Die Giftmischerin. Bettina Szrama

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Die Giftmischerin - Bettina Szrama


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fuhr er sich mit der Hand durch das bei dem Kampf in Unordnung geratene Haar. Dabei ruhte sein Blick auf dem Advokaten, als erwarte er von ihm eine schnelle Lösung. »Ich war gezwungen, dem Senator Schmidt bereits zwei meiner wertvollen Ölgemälde zu verkaufen. Wenn mein missratener Sohn nicht bald heiratet und diesmal eine vernünftige eheliche Verbindung anstrebt, die uns allen von Nutzen ist, dann ist mein finanzieller Ruin nicht mehr zu verhindern.«

      Von Post kratzte sich nachdenklich am Backenbart. »Sie wollten der Unglücklichen keine Kost und Logis mehr gewähren, und Euer Sohn Gerhard hat sie leider mit einem unrühmlichen Fußtritt aus dem Haus gejagt. Das hat die Unglückliche, welche doch die selige Schwiegermutter war, stark gegen Sie erzürnt. Obwohl sie recht brav über Sie, den Vater, geredet hat. Ich habe mich der Tränen der Unglücklichen angenommen und mir erlaubt, die Reichstaler ganz in Ihrem Sinne zu retten. Sie brauchen also nichts mehr zu befürchten. Was erzürnt Sie dann so sehr, dass Sie Ihren Sohn töten wollten?«

      Vom Reden durstig geworden, schritt Herr von Post rasch zur Vitrine im Ostteil des Salons und öffnete die Kristalltür, hinter der er eine Karaffe mit dunklem Wein entdeckt hatte. Seitdem Gerhard Miltenberg einst seine Wohnung tapeziert hatte, ging er wie ein guter Freund im Miltenberg’schen Hause ein und aus. Deshalb kannte er die Gepflogenheiten in der Wohnung. Rasch stellte er drei Gläser auf den Tisch und schenkte ein. »Ein guter Jahrgang«, lobte er Miltenberg nach einem kräftigen Schluck und prostete dem Alten zu.

      Heinrich Miltenberg, ein wenig lädiert von der Auseinandersetzung mit dem Sohn, hatte sich in der Mitte des Salons am Esstisch auf einem Stuhl niedergelassen. Die Arme auf die Lehne gestützt, schielte er grimmig auf den Sohn, der, die Beine in den langen Stiefeln weit von sich gestreckt, am Weinglas nippte und entspannt im Lehnsessel fläzte.

      »Für diesen hochachtungsvollen Dienst, Wolfgang, danke ich Ihnen von Herzen. Sie sind ein wahrer Freund, und manchmal wüsste ich nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte. Ach, wäre mein Sohn nur halb so gütig und schlau wie Sie, dann könnte ich mich an ihm erfreuen und ihn lieben, wie man einen Sohn liebt. Nicht nur, dass er seine Wanderschaft in Braunschweig abgebrochen hat und von dort dieses liederliche Frauenzimmer in unser Haus mitgebracht hat, jetzt säuft und hurt er genauso wie sie umher und schert sich einen Dreck um die Zukunft unseres Hauses. Seine Mutter, Gott habe sie selig, hat ihm ein Vermögen hinterlassen, dass er nun in Windeseile im Müßiggang verjubelt. Sehen Sie mich doch an, Wolfgang. Bald ist meine Zeit vorbei, und ich bedarf alsbald der Pflege. Aber bevor er unser gesamtes Vermögen bei Saufgelagen in Häusern der niedrigsten Verworfenheit verprasst, enterbe ich ihn zu Lebzeiten und ziehe auf meinen Landsitz.«

      »Urteilen Sie nicht so hart, mein Freund«, versuchte von Post Heinrich Miltenberg zu beschwichtigen, nachdem der Alkohol für eine angenehmere Atmosphäre sorgte, die nun fast in eine heitere Stimmung umschlug. Denn nun meldete sich Gerhard zu Wort. Dabei blieb er zunächst in seiner entspannten Haltung sitzen und prüfte mit kritischem Blick sein Glas. Irgendwie verstand von Post die Frauen, die sich scharenweise von ihm aushalten ließen. Nicht zum ersten Mal war er ihm in anrüchigen Spelunken begegnet, halb nackt, mit mehreren Weibern gleichzeitig im Arm. Gerhard Miltenberg war nicht unansehnlich. Der Wein, der nun die blassen Wangen mit einer leichten Röte überzog, verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Doch der ausschweifende Lebenswandel des Mannes hinterließ bereits seine ersten Spuren. Das helle Haar bereits schütter, nach neuster Mode dicht an den Kopf gelegt und nach vorn gekämmt, verlieh dem schmalen Gesicht mit den braunen Augen und der ewigen, unstillbaren Sehnsucht darin eine gewisse Verwegenheit. Aber seine Züge waren verweichlicht und wirkten verschwommen. Hinzu kam, dass Gerhard Miltenberg um die Taille herum zur Fülle neigte.

