Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Sechs utopische Thriller - Conrad Shepherd


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      Auf einem Tischchen, einem Lotosblatt nachgebildet, stand eine Flasche Whisky, ein dickwandiges Glas und eine Schale mit geeisten Stücken von Markkürbis.

      WILLKOMMEN IN SCHRINAGAR. MIT DEN BESTEN GRÜSSEN, RIMTEC, war in steilen Buchstaben auf dem beiliegenden Kärtchen vermerkt.

      Conroy grinste schwach, warf seine Tasche auf das Bett und goss sich ein. Er trank einen großen Schluck und stöhnte dann wohlig auf. »Genau das hat mir gefehlt«, murmelte er. »Jetzt komme ich mir wieder vor wie ein Mensch.«

      Er besichtigte kurz das Bad und inspizierte den begehbaren Einbauschrank, in dem er die bereitgestellte Ausrüstung vorfand: Kleidung und Zubehör für einen längeren Aufenthalt im Hochland von Tibet. Alles mit den Logos des Instituts versehen.

      Dann machte er sich an eine routinemäßige Untersuchung des Raumes. Er wusste nicht, ob sein Besuch das Interesse der örtlichen Miliz geweckt hatte. Trotzdem wollte er gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen.

      Er brauchte keine zwei Minuten, um festzustellen, dass das Apartment »sauber« war.

      Ein wenig steifbeinig ging er zurück ins Bad, um zu duschen und sich vom mechanischen Masseur die Muskulatur durchkneten zu lassen. Danach legte er sich frische Kleidung heraus und zog sich wieder an, wobei er sich dabei ertappte, dass er sich über Gebühr lange mit der Person dieser Nomi McIrnerny beschäftigte, was ihm nicht gerade passte. Zu viele Gedanken an jemanden wie sie konnten einen Mann in Schwierigkeiten bringen. Es war sicher besser, er ginge unbelastet an seine Aufgabe heran, dachte Conroy abschließend, ehe er sie aus seinem Bewusstsein verdrängte.

      Er blickte auf das Zeitfenster seines Multifunktionsarmbandes.

      Vier Uhr nachmittags.

      Einer der Übertragungssatelliten von WATCHDOG stand jetzt über der östlichen Hemisphäre.

      Zeit, sich bei Angus Santana zu melden.

      Conroy machte es sich auf der halbrunden Couch vor dem Panoramafenster bequem und zog das metallene Zigarettenetui aus der Brusttasche seines Leinenhemdes.

      Mit spitzen Fingern zog er eines der Stäbchen aus der federnden Halterung und klopfte scheinbar gemächlich den Tabak fest. Dabei berührte er den winzigen Kontakt an der Kante des Etuis; die auf der Deckelinnenseite aufgedampfte, hauchdünne Bildscheibe erhellte sich.

      »Sir!«, sagte Conroy halblaut.

      »Empfang ist gut«, drang Sheehys sonores Organ aus dem Lautsprecher. »Schon Kontakt mit Haan aufgenommen?«

      »Nein«, war Conroys knapper Kommentar, »bin gerade im Begriff, das zu tun. Was Neues, das ich wissen sollte?«

      »Ja.«

      »Wo brennt's?«

      »Immer sofort bei der Sache, wie? – Okay. Es gibt eine kleinen Zusatzjob.«

      »Um was geht es dabei?«

      »Sie werden Kontakt mit einem gewissen Barbo Skorrow aufnehmen.«

      »Um wen handelt es sich?«

      »Einem Verkäufer von Netzinformationen; ein Nachrichtenhändler. Wir hatten schon des öfteren mit ihm zu tun; seine Informationen waren stets brauchbar. Er hat von Schrinagar aus Kontakt mit uns aufgenommen, während Sie sich schon in der Luft befanden, und versichert, er habe Informationen zu verkaufen, die auch Licht auf die Ermordung eines gewissen Agenten werfen könnten...«

      »Brett Foss?«

      »Richtig. Es geht dabei augenscheinlich um Operation Exodus. Kümmern Sie sich darum. Nehmen Sie noch heute Verbindung mit diesem Skorrow auf und übergeben Sie ihm die geforderte Summe, wenn seine Informationen es wert sind. Wir haben eine entsprechend hohe Überweisung an Rimtec weitergeleitet; belasten Sie deren Konto. Die Kontaktadresse, unter der Sie diesen Netzdealer erreichen, lautet...«, Conroys Hand-Kom speicherte die überspielte Datensequenz.

