Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett

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Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett


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Auftrag unterwegs gewesen?« Scharf fixierte der Colonel den Lieutenant, in dessen Gesicht die Strapazen der vergangenen Wochen tiefe Spuren hinterlassen hatten. Es war von einem wild wuchernden Bart eingerahmt. Die Haare fielen dem Lieutenant unter dem verschwitzten Hut hervor bis in den Nacken. Er verströmte scharfen Schweißgeruch.

      »Colonel Ernest Randall hat mich geschickt. Er war der Meinung, dass sich Victorio der Anklage wegen Pferdediebstahles stellen sollte.«

      Der Colonel verzog den Mund.

      »Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es für den Frieden eine Chance gäbe, wenn Victorio sich stellen würde«, erklärte Tyler Whitlock.

      »Daran glauben Sie doch wohl selbst nicht!«, blaffte Miles. »Auf ihn wartet der Strick.«

      »Ihn aufzuhängen wäre wahrscheinlich falsch, Sir«, wandte Whitlock ein. »Man könnte ihn und seine Leute in ein Reservat weit weg von New Mexiko oder Arizona deportieren und sie dort unter strenge Bewachung stellen. Zum Beispiel Fort Marion in Florida. Ihn zu töten aber ist keine Lösung und wäre einem eventuellen Frieden sicher nicht dienlich.«

      »Darüber zu befinden sind Sie sicher nicht kompetent, Lieutenant«, kam es scharf von Miles. Er wirkte plötzlich wie umgewandelt. Whitlock entging es nicht. Der Argwohn, der ihm von dem Colonel unvermittelt entgegenschlug, war fast körperlich zu spüren. »Nehmen Sie ein Bad, rasieren Sie sich und lassen Sie sich die Haare schneiden. Ich werde mit Ihrem Vorgesetzten Verbindung aufnehmen. Sie, Lieutenant, haben sich zur Verfügung zu halten.«

      »Bin ich etwa arretiert?« Whitlocks Brauen hatten sich gehoben. Fragend musterte er den Colonel.

      »Es fällt mir schwer, zu glauben, was Sie mir erzählt haben. Und darum will ich mir Gewissheit verschaffen. Sie haben schon einmal Befehle missachtet, Lieutenant.«

      »Dagegen verwahre ich mich, Sir.«

      Die Hand des Colonels pfiff durch die Luft. Eine geringschätzige Geste. »Männer wie Sie schlagen immer wieder über die Stränge. Die Zugehörigkeit zur Armee erfordert eiserne Disziplin und unbedingten Gehorsam. Männer, die auf eigene Faust tätig werden, sind fehl am Platz. Wir brauchen keine Helden, Lieutenant, sondern Männer, die ihren Job machen und die hinter ihrer Aufgabe stehen, die mit Herz und Seele die blaue Uniform tragen und die für dieses Land ihr Leben in die Waagschale werfen. Von Ihnen weiß ich nicht, was ich halten soll. Sie sind ehrgeizig und träumen von einer steilen Karriere, und Sie lassen sich zu sehr von Ihren persönlichen Gefühlen leiten, um mit spektakulären Aktionen die Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten zu erregen. Als Sie damals die Banditen nach El Paso verfolgten und hier mit Ihnen kämpften, war das so eine Aktion.«

      »Man hat mich von jeder Schuld freigesprochen, Sir. Der Untersuchungsausschuss, der einberufen wurde, kam zu dem Ergebnis, dass es keine Kompetenzüberschreitung war, als ich die Banditen verfolgte und sie aus dem Verkehr zog. Es war auch kein Geltungsbedürfnis, das mich auf die Fährte Victorios trieb. Ich wollte mich weder profilieren noch mich in den Vordergrund drängen oder mich selbst darstellen, als ich mich bereit erklärte, Victorio zu suchen und mit ihm zu verhandeln. Ich kenne ihn persönlich. Victorio und ich haben oft miteinander gesprochen. Er hat mir vertraut. Es war ein nahezu freundschaftliches Verhältnis.«

      »Was haben Sie für ein Problem, Lieutenant? Sollte mir Colonel Randall telegrafieren, dass Ihre Geschichte der Wahrheit entspricht, ist alles in Ordnung.«

      Whitlock erhob sich. »Kann ich gehen, Sir?«

      »Ja. Ich will Sie morgen früh bei der Hinrichtung sehen, Lieutenant. Keine Widerrede. Ich unterstelle Sie hiermit meinem Befehl, bis ich Antwort aus Tularosa habe. Das kann ich, und das wissen Sie sicher. Ich könnte Sie auch vorübergehend festnehmen lassen, alleine aufgrund der Tatsache, dass mir Ihre Geschichte ziemlich suspekt erscheint.«

      Whitlock verließ die Kommandantur. Er fühlte Enttäuschung und war frustriert bis in die Knochen. Seine Sympathie für Colonel Miles war umgeschlagen in Abneigung. Er fühlte sich ungerecht behandelt und reagierte entsprechend.