      »Was träumen Sie, Herr Magister?«, bemerkte der junge Mann schmunzelnd. »Trauen Sie mir nicht zu, dass ich eine Ehefrau für mich finde?«

      Lauernd erhob er sich. Er trat an den Tisch heran und forderte von Post auf, ihm das Glas zu füllen. Groß gewachsen, mit dem Glas in der Hand, stand er vor ihm. Den Vater neben sich ignorierte er, als ob er gar nicht anwesend wäre. »Aber ich will keine Ehefrau. Ich kann jedes Weib haben. So ein faules, fettes Luder will ich mir nicht noch einmal in mein Haus holen. Ich habe Freudensprünge getan, als der Herrgott mich endlich von diesem Ehedrachen erlöste. Auch wenn der Herrgott mich dafür bestrafen wird. Denn seitdem lebe ich in der Furcht, mein Weib könnte als Leiche wiederauferstehen und mir das Leben erneut zur Hölle machen. Aber dieser verbohrte alte Herr«, er wies mit dem Finger anklagend auf den Vater, »erdreistet sich und will mich mit aller Macht zu einer neuen Heirat zwingen.«

      »Und wie ich dich zwingen werde, du Säufer!« Heinrich Miltenberg war bei den letzten Worten aufgesprungen und machte Anstalten, sich erneut auf den Sohn zu stürzen. Doch von Post war schneller. Er hatte dem jungen Miltenberg ruhig zugehört und dirigierte ihn nun mit den Worten »Um was für eine interessante Ehe handelt es sich denn, um die hier so eifrig gestritten wird?« sanft auf den Stuhl zurück. Sein Interesse an den Neuigkeiten bewirkte, dass sich die beiden Miltenbergs gemeinsam an den Tisch setzten und Heinrich sogleich begeistert loslegte: »Es ist die Jungfer Timm, die mir in Gedanken vorschwebt. Sie ist schön und tugendhaft, und ihr geht der beste Leumund voraus. Außerdem soll sie sehr arbeitsam und in vielen Künsten bewandert sein. Sie wäre die rechte Ehefrau, um die gräuliche Unordnung in unserem Hauswesen wieder zu ordnen. Zumal mein liederlicher Sohn der Jungfer schon begegnet ist und sie ihm sehr gefallen hat.«

      »Übertreibe nicht, Vater«, fiel ihm Gerhard ins Wort. Doch von Post sah sehr wohl, dass dem Sohn diese Verbindung nicht missfallen würde.

      »Sie müssen verstehen, Herr Magister«, redete der Vater weiter, »dass ich mich schäme, für meinen Sohn als Brautwerber aufzutreten.«

      »Ich würde mich dem Mädchen schon gern vorstellen, aber wie? Auf dem Korporalsball ist sie mir angenehm aufgefallen. Aber es war kein Herankommen. Die Schöne wurde von ihrer Familie bewacht wie ein seltenes Kleinod. Sie tanzte nicht einmal, obwohl es viele Männer gab, die das Glück gern gehabt hätten. Stattdessen drehte sie sich immerfort nur mit Marie im Kreise, der einzigen Tochter des Klavierlehrers.«

      »Die beiden Familien sind miteinander befreundet. Ich kenne das Mädchen«, ergänzte von Post den jungen Miltenberg. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, meine Herren. Wie wäre es, wenn ich in Gerhards Namen als Freiwerber bei dem Schneidermeister Timm vorspreche, damit das mörderische Streiten endlich ein Ende hat und wieder Frieden in dieses schöne Haus einzieht. Ich schließe mich da ganz Ihrer Meinung an und finde auch, dass die liebliche Gesche Timm der Retter für das Miltenberg’sche Hauswesen ist. Ihr Vater ist ein einfacher Schneidermeister. Er gilt als arm, aber nicht unbedingt als gänzlich unvermögend. Allerdings würde ich Ihnen, Gerhard, raten, die Jungfer näher kennenzulernen. Denn nichts gedeiht ohne Liebe. Vielleicht mag Sie die Jungfer ja gar nicht und weist Ihr Werben zurück.«

      »Das Mädchen wird doch nicht so dumm sein, ein Vermögen auszuschlagen.« Heinrich Miltenberg vermochte sich nicht vorzustellen, dass irgendjemand die Armut dem Reichtum vorziehen könnte.

      »Eben sagten Sie noch, dass der finanzielle Ruin näher rücke?«, grinste von Post und winkte Gerhard heran. Wie Verschwörer steckten sie nun die Köpfe zusammen. »Ich würde vorschlagen, dass Sie das Kleid, welches Ihre verstorbene Ehefrau einst bei dem Schneidermeister Timm hat anfertigen lassen, der Jungfer Timm verehren und sie gleichzeitig mit zwei Theaterkarten beglücken. Dort sollte es Ihnen nicht schwerfallen, mit der schönen Gesche ein Gespräch über die Kunst und das Theater zu beginnen«, riet er dem Sohn und fasste ihn scharf ins Auge. »Danach bleibt Ihnen noch eine ganze Woche Zeit, um ihre Gunst zu buhlen, was Euch Schwerenöter ja nicht schwerfallen dürfte. Ich werde mich dann am kommenden Sonntag, Anfang Februar, als Freiwerber bei dem Schneidermeister Timm vorstellen.« Rasch streckte er die Hand aus und sagte abschließend: »Ihre Hand darauf, meine Herren. Machen wir eine Wette, dass schon im nächsten Monat März die jungen Leute vor dem Traualtar stehen werden.«

      Die eben noch miteinander verfeindeten Herren Miltenberg erinnerten sich plötzlich wieder, dass sie Vater und Sohn waren. Ihre Gesichter glühten, und beide lobten ziemlich redselig die Vorzüge der schönen Gesche. Nachdem sie in die Hand des Magisters einschlugen, umarmten sie sich unter Tränen in nie gekannter Einigkeit, bis von Post, um nicht zu stören, sich leise auf Zehenspitzen rücklings mit einem verschmitzten Lächeln


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