Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett

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Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett


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Ich werde nach El Paso reiten, um Verbindung zu meinem Vorgesetzten aufzunehmen.«

      »Tun Sie das, Señor. Für Gespräche mit Victorio gibt es keine Basis mehr. Die Regierungen beiden Länder wollen ihn tot sehen. Der Überfall auf das Lager der Apachen geschah, weil man den Häuptling in der Schlucht vermutete. Er muss vom Angesicht der Erde verschwinden. Weiße, die ihm in die Hände fallen, foltert er bestialisch. Das hat nichts mehr mit Krieg zu tun. Er hat sich zu einer den niedrigsten Trieben gehorchenden Bestie entwickelt.«

      Whitlock legte die Hand an den Hut und ritt weiter.

      Die Patrouille setzte sich wieder in Bewegung.

      Als der Lieutenant den Rand der Ebene erreichte, drehte er sich um und schaute zurück. Aufgewirbelter Staub markierte den Weg, den die Soldaten zwischen die Hügel genommen hatten. Whitlock ließ seinen Blick schweifen. Er fühlte sich unbehaglich. Längst hatte er es aufgegeben, den beiden Apachen zu folgen. Er traute ihnen nicht und wollte nicht in einen Hinterhalt reiten. Dennoch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden. Sein Proviant war zur Neige gegangen. Er hatte am Nachmittag einen Präriehasen geschossen, dessen Hinterläufe er zusammengebunden hatte und der am Sattel des Packpferdes hing. Sobald der Abend kam, wollte Whitlock ihn braten.

      Hügeliges Terrain nahm ihn auf. Er dachte über die Dinge nach, die er von dem Teniente erfahren hatte. Die USA und Mexiko hatten ein Abkommen getroffen, das ihre Grenztruppen zur Zusammenarbeit ermächtigte und ihnen erlaubte, bei der Verfolgung der Apachen jeweils das andere Land zu betreten und dort zu agieren. Man hetzte Victorio und seine Krieger wie tollwütige Wölfe. Whitlock begriff, dass sich Victorio gar nicht mehr ergeben konnte, denn auf ihn wartete der Galgen. Die Sinnlosigkeit seines Unternehmens wurde dem Lieutenant mehr und mehr bewusst.

      Er schaute nach dem Stand der Sonne. Ihre Konturen verschwammen. Sie verwandelte das Land in einen Glutofen. Whitlock schüttete den Rest seines Wassers in die Krone seines Hutes und tränkte die Pferde. Er musste einen Fluss finden.

      Reite nach El Paso!, mahnte ihn eine innere Stimme. Du kannst nichts mehr beeinflussen. Als du losgeritten bist, war Victorio nur ein gesuchter Pferdedieb. Jetzt wird er als vielfacher Mörder gejagt ...

      Die Pferde gingen im Schritt. Die Hitze füllte beim Atmen die Lungen wie mit Feuer. Der Wind trieb Staubfahnen hoch und zerpflückte sie. In der flirrenden Luft verschwammen die Konturen der Hügel und Felsen wie hinter einer Wand aus Wasser. Eine Klapperschlange lag in der prallen Sonne. Sie hatte den Kopf erhoben. Die beweglichen Hornringe am Schwanz vibrierten. Das dabei entstehende Geräusch erinnerte mehr an ein zischelndes Schwirren als an Klappern. Die Pferde schnaubten erregt. Das Tier, das Whitlock mit sich führte, scheute zur Seite. Doch die Schlange wandte sich ab und kroch schnell zwischen das Geröll.

      Whitlock lenkte die Pferde eine Hügelflanke hinauf. Hüfthohes Gebüsch wuchs hier. Der Boden war sandig. Auf dem Kamm hielt er an, holte das Fernglas aus der Satteltasche und blickte in die Runde. Nichts. Soweit das Auge reichte, nur totes, von der Sonne verbranntes, ausgestorbenes Land.

      Whitlock ritt nach Westen. Er spürte Durst. Das Gefühl wurde nach und nach übermächtig. Und dann begann das Pferd zu lahmen, das er ritt. Whitlock saß ab und untersuchte den Huf. Das Tier hatte sich einen spitzen Stein in die Hornsohle eingetreten. Es schnaubte und setzte den Huf nicht auf den Boden. Whitlock holte den Stein heraus. Hoch über ihm schwebten Geier. Er führte das Tier. Aber schon bald brannten ihm die Füße. Er stieg auf das Reservepferd. Das Schlucken bereitete ihm Mühe. Seine Speicheldrüsen waren versiegt. Seine Mundhöhle war trocken, seine Lippen wurden rissig.

      Es hatte alles keinen Sinn mehr. Der Lieutenant wandte sich nach Norden. Als das Pferd, auf dem er saß, von selbst anhielt, stieg er ab. Die Tiere wollten nicht mehr. Nirgendwo gab es Schatten. Whitlock hob das Gesicht und blickte zum ungetrübten Himmel hinauf. Die Geier waren ihm gefolgt. Vor ihm lag eine staubige Ebene mit riesigen Saguaro Kakteen. Whitlock führte die Pferde zu einem der riesigen, stacheligen Gewächse, holte sein Messer aus der Satteltasche und schnitt ein Stück Fruchtfleisch aus dem Stamm der Pflanze. Es war feucht. Der Mann nahm sein Halstuch ab, breitete es am Boden aus und presste den Saft aus dem Fleisch des Kaktus. Das Tuch fing ihn auf und saugte sich voll. Als der Stoff feucht genug war, rieb Whitlock damit die Nasen der Pferde ab. Es brachte den Tieren momentane Linderung, stillte aber ihren Durst nicht.