      Der Lieutenant begab sich in die Stadt und suchte einen Barber Shop auf. Als er ihn eine Stunde später wieder verließ, war er gebadet, rasiert, seine Haare waren geschnitten und seine Uniform war ausgebürstet. Er ging nicht ins Fort, sondern nahm sich in einem Hotel ein Zimmer, dann begab er sich in einen Saloon und aß dort ein Steak mit Bratkartoffeln und Bohnen. Dazu trank er ein Bier.

      Gesprächsthema Nummer eins war die bevorstehende Hinrichtung der vier Apachen am folgenden Morgen. Whitlock fand es nicht gut, dass sie behandelt wurden wie gemeine Mörder. Im Land sprach man von Krieg. Warum behandelte man die Krieger nicht wie Kriegsgefangene? Man könnte damit guten Willen beweisen und die andere Seite zum Einlenken bewegen.

      Whitlock ging bald zu Bett. Seit Wochen hatte er nur unter freiem Himmel geschlafen. Er hatte das Gefühl, auf einer weichen Wolke davongetragen zu werden, als er in den weichen Kissen lag. Er schlief tief und traumlos. Als er die Augen aufschlug, hing vor dem Fenster das Morgengrauen.

      Mit gemischten Gefühlen kleidete er sich an. Colonel Miles hatte ihn seinem Befehl unterstellt und er musste gehorchen. Alles in ihm sträubte sich dagegen, der Hinrichtung beiwohnen zu müssen. Er wollte nicht sehen, wie die vier Krieger, die für ein vermeintliches Recht gekämpft hatten, kläglich am Strick endeten.

      Der Galgen war zwischen Fort und Stadt errichtet. Vier Schlingen baumelten von dem Querbalken. Drei Männer in Uniform standen auf der Plattform mit der Falltür, zu der dreizehn breite Stufen hinaufführten.

      Alles, was zwei Beine hatte und laufen konnte, hatte sich eingefunden. Es war die Stunde des Sonnenaufganges. Der Morgendunst war ein Vorbote der kommenden Hitze. Doch noch war die Luft kühl und frisch. Über dem Rio Grande hingen Nebelbänke. Nebelfetzen umtanzten auch die Büsche und Baumkronen und verschleierten den Blick. Der kalte Hauch des Todes schien über das Land zu streichen.

      Colonel Miles und fast ein Dutzend Offiziere saßen auf ihren Pferden. Kavalleristen drängten die Neugierigen zurück, die eine Wand aus Leibern um den Galgen bildeten. Gemurmel und Geraune erfüllte die morgendliche Atmosphäre. Jeder wollte das grausame Schauspiel des Sterbens der vier Krieger so hautnah wie möglich erleben.

      Whitlock beobachtete den Colonel. Mit unbewegtem Gesicht saß er auf seinem schweren Braunen.

      Ein Wagen holperte vom Fort heran. Zwei Soldaten saßen auf dem Wagenbock. Eine Eskorte begleitete ihn. Auf der Ladefläche hockten die vier Apachen. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt. In den Gesichtern zuckte kein Muskel.

      Erregung rann wie Fieber durch Whitlocks Blutbahnen. Man war dabei, noch mehr Gewalt zu provozieren. Er sah wieder das Bild mit den weißen Farmern, die an die Corralstangen gebunden und deren Kehlen aufgeschlitzt worden waren, die tote Frau, den getöteten Knaben. Und er sah die toten Männer, Frauen und Kinder der Apachen in der Schlucht, zu der ihn die beiden Krieger geführt hatten und in der er Victorio zu treffen gehofft hatte.

      Gewalt und Tod. Schicksal und Vergeltung rasten. Der Lieutenant spürte das Unheil tief in der Seele. Keine Seite war zum Einlenken bereit. Und die Gewalt würde neue Gewalt nach sich ziehen. Das war zwangsläufig. Whitlock fragte sich, ob es der blaue Rock noch wert war, ihn zu tragen. Machte er sich nicht mitschuldig?

      Es wurde still. Die Räder des Fuhrwerkes quietschten. Hufe pochten, die Leinen waren gespannt knarrten in den Sielen. Die Galgenstricke schaukelten leicht im Morgenwind. Die Apachen mussten absteigen und wurden die Stufen zur Plattform des Galgens hochbugsiert. Einer stolperte und stürzte. Er wurde wieder hochgezerrt. Dann standen sie vor den Schlingen. Die Zuschauer hielten den Atem an. In den Augen der Krieger irrlichterte die Panik. Nichts war schmählicher und schändlicher für einen Indianer als am Strick zu sterben. Den Tod im Kampf fürchteten diese Männer nicht. Den Tod des Erhängens vor Augen aber waren sie halb verrückt vor Angst. Man hatte ihnen die Medizinbeutel abgenommen...

      Ein Captain verlas das Todesurteil. Denn wurden den Kriegern die Schlingen über die Köpfe gestreift und um die Hälse leicht zusammengezogen. Man stülpte den Delinquenten schwarze Kapuzen über. Einer der Soldaten griff nach dem Hebel, der die Falltüre öffnete.


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