

      Die Gehwege waren von Unrat übersät. Conroy versuchte, nicht zu tief zu atmen, als er durch verfaulte und stinkende Abfälle aus den billigen Garküchen watete; flappende Ventilatoren husteten den Mief ins Freie. Verwahrloste Gestalten lagen zusammengerollt unter Plastikplanen an den Mauern und in Eingängen.

      Irgendwo jaulte ein Hund.

      An den Häusern waren nur selten Nummern angebracht, aber der Fahrer hatte ihm zumindest gesagt, wonach er Ausschau halten sollte.

      Er kam dem Ufer des Dschilam näher; vom Strom verbreitete sich ein Geruchsgemisch von toten Fischleibern und süßlichem Jasmin.

      Kaum entzifferbar las er an einem Haus die Nummer: 243.

      Er sah eine Reihe kleinerer, halbzerfallener Häuser – ein Obdachlosenasyl, ganz so, wie ihm der Hoverfahrer den Weg beschrieben hatte. Ein bemaltes Hartplastikstück unter einer verrußten Öllaterne besagte, dass der Preis pro Lager und Nacht 50 Paise, eine halbe Rupie betrug.

      Seinen Berechnungen nach musste er jetzt fast am Ziel sein.

      Etwas raschelte neben ihm – und mit einer nur Bruchteile von Sekunden scheinenden Bewegung erschien die MDK in seiner Hand. Der Strahl des Laserzielgebers zuckte durch die Dunkelheit, fiel auf ein altes Gesicht mit dunklen Augen und grauem, schmierigem Haar, das ihn verständnislos entgegenstarrte; der Alte kauerte im Eingang eines baufälligen Hauses unter einer Strohmatte, als hätte die Zeit ihn weggeworfen. Der rote Laserpunkt saß genau zwischen den Augen des zerlumpten Greises.

      Conroy steckte die Waffe zurück.

      Von diesem menschlichen Wrack drohte ihm keine Gefahr.

      Zehn Minuten später mündete die Mahin Road in das alte Hafengelände. Auf der einen Seite duckten sich in der Dunkelheit Reihen von halbzerfallenen Lagerhallen und ehemaligen Raffinerieanlagen; die Außenbezirke der bizarren Kaianlage wirkten wie die Kulisse zu Dantes Inferno. Jenseits der Kais erstreckte sich die dunkle Wasserfläche des Dschilam, in der sich der nun wieder sternenübersäte Himmel spiegelte.

      Die angegebene Nummer entpuppte sich als ein altes Lagerhaus.

      Skorrow hatte ihm am Telefon gesagt, er würde ihn eine Stunde vor Mitternacht erwarten.

      Während Conroy vor dem Haus wartete, berührte er die MDK. Ein Kribbeln im Nacken warnte ihn, dass er die Waffe in dieser Nacht vielleicht doch noch brauchen würde.

      Er schaute auf die Uhr; bereits fünf Minuten nach elf.

      Von dem Netzdealer war weit und breit nichts zu sehen; nirgends brannte Licht.

      Das allein genügte schon, um ihn misstrauisch zu machen, und er dachte bereits daran, den unheimlichen Ort zu verlassen, als er in der Dunkelheit ein Geräusch hörte.

      Er fuhr herum und sah, dass sich in der Wand des Lagerhauses hinter ihm eine kleine Tür geöffnet hatte, aus der ein Mann heraustrat. Er war klein, ziemlich korpulent und trug einen weißen Tropenanzug, der sich über seinen Bauch spannte.

      »Skorrow?«, fragte Conroy und sah auf den Mann.

      Der sagte nichts, sondern forderte ihn mit einer Bewegung seiner Linken auf einzutreten; seine Rechte, bemerkte Morton, steckte in der Jackentasche.

      Ein zweiter Mann trat heraus. Groß und schwer. In einem langen, schwarzen, eng taillierten Mantel, der offenstand. Darunter trug er eine ebenfalls schwarze Montur. Sein Schädel war kahlgeschoren.

      »Mr. Conroy?«, sagte er. »Mister Morton Conroy?«

      Als er den Kopf bewegte, sah Conroy, dass seine Kopfhaut eine Tätowierung trug.

      Conroy hatte Skorrow gegenüber keinen Decknamen benutzt; es lag kein Grund dafür vor. »Der bin ich«, sagte er. »Wer von Ihnen beiden ist denn nun Skorrow?«

      »Sie sind gekommen, um sich mit Skorrow zu treffen.«

      Der im Tropenanzug fragte nicht, er stellte fest.

      Conroy nahm die Matrox-Brille ab und verstaute sie in der Brusttasche der Jacke.

      Der Kahlgeschorene verfolgte jede seiner Bewegungen mit Argusaugen.

      »Das stimmt«, sagte Conroy, den Dicken mit der Hand in der Tasche scharf beobachtend. »Wo ist er?« Er war sich nun sicher, dass keiner der beiden Skorrow war.

      Der dicke Mann lächelte.

      »Er ist hier, Mr. Conroy. Sie werden ihn sehen. Inzwischen wollen wir uns vorstellen, wie es unter zivilisierten Leuten üblich ist. Ich bin Jupiter Sorich.« Er sah Conroy scharf an, offensichtlich eine Reaktion erwartend. »Und dies ist mein Leibwächter Riha.«

      »Wenn Skorrow hier ist«, sagte Conroy, die Vorstellung ignorierend, »wo steckt er?«

      Sorich seinerseits ignorierte Conroys Frage. »Sie sind einer von Skorrows Helfershelfern, nicht wahr, Mr. Conroy? Sie wollen Barbo Skorrow helfen, das Syndikat zu betrügen, wollen ihm helfen, Schrinagar zu verlassen, ohne seine Verbindlichkeiten


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