      »So wie Skorrow es darstellt«, fuhr der Oberst fort, »betreffen seine Informationen Vorkommnisse im Inneren von Basis Alpha, die für uns und vor allem für Sie von eminenter Bedeutung sein dürften.«

      »Ich werde mich darum kümmern, Sir«, versprach Conroy, »und melde mich, sobald das geschehen ist.«

      »In Ordnung, Mister Conroy. Und – passen Sie auf sich auf!«

      »Aber immer, Oberst.«

      Der Bildschirm wurde dunkel. Conroy steckte sich endlich die Zigarette in den Mund und zündete sie an.

      Dann begann er zu handeln.

      Was nun folgte, konnte man mit dem Begriff »falsche Spuren legen« umschreiben.

      Er hob den Hörer des Bildtelefons ab und sagte in Hindi: »Vermittlung.«

      »Sahib?«

      Der junge Mann auf dem Display trug die charakteristische Kappe der Parsen.

      »Ich brauche Anschriften und Rufnummern von Reiseveranstaltern, die Führer ins Landesinnere vermitteln.«

      »Sonst nichts, Sahib?«, stieß der Parse hervor. »Schrinagar hat hunderte derartiger Büros.«

      »Hören Sie!«, erwiderte Conroy kühl. »Sollten Sie nicht mehr Geschäftsinteresse haben, als Sie eben an den Tag legen, werden Sie's nicht weit bringen im Leben. Was ich brauche, sind Vermittler, die so billig wie möglich arbeiten. Auch kann ich es mir nicht leisten, einen Führer zu engagieren, der auf eine strikte Einhaltung der vorgeschriebenen Fünfstundenarbeitszeit beharrt.«

      Der Parse murmelte eine Verwünschung im gutturalen Gudscharati-Dialekt.

      Conroy beschloss, diese unfreundliche Bemerkung nicht zur Kenntnis zu nehmen. Scharf fragte er: »Nun?«

      Glattzüngig antwortete der Parse: »Wenn Sie einverstanden sind, Sahib Doktor, lasse ich die Adressen nach den von Ihnen vorgeschlagenen Gesichtspunkten vom Computer auswählen und schicke Ihnen die Liste nach oben.«

      »Tun Sie, was in Ihrer Macht steht«, knurrte Conroy und unterbrach die Verbindung.

      Er drückte die Zigarette im Ascher aus und starrte überlegend auf sein Hand-Kom. Schließlich zuckte er mit den Schultern und rief die Nummer auf, die Sheehy ihm von der anderen Seite des Erdballs übermittelt hatte.

      Auf dem winzigen Display erschien eine Telefonnummer.

      »Anwählen«, sagte Conroy.

      Es dauerte, bis die Verbindung stand. Eine missmutig und argwöhnisch klingende Stimme meldete sich schließlich.

      »Ja?«, fragte sie. »Wer ist da?«

      Der Sichtmodus blieb deaktiviert.

      »Morton Conroy. Der Geldbote.«

      Nachdem Conroy das Schlüsselwort von sich gegeben hatte, blieb es erneut für eine Weile still. Dann sagte die Stimme nervös:

      »Mahin Road, Haus Nummer 354. Sagen Sie, warum machen Sie nicht einen Sprung bei mir vorbei, damit wir in Ruhe quatschen können?«

      »Einverstanden«, sagte Conroy. »Vorher habe ich noch was zu erledigen. Passt es Ihnen eine Stunde vor Mitternacht?«

      »Bestens. Ich erwarte Sie. Und – kommen Sie allein.«

      »In Ordnung«, versprach Conroy. »Auf bald.«

      »Bis dann.«

      Conroy unterbrach die Verbindung.

      Der Boy kam mit einem Computerausdruck. Die Liste umfasste zweihundert Adressen; auch die von Ray Haan war dabei, wie Conroy nach einem flüchtigen Blick bemerkte.

      »Zufrieden, Sir?«

      Der Boy schaute Conroy mit seinen verwaschenen Fischaugen grämlich an. Er war nicht mehr ganz so jung, aber klein und drahtig. Seine Augen konnten sich keinen Moment auf eine Stelle konzentrieren. Es war, als suche er in Conroys Apartment


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