      Whitlock kaute etwas von dem Fleisch des Kaktus. Es schmeckte bitter, die Feuchtigkeit vertrieb die Trockenheit in seinem Mund, er spuckte es aus und schon wenig später war der alte Zustand wieder hergestellt. Er schob sich einen kleinen Kiesel in den Mund, lutschte ihn wie ein Bonbon, und hoffte so die Tätigkeit seiner Speicheldrüsen wieder anzuregen.

      Vergeblich.

      Alles in ihm schrie nach Wasser.

      Die Sonne stand im Südwesten. Weit vor sich sah Whitlock Staub, mehr Staub, als dass ihn nur der Wind aufgewirbelt haben konnte. Die Staubwolke näherte sich ihm. Er bog nach Osten ab, stellte seine Pferde zwischen den Hügeln ab und stieg auf eine der Anhöhen, legte sich flach auf den Bauch und harrte der Dinge, die kamen.

      Es waren fünf berittene Indianer. Sie hatten sich farbige Tücher um die Köpfe gewunden. Ihre Kleidung bestand aus Leinenhosen und –hemden und kniehohen Mokassins, bewaffnet waren sie mit Gewehren. Sie bewegten sich nach Süden. Das Sonnenlicht brach sich auf den Stahlteilen ihrer Gewehre. Wahrscheinlich folgten sie der Fährte der Patrouille, die Whitlock vor einigen Stunden begegnet war. Der Lieutenant begriff, dass Victorios Späher überall im Land unterwegs waren.

      Er ließ die Apachen vorüberziehen und folgte wieder der Nordroute. Irgendwo musste es doch Wasser geben in diesem verdammten Land.

      Dann stand die Sonne wie ein Fanal über dem Horizont im Westen. Die Schatten waren lang. Unerschütterlich zog der Lieutenant nach Norden. Schließlich war die Sonne versunken. Sie färbte mit ihrem Widerschein den Himmel purpurn. Rötlicher Schein hatte sich auf das Land gelegt. Es war noch immer heiß. Der Boden strahlte die Hitze zurück. Die Luft schien zu kochen. Einige Wolken zogen am Westhimmel entlang. Nach Norden hin verfärbte sich das intensive Rot zu einem schwefligen Gelb. Die Schatten lösten sich auf.

      Whitlock zog auf der Spur der Apachen, die er gesehen hatte, allerdings folgte er ihnen nicht, sondern er ritt in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

      Und dann stieß Whitlock auf ein Wasserloch. Eine spiegelglatte Fläche Wassers, auf der sich ein feiner Staubfilm gebildet hatte. Felsen umgaben die Tinaja. Die Spuren von Kriechtieren waren auszumachen. Pferdespuren zeigten Whitlock an, dass sich die Krieger hier ebenfalls mit Wasser versorgt hatten. Das Wasser war also genießbar.

      Der Weiße ließ sich vom Pferd gleiten. Seine Beine wollten ihn kaum noch tragen. Auf allen Vieren kroch er zum Wasser. Und er wollte seinen Augen nicht trauen, als er das tote Kalb sah, das in dem Wasserloch lag. Die Apachen mussten es hineingeworfen haben. Es war untergegangen und so hatte es der Lieutenant nicht sogleich wahrgenommen. Er zuckte zurück, kam hoch und zerrte die Pferde vom Wasser weg. Der Kadaver machte das Wasser ungenießbar. Ein Laut der Enttäuschung brach aus Whitlocks Kehle.

      Der rötliche Schein auf dem Land löste sich auf, der westliche Horizont verfärbte sich grau. Nach wie vor schwebten hoch über ihm die Aasgeier.

      Du kannst hier nicht bleiben!, durchfuhr es den Lieutenant. Du musst weiter und die Nacht durchmarschieren. Vielleicht schaffst du es zum Rio Grande. Hier gehst du kläglich vor die Hunde ...

      Unter Einsatz seines letzten Willens machte er sich wieder auf den Weg. Er war wieder auf das Pferd gestiegen, das sich einen Stein eingetreten hatte. Das Tier lahmte nicht mehr. Aber es hatte auch unter dem Wassermangel zu leiden.

      Da stieg Brandgeruch in Whitlocks Nase. Er kam mit dem Wind von Westen. Der Mann hielt an und schnupperte. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Er zog das Pferd herum. Das Tier stapfte in die neue Richtung. Der Geruch intensivierte sich, und dann sah der Mann am Rand einer weitläufigen Mulde im letzten Licht des Tages die niedergebrannte Farm. Dahinter erhoben sich Büsche. Der Gedanke, dass sie einen Fluss oder Bach säumten, beflügelte Whitlock.

      Das Bild, das sich ihm bot, war an Brutalität kaum zu überbieten.


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